Smartphone-Markt Innovation alleine reicht nicht: LG will bei Smartphones das Handtuch werfen

Das LG Rollable fährt sein Display ein und aus
Das LG Rollable fährt sein Display ein und aus
© LG / PR
Smartphones wurden jahrelang immer langweiliger – nur LG setzte Jahr für Jahr auf mutige Ideen. Die Kunden belohnten das nicht. Jetzt könnte die Smartphone-Sparte vor dem Ende stehen.

Ein Metallrahmen um ein möglichst randloses Display, eine oder mehr Kameras auf der Glasrückseite: Überschlugen sich Smartphone-Hersteller in der Anfangszeit noch mit neuen Ideen, entwickelte sich bald ein Standardmodell mit Unterschieden um Detail. Nur LG traute sich immer wieder, auch mal verrückte Spitzenmodelle auf den Markt zu bringen. Nun steht LGs Smartphone-Geschäft auf dem Prüfstand.

In einem internen Schreiben deutet der südkoreanische Konzern größere Veränderungen an, ohne sie im Detail zu nennen. Stattdessen gibt es ein bemerkenswertes Versprechen: Es gebe keinen Grund zur Sorge, versicherte CEO Kwon Bong-seok dem "Korea Herald" zufolge. "Egal in welche Richtung es beim Smartphone-Geschäft gehen wird, die Anstellung wird erhalten bleiben."

Alle Optionen bei LG auf dem Tisch

Das klingt wenig hoffnungsvoll. Ein Unternehmens-Sprecher erklärte der Zeitung, dass man tatsächlich sämtliche Optionen offen halte, inklusive eines Verkaufs, einer Verkleinerung und dem Einstellen des Smartphone-Geschäfts. "Da der Wettbewerb auf dem globalen Markt für Mobilgeräte schärfer wird, ist es Zeit für LG abgeklärt die richtige Entscheidung zu treffen", sagte er demnach.

Für LG dürfte es keine leichte Entscheidung sein. Der Konzern ist schon seit der Handy-Ära im Mobilfunk-Geschäft, gehörte auch nach dem Triumphzug des Smartphones noch lange zu den erfolgreichsten Herstellern. Noch 2015 war LG unter den fünf größten Smartphone-Produzenten weltweit, mittlerweile ist der Konzern auf den neunten Platz abgerutscht. Vor allem ist es mittlerweile ein Verlustgeschäft: 110 Millionen Euro Miese machte die Smartphone-Sparte im dritten Quartal 2020, mehr als drei Milliarden waren es in den letzten fünf Jahren insgesamt.

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Innovation als Selbstzweck

LG ist das perfekte Beispiel um zeigen, dass Innovation alleine nicht ausreicht. Während Apple oder Samsung bei der Einführung neuer Funktionen oder Design-Entscheidungen stets vorsichtig darauf bedacht war, die Kunden nicht zu verschrecken, preschte LG immer fröhlich nach vorne. Beim LG G4 umhüllte eine Lederrückseite das wie eine Banane gebogene Display. Das LG G5 hatte nicht nur als erstes Gerät eine zweite Linse für Weitwinkelaufnahmen, wie sie das iPhone erst mit dem iPhone 11 bekommen sollte. Zusätzlich ließ sich der untere Rand des Smartphones abnehmen, um es über den "Magic Slot" mit mehr Akku, einem besseren Sound oder einem Kamera-Add-on zu erweitern.

Doch was stets für ungläubige Blicke bei der Vorstellung und Begeisterung über die technische Umsetzung sorgte, machte die Nutzung des Smartphones im Alltag nur selten besser. Die Kunden griffen lieber zu den konservativeren und oft günstigeren Geräten der Konkurrenten. Auch LG nahm sich einige Zeit etwas zurück, setzte zwischendurch mit dem G7 oder G8 eher auf klassischere Smartphones, sparte sich Gadgets wie einen Zweitbildschirm für Sondermodelle. Doch die Verkäufe zogen nicht an.

Experiment gescheitert

Die Nachricht vom möglichen Ende der Smartphone-Sparte kommt nun fast genau ein Jahr nach dem letzten Richtungswechsel. Man wolle bis 2021 profitabel sein, kündigte Kwon bei seinem Amtsantritt Anfang 2020 an. Dazu strich LG sogar seine wichtige G-Serie. Stattdessen setzte man endgültig auf Experimente: Im Herbst zeigte der Konzern das LG Wing mit einem ausschwingbaren Zweitbildschirm, auf der CES vor zwei Wochen kündigte man den Marktstart des ersten Smartphone zum Ausrollen noch dieses Jahr an.

Sie dürften die Sparte aber kaum retten: Das LG Wing verkaufte sich in der Heimat Korea nur knapp 50.000 Mal, das interne Ziel waren zwei Millionen Verkäufe. Und auch das LG Rollable dürfte mit einem angepeilten Preis jenseits der 2000 Euro kein Massenprodukt werden.

Das Smartphone als Werbung

Dass LG sein Smartphone-Geschäft ganz aufgibt, erscheint trotzdem eher unwahrscheinlich. Die Entwicklungskosten, einer der größten Kostenfaktoren eigener Geräte, werden teilweise über das Zulieferergeschäft hereingeholt. Die Konzern-Tochter LG Display ist einer der führenden Produzenten von OLED-Displays, nicht nur für Fernseher, sondern auch für Smartphones. Zu den Kunden gehören auch die Konkurrenten wie Apple.

Smartphone-Displays wurden zuletzt sogar wichtiger für den Konzern, überholten mit Einnahmen von 3,6 Milliarden Euro die TV-Panels als wichtigste Produktkategorie. Die eigenen Smartphones und Fernseher sind für LG daher immer auch Werbegeräte, welche die Fähigkeiten als Zulieferer zur Schau stellen. Darauf zu verzichten, wäre ein verhängnisvolles Signal. 

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