Ukraine-Krieg Putin muss bis zum 9. Mai Erfolge liefern? stern-Experte widerspricht entschieden

Wladimir Putin
Krieg zwischen Russland und Ukraine: Braucht Wladimir Putin bis zum 9. Mai Erfolge?
Sehen Sie im Video: Putin muss bis zum 9. Mai Erfolge liefern? stern-Experte widerspricht entschieden.


















Gernot Kramber (stern): Jetzt zu glauben, dass die Russen ein waghalsiges Spiel eingehen nochmal, nur um zum 9. Mai was vorweisen zu können. Da würde ich sagen, die können ja in der Propaganda mehr auf die Tube drücken. // Diese Kessel sind für die Ukrainer verdammt unangenehm, weil sie sich nicht zurückziehen. Im russischen Staats-TV feiert er einen Sieg nach dem anderen. Das muss man ja auch mal so klar sagen.
Hendrik Holdmann (stern): Es wird vermutet, dass Putin zum 9. Mai, dem russischen Tag des Sieges, an dem eine große Militärparade stattfindet, einen durchbrechenden, bahnbrechenden Erfolg präsentieren möchte oder gar muss. Was kann Putin liefern?
Gernot Kramber (stern): Da wird ja im Westen viel darüber spekuliert. Und da möchte ich mal sagen: Der muss gar nichts. Weil die russische Propagandamaschine im Inland läuft ja ausgezeichnet. Er hat einen guten Support und im russischen Staats TV feiert er einen Sieg nach dem anderen. Das muss man ja auch mal so klar sagen. Und die Vorstellung, dass die jetzt denken: Ach, das ist alles vergrützt, das funktioniert nicht, und wir kommen überhaupt nicht voran und wir werden geschlagen. Das ist ja nicht so in russischen Medien. Insofern ist es nicht so, dass sie so ungeheuer viel nachliefern müssen. Weil sie können ja vorweisen, sie haben Mariupol eingenommen – ob da jetzt Leute noch in diesem alten Atombunker unter diesem Kraftwerk ausharren oder nicht, da ist psychologisch wichtig für die Ukraine, aber militärisch vollkommen unwichtig. Dann haben Sie die Landverbindung zum Donbass geschaffen, und dazu können sie auch nonstop Gruselgeschichten über Ausschreitungen ukrainischer Truppen präsentieren. Und wie froh Ihre Landsleute sind, dass der Putin gekommen ist und diese Leute vor den bösen Nazis gerettet haben. Das hört sich jetzt so ein bisschen obskur an, aber das ist eben Propaganda. Die werden auch wahrscheinlich genug Freiwillige finden, die ihnen alles erzählen, was sie hören wollen. Und insofern sind das ja schon genug Erfolge. Also jetzt zu glauben, dass die Russen ein waghalsiges Spiel eingehen nochmal, nur um zum 9. Mai etwas vorweisen zu können. Da würde ich sagen, die können ja in der Propaganda mehr auf die Tube drücken, das müssen sie ja gar nicht auf dem Grund machen. Aber was ist realistischerweise zu erwarten? Nehmen wir an, die russische Offensive hat Erfolg. Nur mal angenommen. Dann würden bis zum 9. Mai, diese Offensive ist darauf ausgelegt, kleine Kessel zu bilden, nicht mal den Donbass im Ganzen abzuschneiden, sondern kleine Kessel zu bilden. Und diese Kessel sind für die Ukrainer verdammt unangenehm, weil sie sich nicht zurückziehen. Und wenn sie, wenn man sich das jetzt so vorstellt, es gibt so ein Dreieck oberhalb von Luhansk in der nordöstlichen Ecke des ukrainischen Gebiets. Wenn das die Russen abschneiden, das wäre vollkommen ausreichend zum 9. Mai. Das wäre auch für die Ukraine ein übler Schlag, muss man mal sagen. Aber wie gesagt, ich bin der Meinung, solange Putin die Propaganda so sehr beherrscht, ist das nicht unbedingt so zwingend. Aber wäre natürlich aus seiner Sicht passend, wenn sie sich nicht alles aus der Nase ziehen müssen. Dazu gibt es zwei weitere Momente, die man sehen muss. Vielleicht gelingen den Russen doch Durchbrüche, vielleicht gelingt es ihnen, die Zufahrtsstraße, also die Nachschublinien, zu kappen. Vielleicht gelingen auch größere Kessel. Aber vor der russischen Offensive oder zurzeit der russischen Offensive hat es ja zwei richtige Gegenoffensiven der Ukrainer gegeben. Das eine war in der Gegend von Charkow, das andere in der Gegend von Cherson. Beide Mal haben sich ukrainische Truppen mit schwerem Gerät mit Panzern auf dem Gelände richtig bewegt. Das ist was ganz anderes als die Befreiung der Gebiete um Charkow und Kiew herum, wo die Russen ja abgezogen sind und die Ukrainer zwei, drei Tage später eingerückt sind. Das können sie jetzt gerne als Befreiung und großen Sieg verkünden. Aber der Sieg lag ja in der Abwehr und nicht, dass sie die Gebiete freigekämpft haben. Jetzt ist die Frage: Was passiert mit diesen beiden Offensiven? Sollten die Ukrainer in der Lage sein, sich auf freiem Feld weiter zu bewegen mit ihren Panzern, ohne dass die Russen was dagegen machen können, dann sieht das für die Russen ziemlich übel aus. Das wäre ein deutliches Zeichen der Schwäche und es würde auch ihre ganze Donbass-Operation bedrohen.
Am 9. Mai feiert Russland traditionell den Sieg über Nazi-Deutschland. Analysten vermuten, dass Wladimir Putin zum "Tag des Sieges" Erfolge im Ukraine-Krieg präsentieren will – oder sogar muss. stern-Militärexperte Gernot Kramper widerspricht dem klar und verweist auf die funktionierende Propaganda.