Wer in der Selbstisolation während der Corona-Krise mit Freunden und Familie Kontakt halten will, greift zum Videoanruf. Doch statt sich auf etablierte Facebook-Dienste wie Whatsapp und Messenger zu verlassen, nutzten viele Nutzer lieber die Hype-Dienste Zoom oder House Party. Nun will Facebook mit seinem alten Trick die Nutzer zurückgewinnen - und kopiert schlicht die Konkurrenz. Aber reicht das aus?
Für Facebook und die anderen Tech-Giganten kam die Konkurrenz quasi aus dem Nichts. Vor allem Zoom explodierte geradezu: Noch im Dezember hatte der Service zehn Millionen Nutzer, Anfang April meldete man dann plötzlich 200 Millionen Nutzer, letzte Woche waren es schon 300 Millionen. Auch House Party gewann quasi über Nacht 50 Millionen neue Nutzer. Kein Wunder, dass Facebook seine Felle davon schwimmen sah. Und nun hastig seine Antwort vorstellte.
Räume zwischen Facebook und Whatsapp
Die heißt "Messenger Rooms". Eine neue App braucht man dazu nicht: Aus dem Messenger oder Facebook selbst soll man beim Start in einigen Wochen unkompliziert einen "Raum" erstellen und dann dort mit bis zu 20 Personen videotelefonieren können. Bald sollen die Räume erweitert werden, dann erlaubt der Dienst bis zu 50 Teilnehmer. Und: Erstmals will Facebook die Grenzen zwischen seinen Diensten einreißen und auch Instagram- und Whatsapp-Nutzern den Zutritt zu den Räumen erlauben.
Diese Maßnahme war eigentlich erst für einen späteren Zeitpunkt geplant, verkündete der Konzern in einem Blogpost. Schon länger hatte Facebook vorgehabt, die drei separaten Chat-Funktionen der drei Unternehmen zu vereinen - und dabei auch gleich die Accounts der Dienste miteinander zu verheiraten. Dass es nun so schnell ging, zeigt, wie ernst der Konzern die Konkurrenz durch Zoom nimmt.
Die Snapchat-Strategie
Dass es auch um das Eindämmen eines Konkurrenten geht, merkt man auch an anderer Stelle. Wie schon bei Snapchats Story-Funktion verlässt sich Facebook bei den Messenger Rooms auf eine etablierte Strategie - und bedient sich großzügig bei den beliebtesten Features des aufstrebenden Konkurrenten. Wie bei Zoom ist auch bei den Messenger-Rooms der Anruf-Bildschirm mit den Bildern zahlreicher Videokacheln der Teilnehmer gepflastert, es ist erstmals bei einem Facebook-Produkt nicht nötig, einen Account beim Social-Media-Giganten zu haben, um teilnehmen zu können.
Mit einem Link lässt sich jeder Chat auch für externe Nutzer öffnen. Während des Gesprächs darf man Filter über das Gesicht legen oder den Hintergrund virtuell verändern - was bei Zoom sehr gut ankam.
Eher von House Party hat sich Messenger Rooms bei einem anderen Aspekt inspirieren lassen: Statt sich wie bei Zoom immer zu einem festen Termin verabreden zu müssen, kann man auch einfach einen Messenger Room eröffnen, den bei den Facebook-Diensten teilen und dann schauen, wer vorbei kommt.
Doch auch die negativen Erfahrungen der Konkurrenten hat Facebook bedacht. Nachdem Zoom eine ganze Menge Probleme mit nicht eingeladenen Besuchern in Gesprächen hatte, die dann Ärger machten - das sogenannte Zoom Bombing -, hat Facebook bereits von Anfang an Sicherheitsvorkehrungen eingebaut. Der Veranstalter kann sämtliche Teilnehmer aus dem Raum werfen, zudem soll sich ein Verteilen des Einladungslinks auf Wunsch unterbinden lassen.

Facebook ist nicht der einzige Konzern, der von den aufstrebenden Konkurrenten überrascht wurde. Der raketenhafte Aufstieg von Zoom trifft auch die professionellen Dienste wie Skype for Business oder Cisco Webex schwer. Obwohl sie lange etabliert und in Bezug auf den Datenschutz deutlich sattelfester sind, hatten die offene Struktur und die unkomplizierte Einladung externer Teilnehmer Zoom auch in der Geschäftswelt schnell zu Beliebtheit verholfen.
Ähnlich wie Facebook hatte etwa auch Googles Business-Videoprogramm Meet schon eine an Zoom erinnernde Galerie-Funktion eingeführt. Skype erlaubt nun wie der Konkurrent das Einfügen eigener Hintergründe, um das Chaos im Homeoffice verbergen zu können.
Facebook meint es ernst
Wie ernst Facebook die Konkurrenz nimmt, zeigt ein Interview von Mark Zuckerberg mit "The Verge". Der Facebook-Gründer berichtet dort, dass er aktuell dem Projekt die meiste Aufmerksamkeit widmet. "Mir geht es vor allem darum, eine entfernte Präsenz erreichen zu können, eine Nähe zu Menschen, die physisch nicht hier sind", erklärt Zuckerberg. Eher nebenbei nennt er eine Zahl, die diesen Fokus rechtfertigen dürfte: 700 Millionen Videoanrufe gäbe es täglich über Messenger und Whatsapp. Mit Messenger Rooms dürfte man noch auf eine ordentliche Steigerung hoffen.
Und Zuckerberg verrät auch, wie die Zukunft des Dienstes aussehen könnte. "Per Video präsent zu sein, ist da noch nicht das Ende", ist er sich sicher. Er habe gerade in einem Virtual-Reality-Meeting teilgenommen. "Und obwohl VR noch in der Entwicklung und nicht so fortgeschritten wie Videotelefonie ist, hat dieses Gefühl des Raumes einfach etwas", schwärmt der Facebook-Chef. Facebook hatte mit Oculus Rift schon 2014 einen der Pioniere der Technik aufgekauft. Nun scheint man endlich einen Plan dafür zu haben.
Quellen: Facebook, The Verge, Techcrunch