Sie heißen Pico Lino, Tira Misu oder TomTomTom. Obwohl Facebook bei der Anmeldung die echten Namen (Klarnamen) fordert, nutzen etliche Mitglieder Fantasienamen - teils aus Gründen des Datenschutzes, manche einfach nur zum Spaß. Das stößt dem Konzern nun offenbar sauer auf: Einige Nutzer bekommen nach dem Login eine Meldung, in der sie über Namen ihrer Freunde ausgefragt werden. Facebook fragt unmissverständlich: "Ist dies der echte Name deines Freundes?", daneben ein Bild des vermeintlich Anonymen. Ein Wegklicken ist nicht möglich. Außer "Ja" und "Nein" gibt es noch zwei weitere Antwortmöglichkeiten: "Ich kenne dies Person nicht" und "Ich möchte nicht antworten". Doch warum fordert Facebook seine Nutzer zum Denunzieren auf?
"Nur ein Test"
Facebook bestätigt die Meldung, offiziell handelt es sich um einen Test zu statistischen Zwecken. "Bitte hilf uns dabei zu verstehen, wie Nutzer Facebook verwenden", heißt es in der Meldung. Um das schlechte Gewissen zu beruhigen, versichert das Unternehmen: "Deine Antwort bleibt anonym und hat keinen Einfluss auf das Konto deines Freundes." Auch auf Nachfrage von stern.de heißt es, dass die gewonnenen Informationen nicht gegen die Nutzer von gefälschten Namen verwendet werden. Warum die Daten genau gesammelt werden, kann oder darf ein Sprecher nicht mitteilen. Dass der Konzern aber ein Interesse an möglichst vielen Klarnamen hat, liegt auf der Hand: Profile mit echten Namen lassen sich besser personalisieren und somit auch vermarkten.
Laut einer Forsa-Umfrage nutzen mehr als die Hälfte (58 Prozent) aller Facebook-Mitglieder ihren vollständigen, realen Namen. 18 Prozent verwenden Abkürzungen oder nennen nur einen Teil des Namens, 20 Prozent Spitz- oder Fantasienamen. Nur zwei Prozent der Facebook-Mitglieder bleiben anonym. Doch die Geschäftsbestimmungen von Facebook verbieten das Nutzen von gefälschten Namen. Dort heißt es: "Facebook-Nutzer geben ihre wahren Namen und Daten an und wir benötigen deine Hilfe, damit dies so bleibt" und "Du wirst keine falschen persönlichen Informationen auf Facebook bereitstellen." Viele User sind empört über die Nachfrage von Facebook. Während einige die Spitzelei aufs Schärfste verurteilen, empfehlen andere einfach immer mit "Ja" zu antworten, um das System ad absurdum zu führen.
Streit um das Pseudonym
Bereits im vergangenen Herbst gab es eine Debatte um den Klarnamenzwang: Google forderte in seinem sozialen Netzwerk Google+ ebenfalls echte Namen und sperrte Nutzer mit Pseudonymen von der Plattform aus. Netzaktivisten und Bundestagsabgeordnete beschwerten sich und warfen grundsätzliche Fragen zur Identität in der digitalen Gesellschaft auf. Die sogenannten "Nicknames" sind schon lange fester Bestandteil der Internet-Kultur, betonte die Bürgerrechtsorganisation EFF (Electronic Frontier Foundation) in ihrer Kritik an der Namenspolitik von Google.
Die Gründe, warum Menschen in sozialen Netzwerken nicht ihren Realnamen angeben, sind vielfältig: Opfer von Stalking oder anderen Verbrechen können sich dank Alias-Namen unbeobachtet durchs Netz bewegen, öffentliche Personen wie Politiker oder Lehrer können nur so ihr Recht auf Privatsphäre wahren. Andere User nutzen ein Pseudonym bereits seit zwanzig Jahren und wollen es nicht aufgeben. Einige wollen ihre Daten bloß nicht an die Werbekunden von Facebook verkaufen, aber trotzdem mit ihren Freunden in Kontakt bleiben. Die dafür nötige Registrierung ohne echten Namen sieht Facebook aber nicht vor.
Allerdings wird mit Pseudonymen im Netz auch viel Schindluder getrieben: Anonyme Beschimpfungen und Drohungen gehören genauso zu den Schattenseiten wie Cybermobber und Stalker. Sie alle verstecken sich hinter gefälschten Identitäten - zum Leidwesen aller Nutzer.
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