Singlebörsen Rasterfahndung nach dem Glück

Boom der Partnerbörsen im Internet: Millionen von Singles hoffen auf die Liebe aus dem Netz. Doch wie gut sind die Agenturen wirklich? Die Stiftung Warentest hat 16 Anbieter unter die Lupe genommen.

Natürlich gibt es sie, die wunderbaren Geschichten, wie zwei sich übers Internet gefunden haben. Zwei, die nun niemals wieder auseinander gehen wollen. Wo schon nach den ersten Mails das Herz in der Brust flatterte wie ein Herbstdrachen über dem Feld; wo schon beim ersten Telefonat, beim zweiten Treffen oder beim dritten Tanz alles klar war, wunderbar und rosig.

Eine Woche hat es gedauert bei Yvonne und Stephan, heute Familie Holzinger, bis aus zwei elektronisch vernetzten Singles ein echtes Liebespaar wurde. Vier Wochen bei Manuela und Werner, heute Familie Wittmann. Und Daniela Thaler war drei Monate nach dem ersten Treffen auf dem Münchner Kaiserball schwanger von ihrem Herrn Schmidt, Chiara ist inzwischen neun Monate alt und kommt ganz nach Papa Maximilian. Michelle Sophie Holzinger wurde im Mai geboren, Adrian Wittmann im Juli ein Jahr alt. Wunderschöne Geschichten, wirklich, jede ganz anders, doch begonnen haben sie alle gleich: online, bei der Rasterfahndung nach dem Richtigen.

Drei, zwei, eins - meins, so einfach und schnell geht's üblicherweise nicht bei all den Singles, die übers Internet auf Partnersuche gehen. 14,2 Millionen Ein-Personen-Haushalte gibt es in der Bundesrepublik - doch wie viele davon wollen daran etwas ändern? Zehn Millionen? Acht? Sechs? Und: für immer, für einen Lebensabschnitt oder für ein paar Nächte? Darüber schweigt die Statistik.

Die Betreiber der elektronischen Sehnsuchtsmaschinen, circa 1800 an der Zahl, davon aber nur etwa 50 mit mehr als fünf Mitarbeitern, protzen dafür mit Mitgliederzahlen, die insgesamt sogar über der Zahl deutscher Singles liegen. Was damit zusammenhängt, dass sehr viele einsame Herzen bei mehreren Anbietern registriert sind - und einige davon ihre Onlineleichen nicht ausmustern: Nicht nur bei Liebe.de werden auch Menschen gezeigt, die zuletzt vor zwei bis drei Jahren ihr Gesuch "aktualisiert" haben.

Außerdem: Das Anmelden ist überall gratis, das Anschauen der sich Anbietenden auch - aber um Kontakt per Klick aufzunehmen, muss man meist zahlendes Mitglied werden. Doch wie viele ihrer Kunden auch wirklich Geld ausgeben und damit als Deckel für einen Topf abrufbar sind, das verrät kein Anbieter. Ihr Markt boomt: 2004 betrug der Umsatz 37,7 Millionen Euro - 75 Prozent mehr als im Vorjahr. Dennoch sind sich Beobachter einig, dass in den nächsten Jahren Hunderte der kleineren Agenturen wieder eingehen werden. Mit der Sehnsucht nach Zweisamkeit Geld zu verdienen funktioniert, so zeigt es sich schon in den USA, auf Dauer nur über mehr Qualität und Spezialisierung. Oder über Seitensprung-Agenturen - aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Dennoch ist sicher: Das digital vermittelte Dating zieht Millionen Menschen in seinen Bann, viel mehr, als es klassischen Partnervermittlungsinstituten je gelungen ist. Ihre Branche bricht derzeit massiv ein. Denn per Internet geht alles viel schneller, viel genauer, viel günstiger sowieso. Aber auch erfolgreicher? Seriöser?

Grund genug für die Stiftung Warentest, 16 große Anbieter zu überprüfen: 19 Männer und Frauen, alle echte Singles und auch tatsächlich auf der Suche, durchleuchteten nach genau vorgegebenen Kriterien die modernen Varianten der Partnerdienste (Ergebnisse des Tests siehe Tabelle). Ihre persönliche Bilanz nach dem halbjährigen Check: eine Dreimonatsaffäre, eine noch laufende Beziehung, ein möglicher Beginn - Erfolgsquote also rund 16 Prozent. Dazu kamen viele unküssbare Kröten plus Kontaktgesuche von Callboys und Huren, denn nicht alle Anbieter gehen rigoros gegen als Singles getarnte Sexprofis vor.

