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Gegen Eltern-Diskriminierung im Job Als Christian aus der Elternzeit kam, hatte er schon die Kündigung auf dem Tisch

Katharina O. und Christian F.
Christian F. aus Berlin und Katharina O. aus Hamburg
© Jens Passoth/Jörg Rothhaar / Brigitte
Mütter und Väter werden im Job diskriminiert - weil sie Eltern sind. Wehren können sie sich kaum, denn in den Gesetzen klafft eine Lücke. Die wollen die Zeitschriften BRIGITTE, ELTERN und die Initiative #proparents mit der Kampagne #GleichesRechtfürEltern schließen.

Katharina O., 41, Assistenzärztin aus Hamburg, zwei Kinder: 9 und 3 Jahre

Das Jahr 2019 hat mich viel Kraft gekostet. Kurz nach der Rückkehr aus meiner zweiten Elternzeit musste ich mich einer großen Lungen-Operation unterziehen. Ich spürte, dass ich auch nach der Krankschreibung noch nicht wieder voll belastbar war. Deswegen stellte ich einen Antrag, meine Stundenzahl zu reduzieren.

So unterstützen Sie die Kampagne

Unterzeichnen auch Sie die Petition, mit der BRIGITTE, ELTERN und #proparents fordern, dass "Elternschaft" ins Antidiskriminierungsgesetz aufgenommen wird!

Machen Sie mit, unterzeichnen Sie die Petition zur Änderung des AGG auf brigitte.de/petition. Die Petition läuft bis zum 31. Mai 2021. Alle Infos auf brigitte.de/elternrechte und www.proparentsinitiative.de.

Kurze Zeit später baten mich meine beiden Chefärzte um ein Gespräch. Sie hatten sich hinter einem großen Schreibtisch verschanzt und attackierten mich abwechselnd mit Vorwürfen und Unterstellungen. Ich sei unflexibel, unzuverlässig, unkollegial und unbeliebt. Ob mir klar wäre, dass wegen solcher Teilzeit-Forderungen in vielen Abteilungen schon gar keine Frauen mehr eingestellt würden? Auch sie würden eine teilzeitfreie Station anstreben, da die vielen Schwangerschaften der Ärztinnen die Abteilung zerstört hätten. 

Beim Thema Unflexibilität wusste ich sofort, worauf die beiden abzielten, denn wir Mütter wünschten uns planbare Arbeitszeiten. Zuvor waren meine Kolleginnen und ich in einem Gruppengespräch von den beiden dazu gedrängt worden, unsere Elternzeit zu verlängern – mit der Begründung, für die kurze Vertretungszeit könnten sie sonst nur schlecht qualifizierte Ärzte bekommen. 

Innerlich war ich völlig aufgewühlt. Äußerlich blieb ich ruhig und fragte zu jedem Punkt nach: "Habe ich es richtig verstanden, dass Sie mich als unkollegial bezeichnen, weil ich durch eine Lungen-Operation nicht arbeiten konnte und Kollegen meine Dienste übernehmen mussten?" Dann drucksten sie herum und wichen aus, weil ihnen deutlich wurde, wie ungeheuerlich ihre Anschuldigungen waren.

Brigitte Titel Pro Parents
BRIGITTE-Titel "Gleiches Recht für Eltern"
© Brigitte

Ich konnte jeden Vorwurf entkräften, war immer zuverlässig gewesen und hatte nicht einmal meine gesetzlichen Kinderkrankentage voll in Anspruch genommen. Doch sie schossen weiter: Sie hätten trotzdem das Gefühl, ich sei überfordert – genau wegen der Kinder. Die beiden wussten, dass meine kleine Tochter ein Frühchen war. Meinen Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit würden sie nur genehmigen, wenn ich mich nicht aktiv um eine Verlängerung meines befristeten Arbeitsvertrags bemühen würde. Rückblickend war diese Drohung Quatsch, schließlich hätte die Klinik einfach den Vertrag nicht verlängern müssen. Ich weiß nicht, was sie damit bezweckten. Aber es reichte mir. Ich sagte, dass sei Erpressung, und beendete das Gespräch. Kurze Zeit später kündigte ich. 

Das Arbeitsklima war auch vorher familien- und frauenfeindlich gewesen, aber private Informationen zu nutzen, um mich persönlich zu demontieren – das war für mich nicht hinnehmbar. Für eine Klage hatte ich keine Kraft mehr. Ich fand schnell eine neue Stelle. Mein neuer Arbeitgeber schätzt mich, auch Teilzeit war kein Problem.

