Der aktuelle Sturm an Vorwürfen ist selbst für Facebooks Verhältnisse heftig: Der Konzern soll Profite über das Wohlergehen seiner Nutzer:innen stellen, massive Probleme beim Kampf gegen Falschmeldungen, bösartige Inhalte wie Hassnachrichten und illegale Handlungen wie Menschenhandel haben und mit seinem Algorithmus der Gesellschaft schädigen - und das auch selbst wissen. Das geht aus internen Dokumenten des Konzerns vor, die von der Ex-Angestellten Frances Haugen durchgestochen wurden. Nun hat man den Firmennamen gewechselt. Das dürfte mit den aktuellen Entwicklungen zumindest indirekt zusammenhängen.
Dabei wollte der nun Meta genannte Konzern diesen Eindruck unbedingt verhindern. "Wir haben damit lange vor den aktuellen Nachrichten angefangen, sie hatten keinen Einfluss darauf", erklärte Mark Zuckerberg schnell einem Gespräch mit "The Verge". Er verstehe zwar, warum manche darauf kämen. "Ich finde es ein bisschen lächerlich. Wenn überhaupt ist das aktuelle Klima eher schädlich, wenn man eine neue Marke einführen möchte." Der Facebook-Gründer bleibt auch im neuen Konzern an der Spitze.
Das Metaverse als Zuflucht
Tatsächlich dürfte die Umbenennung und die damit einhergehende Neuausrichtung des Konzerns mindestens mehrere Monate in der Planung gewesen sein, eine reine Reaktion auf die aktuellen Enthüllungen ist als Grund also ausgeschlossen. Und trotzdem hängen die Probleme und die Neuausrichtung ziemlich klar zusammen.
Denn das sogenannte Metaverse, die vom nun gleichnamigen Konzern beschworene nächste Stufe des Internets, soll es uns nicht nur ermöglichen, uns in zahlreichen von dem Konzern angebotenen virtuellen Realitäten zu verlieren. Es soll auch die Chance darstellen, die zahlreichen ganz realen politischen Probleme des Konzerns zu einem Relikt der Vergangenheit werden zu lassen. Darauf deutet ausführlichen Recherchen der "Washington Post" im Vorgang der Umbenennung hin.
Der Neuanfang als Chance
Facebooks und seine Top-Manager versuchen demnach im großen Stil, Politiker, Think Tanks und Regulatoren für das neue Metaverse zu begeistern. Dabei gehe es im aktuellen Vorstoß vor allem darum, möglichen Einwänden gegen die neue Technologie zuvorzukommen, berichtet die Zeitung unter Verweis auf zahlreiche Teilnehmer der Gespräche. So wolle der Konzern etwa bereits im Vorfeld ethische Standards und technische Protokolle für eine solche virtuelle Welt entwickeln, um moralischen und Monopol-'Ängsten unter den Gesetzgebern zuvorzukommen.
Tatsächlich bestätigt auch Zuckerberg selbst, dass die neue Ausrichtung in dieser Hinsicht eine Chance darstellt. Man habe in den letzten fünf Jahren oft auf die harte Tour lernen müssen, dass manche bestehende Funktionsweisen der eigenen Plattformen Probleme verursachen würden, gestand er "The Verge". Sie nachträglich zu ändern, sei oft schwierig gewesen. "Es wird ohne Zweifel besser sein, diese Dinge diesmal von Anfang an einzubauen." Als Beispiele nennt er den Schutz der Privatsphäre und die Möglichkeit, sich vor unangenehmer Behandlung durch andere Nutzer zu schützen. Beides würde man diesmal gleich beim Aufbau der Plattform mitdenken, betont der Facebook-Gründer.
Zuckerberg hat genug von Politik
Er selbst mischt sich aber offenbar nicht in die Verhandlungen ein. Zuckerberg habe gegenüber seinen Mitarbeitern klar gestellt, dass er in solchen Angelegenheiten nicht mehr involviert sein möchte, schreibt die "Post". Vor drei Jahren hatte Zuckerberg das erste Mal vor dem US-Kongress aussagen müssen. Damals ging es um Monopol-Vorwürfe gegen den Konzern, die noch nicht vollständig vom Tisch sind. Heute würden die Bemühungen des Konzerns vor allem von den Zuckerberg-Vertrauten Sheryl Sandberg und Nick Clegg vorangetrieben.

Dem Konzern dürfte es bei seinem Vorstoss vor allem darum gehen, die Gesetzgeber in Washington zu überzeugen, dass der Konzern seine offensichtlichen Probleme in den Griff bekommen kann und keine gesetzlichen Regulierungen nötig sind, um ihn dazu zu zwingen. Die Chancen dazu stehen gut, glaubt Medien-Forscherin Joan Donovan von der US-Eliteuni Harvard. "So lange Technologie sich frisch, neu und cool anfühlt, ist es einfacher, Regulation zu verhindern", sagte sie der "Washington Post". "Man kann diese Verteidigungslinie dann mehrere Jahre fahren, während die Regierung hinter der Entwicklung hinterherläuft."
Quellen: The Verge, Washington Post