Aber wie klappt es

denn nun ernsthaft? Wie füttere ich eine Maschine so, dass sie hinterher mein Glück ausspuckt, meinen Lebensmenschen, der vielleicht nur ein paar Klicks entfernt ist?

Man muss dafür vor allem eines können, nämlich: sich selbst verkaufen. Dazu gehört, so oberflächlich es sein mag, nun einmal das Aussehen. In den USA gibt es Agenturen, die von den online gehenden Einsamen ansprechende Fotos machen, scannen und hochladen. "Hierzulande ist oft die Schrankwand oder der Rechner schärfer als der verschwommene Fleck Mensch davor", sagt eine 34-Jährige, die im Auftrag der Stiftung Warentest auf Suche ging; eine Frau mit Rubensfigur und Gardemaß von 180 Zentimetern.

Ein paar dieser "Flecken" traf die blonde Krankenschwester in Kneipen, via "Dating Café", "Be 2" und "iLove": "Einer ging mir nur bis zur Schulter, ein anderer suchte lediglich One-Night-Stands, vom Dritten weiß ich nicht einmal mehr den Namen. Und ein Vierter sprach nur mit meiner Oberweite." Dating Café und Be 2 haben ihr gut gefallen: Als Computerneuling klickte sie detailliert an, welche Größe, Alter, Bildung, Hobbys, Musik- und Essensgeschmack sie selbst hat - und welche der Gesuchte haben sollte. Bei iLove hätte sie sich Ausschlusskriterien gewünscht: "Kein Bart, kein Tattoo, kein Piercing. Dann aber, fürchte ich, wäre es da ziemlich leer!"

Einfach haben es, was Wunder, Frauen, die hübsch und kinderlos sind, Anfang 30 - und beruflich bloß nicht zu erfolgreich! "Das macht den Männern Angst", sagt Henning Wiechers, Betreiber der kostenlosen Plattform "Singlebörsen-Vergleich", die Dating-Einsteigern einen guten Marktüberblick samt Tipps gibt. Sehr begehrt, da eher selten, sind Männer über 40, die weder herbe Unterhaltsverpflichtungen noch Bauch- oder Bierprobleme haben. Kommt noch ein anständiger Job hinzu, haben sie fast freie Auswahl.

Selbst im weltweiten Web, sagt die Testerin, gilt der eher altmodische Grundsatz: "Mann rührt sich, Frau antwortet." Wer liegt da nun abends im Mailkasten, wer hat per Klick einen "Wink", "Flash" oder "Kuss" geschickt? Die 34-Jährige zählt auf, wen sie schon allein wegen des selbst gewählten Decknamens doof fand: den anbiedernden "Sitzpinkler", den angeberischen "Cartier04", Herrn "Lutsch-mich-gut" sowieso, den Fantasielosen namens "Schumi-13" (Schumi-1 bis Schumi-12 waren schon vergeben). Und den aus Slowenien, weil sie ihren Traummann doch ausdrücklich nur in Berlin, Hamburg und Hannover suchte.

Und was mailten diese Männer der potenziellen Herzdame, die für alle Suchmaschinen ein sehr ausführliches Profil von sich erstellt hatte? Dürre Dreizeiler, komplett unpersönlich dazu - bis auf den Slowenen, der ihr schrieb: "Ich libe feinstrummffhosen!" Schreibfehler, die von keiner Rechtschreibreform gedeckt sind, machen allerdings auch deutsche Date-Suchende zuhauf - ein echter Abtörner, genau wie bei der Jobsuche.

"Der Mann an sich arbeitet gern nach dem Schrotflintenprinzip", nennt das Henning Wiechers: Er melde sich bei drei Portalen gleichzeitig an und donnere Dutzende Mails an Frauen hinaus, die auch nur vage infrage kämen. Und wundere sich dann, dass seine standardisierten Sätze unbeantwortet bleiben. Bei fast allen Börsen gibt es eine "Ich über mich"-Seite oder eine Begrüßungsspalte, also irgendeinen Platz, an dem man, ohne vorgegebene Kategorien von Augenfarbe bis Sternzeichen, etwas über sich, seine Träume, Vorlieben und Abneigungen schreiben kann. "Aber bei vielen Männern bleibt dieser Raum leer", wundert sich Frau Warentest.

