Als Murat Kurnaz in einem Exklusiv-Interview mit dem stern, das am 5. Oktober 2006 erschien, erstmals über seine vier Jahre Haft in Guantánamo sprach und dabei auch von einer Misshandlung durch deutsche KSK-Soldaten in Afghanistan berichtete, war die Skepsis zunächst groß. "Zweifel an Kurnaz" schrieb der "Spiegel". "Vieles spricht dafür, dass Kurnaz sich irrt", meinte die "Süddeutsche Zeitung". Das sei "nur sehr schwer vorstellbar", urteilte die "Welt" über die Foltervorwürfe des Bremer Türken. Und seine detaillierten Schilderungen von mindestens zwei Verhören durch deutsche Beamte im US-Gefangenenlager auf Kuba wollte ihm kaum einer glauben.
Inzwischen sind nicht nur die anfangs skeptischen Journalistenkollegen beeindruckt von der ruhigen und genauen Art, in der Kurnaz vergangene Woche in Berlin Folter und Verhöre schilderte. Auch Politiker sind es: "Da tun sich Abgründe auf, wie die Amerikaner mit Kurnaz umgegangen sind", sagte der Vorsitzende des BND-Untersuchungsausschusses Siegfried Kauder (CDU). Immer klarer wird freilich auch die zweifelhafte Rolle von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, BND-Chef Ernst Uhrlau und dessen Vorgänger August Hanning. Was der stern schon kurz vor Weihnachten aufgedeckt hatte (Nr. 51/2006: "Tatort Kanzleramt"), erhärtet sich: Die rot-grüne Bundesregierung hat in diesem Fall offensichtlich getrickst und dann versucht zu vertuschen.
Keine andere Band löst in Deutschland so viel Begeisterung bei ihren Fans und so viel Häme bei ihren Gegnern aus wie Tokio Hotel. Die vier Jungs aus Sachsen-Anhalt haben mehr als eineinhalb Millionen CDs verkauft, füllen Konzerthallen von Paris bis Moskau und haben bereits ein Dutzend Musikpreise kassiert. Jetzt sind sie auf dem besten Weg, Weltstars zu werden. Für das Frühjahr ist eine englischsprachige CD geplant, aus der ehemaligen Schülerband Tokio Hotel soll eine globale Unterhaltungsmarke werden. Pop made in Magdeburg. Fassungslos fragen sich viele Erwachsene: Warum gerade die? Was macht diese vier Jungs, angeführt von ihrem androgynen, schwarz geschminkten Sänger Bill, so besonders.
stern-Redakteur Hannes Roß erfuhr gleich in der ersten Nacht, was es heißt, eine Teenie-Band wie Tokio Hotel auf Tournee zu begleiten: Er bekam kein Auge zu. Vor seinem Hotelfenster in Moskau schrien 300 Mädchen stundenlang nach Bill, Gustav, Tom und Georg. Die vier Musiker, alle zwischen 17 und 19 Jahre alt, hatten aus Erfahrung gleich Zimmer zum Hof gebucht. Zusammen mit seiner Kollegin Andrea Ritter war Hannes Roß wochenlang unterwegs, um das Phänomen Tokio Hotel zu ergründen. Sie sprachen mit Musikmanagern, alten Klassenkameraden, Fans und Psychologen. In Magdeburg stießen sie auf Gordon Trümper, den Stiefvater der Kaulitz-Zwillinge Bill und Tom, selbst Musiker und Gitarrenlehrer, der sich zum ersten Mal über die berühmten Jungs äußerte.
Herzlichst Ihr
Thomas Osterkorn