Anzeige
Anzeige

Norwegen Katzenvideos bedrohen Munitionsnachschub: Hersteller von Artilleriegeschossen klagt über Tiktok-Rechenzentrum

Panzerhaubitze K9 Thunder feuert 155-mm-NATO-Munition
Nammo stellt unter anderem 155-mm-NATO-Munition für Panzerhaubitzen wie die südkoreanische K9 Thunder her.
© Frederik Ringnes / Norwegian Armed Forces
Der norwegische Munitionsfabrikant Nammo möchte expandieren – auch, um die gestiegene Nachfrage durch den Krieg in der Ukraine bedienen zu können. In der Region ist allerdings kaum noch Strom übrig – weil ein Datenzentrum für Tiktok das Netz leersaugt.

"Wir sind besorgt, weil unser Wachstum durch die Speicherung von Katzenvideos gehemmt wird." Mit diesem durchaus merkwürdigen Satz spricht Morten Brandtzæg, Chef des norwegischen Rüstungskonzerns Nammo mit der "Financial Times" über die Zukunft seines Unternehmens. Was zunächst lustig oder kurios wirkt, hat einen ernsten Hintergrund.

Als einer von Europas größten Herstellern von Infanterie-, Panzer, Flugzeug- und Artilleriemunition sieht sich Nammo derzeit gezwungen, den Standort im norwegischen Raufoss, einer Stadt rund 100 Kilometer nördlich von Oslo, zu erweitern. Denn auch aufgrund der hohen Nachfrage durch den Krieg in der Ukraine, werde 15 Mal mehr Munition gebraucht, als Nammo derzeit herstellen kann.

Tiktok steht der Munitionsproduktion im Weg

Doch nach Angaben des örtlichen Energieversorgers Elvia sei für eine neue Fabrik kein Strom da, wurde dem Unternehmen mitgeteilt. Der Grund: Ein Datenzentrum der Region, zu dessen Hauptkunden Tiktok zählt, benötigt sämtliche Ressourcen. Weitere Datenzentren befinden sich bereits im Bau – ingesamt sollen es mal fünf werden. 

Die Expansion eines energiehungrigen Unternehmens wie Nammo wäre daher nicht ohne weiteres möglich. Gegenüber der "Financial Times" erklärte Elvia, dass man zunächst das Netz ausbauen müsse, was Zeit in Anspruch nehme. 

Demgegenüber stehe eine historisch hohe Nachfrage nach Munition aus der EU, so Brandtzæg. Dem Wirtschaftsblatt sagte er: "Wir sehen eine außergewöhnliche Nachfrage nach unseren Produkten, die wir in unserer Geschichte noch nie erlebt haben."

Die "Financial Times" will wissen, ob er es für Zufall halte, dass ein chinesisches Unternehmen das Netz so stark belaste, dass seine Industrie dadurch eingeschränkt werde. Brandtzæg dazu: "Ich will nicht ausschließen, dass es kein Zufall ist, dass diese Aktivität in der Nähe eines Rüstungsunternehmens stattfindet. Ich kann es nicht ausschließen."

Nammo-Chef fordert Priorität für kritische Industrie

Der Nammo-Chef fordert, dass Regierungen Prioritäten setzen müssten, wenn es um knappe Energieressourcen an einem Standort gehe. "In Europa ist dies ein wichtiges Anliegen für die Industrie: Kritische Industrien müssen Zugang zu Energie haben", warnte er. "Ich glaube nicht, dass es sich um eine einmalige Angelegenheit handelt, sondern um einen Trend für die Zukunft".

Zumindest für Nammo kündigt sich schnelle Hilfe an. Das Komitee für Wirtschaftsförderung der Bezirksregierung von Innlandet, wo Nammo seinen Sitz hat, sagte für diesen besonderen Fall zu, im Sinne des Munitionsherstellers nach Lösungen zu suchen, die eine Erweiterung der Fabriken ermöglichen. Das sei von "nationalem Interesse", hieß es. Ist es tatsächlich: Nammo gehört zur Hälfte dem Staat.

Laut "Financial Times" warnen Experten, dass derartige Konflikte in Europa künftig zunehmen werden. In Nordschweden gebe es ebenso einen Fall, wo sich bald entscheiden muss, welche Art von Unternehmen Vorrang bei der Energieversorgung erhält. Das liege auch daran, dass Skandinavien für Datenzentren lange Zeit als äußerst interessanter Standort galt, denn billiger Strom und das naturgemäß kühlere Klima wirkte sich positiv auf die Betriebskosten aus, da weniger Geld für die Kühlung der Server draufging.

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel