Grundsätzlich ist das keine Besonderheit der russischen Panzer oder des Ukraine-Krieges. Allein die Häufigkeit ist erklärungsbedürftig. Der Drehturm eines Panzers ist nicht mit der Wanne verschweißt, er liegt in einem Kranz auf ihr auf. Ähnlich bei Kriegsschiffen. Wenn die sinken und sich dabei drehen, kann es passieren, dass sich die schweren Türme vom Rumpf lösen.
Kommt es im Inneren des Panzers zu einer massiven Explosion, wird der Turm mitsamt der Turmbesatzung wie ein Deckel abgesprengt. Das ist schon Michael Wittmann, einem der gefährlichsten Panzerkommandanten des Zweiten Weltkriegs, im Kampf um den Kessel von Falaise in der Normandie passiert. Am 8. August 1944 wurde sein Tiger I von drei Seiten unter Feuer genommen. An den Seiten war der Tiger bei Weitem nicht so stark gepanzert, ein Treffer schlug durch, das Munitionslager explodierte, der Turm wurde abgesprengt und landete kurz hinter dem Panzer auf dem Boden.
Munitiondepot des T-72
Zu solchen Explosionen kommt es in der Regel nur, wenn die Munition durch einen Treffer explodiert und nicht, wenn der Panzer ausbrennt. Und das passiert bei denen von Russland eingesetzten T-Panzern häufig. Das liegt an ihrer Konstruktion und an den Waffen, mit denen sie bekämpft werden. Die T-Panzer Russlands gehen bis auf den neuen T-14 Armata allesamt auf den Panzerbau der UdSSR zurück. Hier hatte der Schutz der Besatzung keine besondere Priorität. Genau genommen ist es nicht nur in Russland, sondern weltweit relativ neu, dass man schon bei der Konstruktion darauf achtet, der Besatzung eine Chance zum Ausbooten und Überleben auch bei einem schweren Treffer zu geben. Beim am häufigsten von Russland eingesetzten Panzer, dem T-72 war das jedenfalls nicht der Fall.
Die T-Panzer des Kalten Krieges sind allesamt kleiner als ihre westlichen Gegenstücke. Das liegt an der Rolle. T-64, T-72 und T-84 wurden primär als vorpreschende mobile Angriffspanzer konzipiert, während etwa beim Leopard viel Augenmerk für eine zurückweichende Verteidigung verwendet wurde. Ein Nebeneffekt war auch, dass die UdSSR die Panzer für kleinere Soldaten ausgelegt hatte. Vor allem aber war die Besatzung kleiner – in einem T-Panzer fehlte ein Mann. Und der Raum für die Besatzung bestimmt wesentlich die Größe des Innenraums. Der Leopard, wie fast alle westlichen Panzer der Zeit, besitzt einen Ladeschützen, dessen Hauptaufgabe es ist, der Hauptwaffe die Munition zuzuführen. Das wird maschinell unterstützt, geschieht aber manuell. Die Sowjets bauten recht früh dagegen Ladeautomaten ein. Die Munition lagert in einem Magazin, der Richtschütze wählt einen Munitionstyp aus. Dann wird das Geschoß automatisch aus dem Magazin in die Kammer der Kanone geführt.
Ein Mann weniger an Bord
Das Problem heute ist die Lage des Magazins, es befindet sich unter dem Turm und unter dem Kampfraum der Besatzung. Die sitzt gewissermaßen auf den Munitionskassetten im Ladekarussell. Das Karussell ist ein Ring ungefähr von der Größe des Turmkranzes. In ihm befinden sich die Munitionskasseten mit – je nach Bauart – 39 oder 44 Schuss. Vom Inneren des Panzers aus, können leere Kassetten gegen volle ausgetauscht werden.
Technisch ist das Ganze anspruchsvoll, denn das Karussell dreht sich selbstständig im Verhältnis zur Wanne, aber auch der Turm und die an ihm aufgehängten Plätze der Turmbesatzung sind selbstständig drehbar. Im Moment der Munitionszufuhr müssen diese Bewegungen zwischen dem Lader, der Hauptwaffe und dem zuführenden Magazin synchronisiert werden. Erschwerend kommt hinzu, dass sich verschiedene Typen von Projektilen im Magazin befinden. Das Ganze wurde nur dadurch beherrschbar, weil man vom traditionellen hydraulischen zu einem elektrischen Antrieb überwechselte. Der Automat war eine deutliche Verbesserung zur manuellen Lösung, zumal die Ladeautomaten zuverlässig funktionieren. Es gibt kaum Berichte über elektrische oder mechanische Fehler.
Doch explodiert die Munition, trifft die Wucht den Raum der Besatzung. In der Sowjetzeit hielt man das Risiko für vertretbar und sogar geringer als bei anderen Formen der Lagerung der Munition. Das T-Magazin war durch seine Lage ganz unten im Panzer vor Treffern durch Kanonen gut geschützt. Doch die Kalkulation hinter diesem Kompromiss hat sich heute geändert.
Schon früher wurde der relativ schwach gepanzerte Boden eines Panzers durch Minen und Sprengfallen gefährdet, in den heutigen Auseinandersetzungen sind diese Waffen noch sehr viel präsenter als in den Szenarien des Kalten Krieges. Hinzu kommen neue Panzerabwehrwaffen wie die Javelin. Sie fliegen nicht geradewegs auf einen Panzer zu und schlagen dann in der Front ein, sondern sie überfliegen ihn und treffen ihn an der schwach geschützten Oberseite. Angriffe aus Kampfdrohnen treffen ebenfalls das Dach eines Panzers. So ein Treffer führt fast immer zur Explosion des Magazins und so kommt es zu Putins fliegenden Panzertürmen.
Neben einem direkten Treffer in das Magazin und einer sofortigen Explosion kann es auch geschehen, dass ein Panzer anderer Stelle getroffen wird und das Magazin früher oder später durch einen Brand zur Explosion gebracht wird.

Vorteil für die Panzerabwehr
Sie sind ein Sinnbild für den Stand der Panzerwaffe heute. Derzeit haben die stählernen Ungetüme gegen Panzerabwehrraketen und Drohnen einen schweren Stand. Das kann sich wieder ändern, aber beim heutigen Stand der Rüstung bietet ein Panzer weit weniger Schutz als um die 2000er-Jahre herum. Das gilt auch für alle West-Panzer. Wenn sie auf einen gut ausgerüsteten Gegner treffen, würden sie kaum besser performen als die russischen T-Panzer. Die abgesprengten Türme der T-Panzer sind nur das auffällige Zeichen einer aktuellen allgemeinen Panzerschwäche. Den bei den von der Türkei in Syrien eingesetzten Leopardpanzern sind die Türme ebenfalls nach Treffern im vorderen Magazin weggeflogen.
Man sollte auch anmerken, dass die Besatzung eines Kampfpanzers Treffer ins Munitionsdepot nicht überlebt, auch ohne Autolader und spektakulären Flug des Turms.