Auch Stephan Holzinger hat bei "Match.com", dem Warentest-Sieger, mit der Schrotflinte angefangen: "Ich hatte doch 30 Seiten voller Treffer! Also meinen Kurztext immer copy und paste, und raus damit." Dies alles übrigens, liebe Chefs, von seinem früheren Arbeitsplatz aus. Bei der hübschen, blonden Yvonne, an deren Foto er hängen blieb, gab er sich mehr Mühe. "Nett, aber trotzdem schön knackig und bündig", sei seine Mail gewesen, sagt Yvonne. "Ich habe 10 bis 15 Mails pro Tag gekriegt; die ellenlangen Romane, die dabei waren, habe ich gleich gelöscht." Die Testerin der Stiftung dagegen hätte sich über "mehr als 150 Anschläge echt gefreut - so das Zehnfache."

Ja, was denn nun absenden? Ein langes Bewerbungsschreiben für die Erweiterung einer Ich-AG? Oder doch besser kurz? Mit Gedicht? Ohne Foto? Die schicke Eigentumswohnung erwähnen, aber nicht den Rettungsring um die Leibesmitte? Zieht eher romantisch oder sachlich? Und vorher, beim Ausfüllen des eigenen Profils: Anklicken, dass man indisches Essen lieber mag als italienisches? Schlager oder Schmusepop? Nur Selter- oder auch Sekt- und Schnapstrinker? Will ich keinen Raucher, einen Witwer, eine Alleinerziehende? Widder oder Stier? Fernbeziehung oder S-Bahn? Fragen, die viele online überfordern. Weshalb sie "egal" wählen - und dann Masse statt Klasse über den Bildschirm schwappt.

Der übliche Prozess

des Kennenlernens wird im Internet fraglos auf den Kopf gestellt. "Man kann per Mail oder im Chat schon vor dem Treffen Privates preisgeben, ohne rot zu werden", beichtet Frau Warentest. Man kann auch Intimes fragen, ohne - als Mann - gleich eine geknallt zu bekommen. Im schlimmsten Fall wird man kommentarlos per Klick "deaktiviert" - aber das nächste Dutzend steht ja schon auf den Trefferlisten.

Die Berliner Autorin Christine Eichel, Doktorin der Philosophie, hat sich für ihren erotischen Thriller "Im Netz" nächtelang eben dort herumgetrieben. Sie sagt: "Ich finde, diese Art des Kennenlernens erinnert an das 19. Jahrhundert, an die Vernunftehe: ohne Körperlichkeit zunächst, aber mit vielen sozialen Gemeinsamkeiten - das ist doch eine Ironie dieser befreiten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts."

Natürlich hat auch Christine Eichel Freundinnen, die ernsthaft online suchen und dabei wunderbare Partner finden, so wie es Yvonne Holzinger, Manuela Wittmann und Daniela Thaler gelang. Aber andere Freundinnen treffen per Internet eben auch auf Herren, für die das Suchen spannender bleibt als das Finden: "Da erzählt mir eine von einem Mann, den sie am nächsten Tag sehen würde; er habe ja so schöne Hände. Dann zeigt sie mir das Bild eines Mannes, nur bekleidet mit Dutzenden von Leberflecken und einer grün gemusterten Badehose! Das Schlimmste aber war: Ich habe ihn erkannt - er ist Unternehmensberater und hat eine feste Freundin in Paris. Und so schön waren seine Hände nun auch wieder nicht." Also weitersuchen.

Das eben ist das Problem der Partner-findung mittels Maus und Mail: der Glaube, der nächste Mister Right, die nächste Zauberfrau, sei nur noch einen Klick weit weg, und noch einen, und noch einen... Irgendwann aber muss sich der Mensch entscheiden. Sich verlieben, das kann kein Computer übernehmen, das macht das Herz ganz allein. Oder auch nicht.

Bettina Schneuer
Mitarbeit: Sven Stillich

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