Für Fahrgäste der führerlosen U-Bahn ist der unverstellte Blick auf die Gleise noch gewöhnungsbedüftig
Die einzig wirkliche Panne gab es bei der Eröffnungsfeier. Gerade wollte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) zur Feier des Tages ein Platzfeuerwerk zünden, da trieb ein Wolkenbruch die Festgesellschaft in den nahen U-Bahnhof. Die offizielle Eröffnung der vollautomatischen U-Bahn am 14. Juni 2008 in Nürnberg fiel buchstäblich ins Wasser. Als schlechtes Omen erwies sich das Unwetter nicht. Die computergesteuerte U-Bahn in der fränkischen Halbmillionenstadt entwickelt sich zunehmend zur Erfolgsgeschichte. So überzeugend erwies sich das Konzept, dass nun auch die Linie U2 zum Flughafen bis zum Jahresende 2009 auf Automatikbetrieb umgestellt werden soll.
Schon seit August rollen nach Angaben von VAG-Projektleiter Andreas May in den Nachtstunden die hellen und freundlich gehaltenen Automatik-Züge über die Strecke der U2. "Derzeit beginnen Siemens- Ingenieure mit Überprüfungen. Diese interne Abnahmephase dauert bis Mitte Februar, bevor dann unabhängige Gutachter die Strecke endgültig abnehmen", berichtet der für die Automatik-U-Bahn zuständige Mann bei der Verkehrs-Aktiengesellschaft (VAG). Zwischen Spätherbst und dem Jahresende 2009 sollen dann die ersten Automatik-Züge mit Fahrgästen an Bord über die Strecke rollen.
Mit dem Start der U2 endet für Nürnberg freilich eine kurze, aber turbulente Ära, die Nürnberg unter Verkehrsplanern zu Weltruf verhalf. Nürnberg ist es mit Siemens-Unterstützung als weltweit erster Stadt gelungen, auf einer Teilstrecke führerlose und konventionell betriebene U-Bahnen gemeinsam rollen zu lassen. Vor diesem heiklen Unterfangen schreckten bisher selbst französische Pioniere der Automatik-U-Bahn zurück. Mit der Automatisierung der U- Bahnlinie 2 endet nun auch in Nürnberg dieser anspruchsvolle Mischbetrieb.
Züge im 100-Sekunden-Takt
Die komplette Automatisierung der von U2 und U3 genutzten Stammstrecke unter der City verspricht nach Darstellung von May vor allem dichtere Zugfolgen. Künftig sollen zumindest zwischen den sechs U-Bahnstationen Züge im 100-Sekunden-Takt verkehren. Bisher war allenfalls ein 150-Sekunden-Takt möglich. Erforderlich für eine Verkürzung sei eine "größere Fahrplantreue", die nur automatisch gesteuerte U-Bahnen garantierten. Ein Fahrer drücke - anders als eine Computersteuerung - eben doch mal ein Auge zu, wenn ein Gast noch rasch in die abfahrbereite U-Bahn einsteigen wolle, meint May.
Diese "Unerbittlichkeit" der Computertechnik hat anfangs vor allem manchen Kindergarten-Ausflug getrübt. Da für größere Kindergruppen die vorprogrammierten Intervalle oft nicht ausreichen, mussten verzweifelte Erzieherinnen erleben, wie sich beim Aussteigen plötzlich vor einem Teil der Gruppe die Türen schlossen; die Kinder setzten ohne erwachsene Bezugsperson die Fahrt fort. Inzwischen rät die VAG den Erzieherinnen dazu, die Gruppe aufzuteilen und beim Verlassen der Wagen mehrere Türen zu benutzen.
Die größte Sorge der VAG-Verantwortlichen, die "Geister-U-Bahn" könnte wegen hoher Sicherheitsrisiken nicht angenommen werden, erwies sich jedenfalls als unbegründet. Viele stiegen inzwischen wie selbstverständlich in die Bahn, hat May beobachtet. "Und das Interesse, vorne an der Frontscheibe zu stehen, ist noch immer ungebrochen". Von dort aus bietet sich ein freier Blick auf die Strecke.
An ein paar Stellschrauben haben Techniker in den vergangenen sechs Monaten dennoch gedreht. So haben sie an stark frequentierten Bahnhöfen zu Spitzenzeiten die Türöffnungszeiten etwas verlängert. Auch beschleunigt die Elektronik die Züge gleichmäßiger und verhindert damit das von manchen Fahrgästen beklagte Ruckeln. Ruckeln soll es auch nicht mehr beim Überfahren von Stromschienenlücken. Eine solche Stromlücke am zentralen U-Bahn-Kreuz Plärrer hatte denn auch im Juli zur ersten großen Panne der U3 geführt. Da die U3 nicht mit ausreichend Schwung über die Stromschienenlücke fuhr, kam sie ausgerechnet auf einem stark frequentierten U-Bahn-Kreuzungspunkt zum Stehen.