Beginnt ein Krieg, werden Menschen zu Zahlen. Dann stehen 250.000 US-Soldaten 1000 Elitekämpfern gegenüber, da sterben 14 Iraker bei einem Angriff, und fünf Briten werden verwundet. Diejenigen, die ihre Armeen zurzeit in den Kampf schicken, sind sehr daran interessiert, dass das so bleibt. Zahlenkolonnen haben keine Einschusslöcher und keine eigene Stimme. Doch es gibt das Internet - und dort finden sich Geschichten, die in keiner Zeitung stehen.
Eindringlicher, als CNN es je könnte
Und nur dort schreibt jemand, der sich "Salam Pax" nennt, über sein Leben in Bagdad. Er benutzt dafür eine Technik, die "Weblog" heißt. Mit ihr lassen sich Netztagebücher - kurz "Blogs" genannt - sehr einfach gestalten. Und sie gibt Besuchern die Möglichkeit, Texte auf den Seiten zu kommentieren oder zu ergänzen. Was "Salam Pax" in seinem Blog (leider zurzeit offenbar nicht erreichbar; d. Red.) schreibt, zeigt den Krieg eindringlicher, als CNN es je könnte: "Wir zählen die Stunden, seit die B-52-Bomber gestartet sind. In sechs Stunden können sie hier sein." Und: "Die ganze Stadt sieht aus, als würde sie brennen. Das Einzige, was ich denken kann, ist: 'Wie kann jemand Bagdad das antun?' Als eines der Häuser, die ich sehr liebte, explodierte, musste ich fast weinen." Als er danach zwei Tage nicht schrieb, waren Tausende in Sorge - obwohl bis heute niemand sicher sein kann, dass "Salam Pax" wirklich, wie er behauptet, aus Bagdad berichtet.
US-Soldaten: nur am Anfang lakonisch
Auch US-Soldaten schreiben Blogs. "Lt. Smash" zum Beispiel, der nicht verraten will, wo er sich befindet, nennt seinen Blog "Live aus dem Sandkasten". Noch vor Tagen klang er lakonisch: "Saddam hat ein paar seiner Scud-Raketen auf mich abgeschossen. Er hat nicht getroffen." Nun steht auf seiner Seite ein Brief an die Eltern eines toten Soldaten: "Er war ein guter Freund meines Bruders." Und als die Amerikaner auf irakischen Widerstand stoßen, lässt der Blog des in Kuwait stationierten Korvettenkapitäns Kevin Mickey das mehr als erahnen. Noch vor kurzem beschwerte er sich, dass er die neuen "South Park"-Folgen nicht sehen könne. Nun räsoniert er: "Wir sind wohl nicht schreckenserregend genug. Es ist an der Zeit, diese irakischen Divisionen in rauchende Wracks zu verwandeln."
Mehr im Web
warblogs.cc Zentraler Irak-Krieg-Blog
warbloggerwatch.blogspot.com Infos
zaydoun.blogspot.com Kuwait-Blog
www.agonist.org Kriegsnachrichten
Ein Nachbar-Blogger aus Kuwait stellt unter www.qhate.com ganz andere Überlegungen an: "Sie sind noch nicht einmal mit Saddam fertig, und schon machen sie sich Gedanken, welche US-Firma das Handynetz aufbauen soll."
Das Leid der Kinder
Blogs erzählen auch vom Leid der Kinder. Unter der Adresse www.electroniciraq.net berichten Ärzte und Friedensaktivisten aus Bagdad. Zum Beispiel Kathy Kelly, die das Vertrauen einer achtjährigen Irakerin gewonnen hat. Ob sie denn den USA etwas sagen möchte, hat sie das Mädchen gefragt. Die Antwort nach einigem Zögern: "Frag bitte Mr. Bush, ob wir Iraker jemanden geschickt haben, um eure Kinder zu töten."
Blogs klagen an
Blogs klagen an. Und zwar nicht nur die Täter auf beiden Seiten der Front - sondern auch die Medien, deren Fernsehreporter sich haben einbetten lassen in die kämpfenden Truppen. Doch es gibt auch vor Ort unabhängig berichtende Journalisten. Das Nachrichtennetzwerk de.indymedia.org zum Beispiel übersetzt das Tagebuch von Hironobu Kubota, einem japanischen Fernsehreporter in Bagdad: "Immer wieder schreie ich und werfe mich zu Boden, wenn eine Bombe niederfällt", schreibt er, "und sobald man denkt, dass es vorbei ist, fangen die Luftangriffe wieder an."
CNN lässt nicht bloggen
Andere würden gern weitermachen, dürfen es aber nicht. Wie der CNN-Reporter Kevin Sites, der seinen informativen Blog aus dem Kriegsgebiet auf Druck seines Arbeitgebers vorerst einstellen musste: "Das ist ein Vollzeit-Job", gibt CNN als Grund an, "und wir hätten gern, dass sich Kevin in seiner Zeit ganz auf uns konzentriert."