Christian F., 34, Finanzbuchhalter aus Berlin, zwei Kinder: 4 Jahre und 6 Monate

Drei Jahre habe ich als Finanzbuchhalter in einem inhabergeführten Bauunternehmen gearbeitet. Die Entscheidung für einen Familienbetrieb fiel damals bewusst. Ich fand den Gedanken schön, Teil eines kleinen Teams zu sein, das sich gut kennt. Doch schnell war klar: Verständnis für familiäre Belange gab es hier nicht. Musste ich mal früher los, um mit meinem Sohn zum Kinderarzt zu gehen, raunte mir meine Kollegin danach zu, dass das nicht so gut angekommen sei. Als ich meinem Chef erzählte, dass meine Frau wieder schwanger ist, nickte er nur desinteressiert. Trotzdem ging ich gern zur Arbeit, weil ich meinen Job mochte und die Kolleg:innen nett waren.

Pünktlich sieben Wochen vor dem errechneten Geburtstermin beantragte ich bei der Geschäftsführung, dass ich nach der Geburt einen Monat in Elternzeit gehen wollte und später noch einmal sechs Monate. Aber daraus wurde nichts. Noch bevor mein zweiter Sohn da war, bekam ich während eines Urlaubs eine Mail. Darin stand, dass ich ab sofort das Archiv sortieren würde, und zwar von 9 bis 18 Uhr. Meine alten, deutlich familienfreundlicheren Arbeitszeiten wären damit hinfällig. Acht Stunden alte Belege sortieren, die wenig später vernichtet würden! Das war pure Schikane und die Antwort auf meine beantragte Elternzeit, die meine Vorgesetzten nicht akzeptieren wollten. Das war klar zwischen den Zeilen zu lesen. Ich sollte zum Beispiel plötzlich auch nicht mehr in einer neuen Position arbeiten, wie es geplant war.

Leseraufruf

Liebe Leser:innen, solche Erlebnisse kommen Ihnen bekannt vor? Auch Sie haben am Arbeitsplatz schon Schwierigkeiten bekommen, nur weil sie Mutter oder Vater sind? Berichten Sie uns davon. Unsere E-Mail-Adresse lautet: leseraufruf@stern.de. Und, noch eine Bitte, schreiben Sie doch dazu, in welcher Branche Sie arbeiten und wie viele Menschen in Ihrer Firma ungefähr beschäftigt sind. Die Angaben werden auf Wunsch natürlich vertraulich behandelt.

Ich hatte vorher noch nie Mobbing oder Diskriminierung erlebt und konnte nicht fassen, wie man plötzlich mit mir umging. Dabei wollte ich mich doch nur auf mein zweites Kind freuen und mich nicht mit solchen Streitigkeiten rumplagen. Ich war völlig neben der Spur, fühlte mich auch nicht in der Lage, persönlich mit meinen Chefs zu sprechen, und ging zu meinem Hausarzt. Obwohl ich mich zusammenreißen wollte, liefen bei mir die Tränen, als ich ihm erzählte, was da ablief. Er hat mich direkt krankgeschrieben. Bis heute schnürt es mir die Brust zu, wenn ich darüber spreche.

Gleiches Recht für Eltern
Die Petition: Elternschaft muss als Diskriminierungsmerkmal ins AGG!
© Brigitte

Einen Tag nach dem offiziellen Ende meiner Elternzeit flatterte schon die Kündigung ins Haus. Vor Gericht der nächste Tiefschlag: Die Richterin erklärte, meine Schutzklage habe keine Aussicht auf Erfolg. Mit nur zehn Angestellten könne der Chef machen, was er will. Das verstärkte mein Gefühl der Hilflosigkeit. Eltern sind einfach schutzlos. Mir fehlte die Energie, mit zwei kleinen Kindern zu prozessieren, also zog ich die Klage zurück. Und wer will schon in so eine Firma zurückkehren, um dort weiterzuarbeiten? Ich habe im Anschluss eine Versicherung für Arbeitsrechtsschutz abgeschlossen und würde mich nie wieder in kleinen Familienunternehmen bewerben.

Katharina und Christian sind nur zwei Mütter und Väter, die der BRIGITTE von ihrer Diskriminierung am Arbeitsplatz erzählt haben. Die Erlebnisse weiterer Eltern sowie rechtliche Hinweise zu den Fällen finden Sie hier unter brigitte.de/elternrechte

Protokolle: Stephanie Arndt

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