Mit viel Tam-Tam wurde in Russland ein neuer Jet enthüllt, die Suchoi Su-75 Checkmate. Zuerst wurde das abgedeckte Flugzeug mit der Aufschrift gezeigt: "Willst du mich nackig sehen". Dann tauchten "zufällig" geleakte Bilder und ein Werbevideo auf, schließlich kam es zur offiziellen Enthüllung mit Lasershow und Russlands starker Mann Wladimir Putin ließ sich die Gelegenheit auch nicht entgehen.
Was also ist Besondere an dem Vogel? Zuerst einmal handelt es sich um einen Prototyp-Demonstrator, also kein Pappmache-Modell, wie zunächst angenommen. Präsentiert wurde es vom Designbüro Suchoi und es stellt auf der Messe Maks die von MiG gezeigten kleinen Modelle von Studien in den Schatten. Beide Namen Suchoi wie MiG stehen für herausragende Flugzeuge, sind heute aber in dem Rüstungskonzern Rostec vereint. Tatsächlich soll die Su-75 auf dem Konzept eines leichten Jagdflugzeugs basieren, das vor sieben Jahren im Mikoyan Design Bureau entwickelt wurde.
Rolle der Su-75
Welche Rolle spielt dieser Jet in der russischen Planung? In die russischen Streitkräfte werden bis 2027 78 Einheiten der Su-57 integriert. Das ist Russlands erster Stealth-Fighter der fünften Generation. Vom Design her ein typischer Multi-Role-Fighter mit zwei Triebwerken. Wenn auch die russische Vorstellung von Multi-Role nicht so weit geht, wie bei der amerikanischen F-35. Sie solle die Rolle einer fliegenden "Eierlegenden Wollmilchsau" einnehmen und gilt Kritikern zufolge daher als Kompromissjet. Alle anderen Kampflugzeuge Russlands gehören zur vierten Generation und basieren auf älteren Modellen aus dem Kalten Krieg.
Die Su-75 ist nun als leichter einmotoriger, einsitziger Kampfjet konzipiert. Auch sie soll zu verschiedenen Rollen fähig sein, dürfte aber vor allem als Angriffs- und Luftüberlegenheitsfighter konzipiert sein. Primär ist die Maschine für den Export gedacht, es wird aber auch ein Auftrag der russischen Streitkräfte erwartet. Für die russische Industrie ist so ein Jet überfällig. Kampfflugzeuge machen einen Großteil der russischen Waffenexporte aus. Die USA und in Zukunft auch weitere Länder exportieren Kampfjets der fünften Generation. Das setzt die Exporte der Su-30- und Su-35-Jäger unter Druck. Neben der Su-57 wird in Russland an einem Jet der sechsten Generation gearbeitet – der MiG-41. Die USA sitzen an ähnlichen Projekten.
Die Su-75 ist als Kämpfer gedacht, ihre Rolle entspräche der MiG-21 in den 1960er-Jahren. Sie soll nicht das technisch Mögliche realisieren, sondern zu einem Preis-Leistungs-Sieger werden. Ein Flugzeug, das sehr viel Kampfkraft bei geringen Anschaffungs- und Betriebskosten verspricht. Die genannten Preise von 25 bis 30 Millionen US-Dollar betragen in etwa ein Viertel der Kosten einer F-35. Ein Beispiel für diesen Ansatz ist das Logistiksystem namens "Matryoska" – die elektronische Infrastruktur des Flugzeugs nutzt eigene Diagnosesysteme. So wird die Ausrüstung minimiert, die auf einem Flugplatz benötigt wird, um das Flugzeug zu warten.
Beeindruckende Leistungsdaten der Su-75
Bei der offiziellen Präsentation wurden seitens des Herstellers Leistungsdaten und ein Terminablauf genannt. Beide sind beeindruckend. Die russische Rüstungsindustrie neigt allerdings gelegentlich auch zu schamlosen Übertreibungen, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Andererseits kann Rostec bei einem Exportmodell nicht sehr hohe Leistungen versprechen, die im konkreten Verkaufsgespräch dann zurückgenommen werden müssen. Der Zeitplan hat es in sich, die Su-75 wird auf bereits vorhandene Komponenten zurückgreifen. Der Jungfernflug eines Prototypen ist für 2023 geplant. Anders als bei der Su-57 wird an den Prototypen nicht mehr herumexperimentiert. Nach einer vergleichsweise kurzen Erprobung wird es in die Serienfertigung gehen. Die ersten Auslieferungen sollen schon im Jahr 2026 beginnen.
Tatsächlich wäre die Su-75 ein Gamechanger, außer der F-22 Raptor gäbe es kein adäquates Pendant. Rostec verspricht Stealth-Eigenschaften, nimmt aber offenkundig eine andere Abwägung vor wie bei der F-35. Es gibt so viel Stealth wie möglich, solange herausragende Flugeigenschaften nicht beeinträchtigt werden. Wie schwer die Su-75 vom Radar zu erfassen sein wird, ist kaum zu sagen. Die äußere Form gibt einen Eindruck des Radarschattens, aber die Leistungsfähigkeit der ebenso wichtigen Beschichtung kann so kaum beurteilt werden.
Der Chef von Rostec, Slyusar, pries die Eigenschaften des Flugzeugs an. Er sagte, die Flugzeuge seien "einzigartig in ihrer Klasse" und ergänzte, dass sie "einen Kampfradius von 1500 Kilometern, das größte Schub-Gewichts-Verhältnis, verkürzte Start- und Landezeiten und mehr als sieben Tonnen Kampflast haben, was ein absoluter Rekord für Flugzeuge dieser Klasse ist."
Die Su-75 wird eines der Izdeliye 30-Triebwerke benutzen, die für die Su-57 vorgesehen sind. Die Su-75 soll sechs Ziele simultan bekämpfen können und das ganze Arsenal der Su-57 aufnehmen können. Dazu gehören weitreichende Luft-Luft-Raketen aber auch Hyper-Schall-Antischiffsraketen. Es ist kein Zufall, dass Russland zeitgleich mit der Präsentation der Su-75 eine Zirkon-Hyperschallrakete von der Fregatte Admiral Grigorowitsch aus gestartet hat. Die Piloten werden von künstlicher Intelligenz unterstützt. Zukünftig wird der Hersteller auch eine pilotenlose Version des Flugzeugs vorstellen. Bei der Konstruktion waren Super-Computer im Einsatz.
Unwägbarkeiten der Planung
Mit dem leichten Kampflugzeug hat Rostec wieder einen Luftüberlegenheitsjäger im Programm. Hinzu kommt die Fähigkeit als Flotten- bzw. Carrierzerstörer durch den Einsatz der kaum abzuwehrenden Hyperschallwaffen. "Breaking Defence" weist auf die Unsicherheiten des Projektes hin. Das Triebwerk ist nach wie vor in der Erprobung. Die Entwicklung eines passenden Radars habe sich verzögert und wird durch den Covid-Tod des Generaldesigners des NIIP-Radardesignbüros, Yuri Beliy, weiter erschwert.
Hinzu kommt, dass Russland in diesem Jet neuartige Verbundmaterialien verwenden will. Nur sie können das versprochene Verhältnis von Gewicht und Triebwerksschub ermöglichen. Bislang liegt Russland bei Verbundmaterialen eher zurück, nun will es die Weltspitze einnehmen.