Zuletzt geriet Trasylol in die Schlagzeilen. Mit dem Medikament gegen Blutverlust bei Herzoperationen erzielte der Bayer-Konzern 2004 einen dreistelligen Millionenumsatz. Nun soll es nach einer Studie das Risiko von Schlaganfall und Nierenversagen erhöhen. Der Bayer-Aktienkurs sackte ab. Derart öffentlich in Zweifel gezogen werden Medikamente nur selten. Doch Experten zweifeln am Zusatznutzen vieler neuer Mittel. Dabei zählen gerade sie zu den großen Kostentreibern im Gesundheitswesen. Pläne der großen Koalition gegen den Kostenschub sind kurz vor der Entscheidung noch umstritten.
Homepage mit Infos über Therapien
Peter T. Sawicki, Leiter des Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), sagt: "Wo man hinsieht, gibt es eine mystische Erwartung an die Leistung von Medikamenten. Von den Ärzten wird diese nicht auf das richtige Maß zurückgestutzt." Per eigens erstellter Homepage will das mit der Gesundheitsreform 2004 gegründete IQWIG von Mitte Februar an die Patienten besser über Therapien informieren.
Weitere Informationen
Ab dem 14. Februar ist die IQWIG-Seite mit Gesundheitsinformation online.
Tonnenweise wandert von den Kassen bezahlte Arznei nach Expertenansicht derzeit in den Müll. Vor allem viele chronisch Kranke - etwa mit Bluthochdruck - nehmen Medikamente auf Dauer nicht im verschriebenen Umfang ein. "Sie spüren keine direkte Wirkung und wissen nicht, welche positiven und negativen Effekte diese Medikamente haben können", sagt Sawicki.
Teuer, aber wirklunslos?
Viele Patienten könnten auch nicht einschätzen, wie wirksam ihre Medikamente wirklich sind, sagt Sawicki. Beispiel Statine gegen zu viel Cholesterin: Sie senken nach seinen Angaben die Sterblichkeit - aber nur um ein bis zwei Prozent. Beispiel Desmopressin gegen Bettnässen - nur bei einem Bruchteil von Kindern helfe das wirklich. Beispiel Insulinanaloga gegen Diabetes mellitus Typ 2 - gegenüber Humaninsulin hätten sie keinen Zusatznutzen. Die Krankenkassen hätten in diesem Bereich 30 Prozent Einsparpotenzial.
Politisch brisant sind vor allem neu entwickelte Pillen, weil sie die Arzneikosten für die gesetzlichen Krankenkassen in die Höhe treiben. Von dem Kostenanstieg von mehr als 3 Milliarden Euro 2005 ist nach Schätzungen rund ein Drittel auf die Verschreibung neuer Arzneien zurückzuführen. Der größte Teil ging an die Pharma-Firmen.
Spargesetzt ist kein Aprilscherz
Für Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) ist die Sache klar: "Es wurden zu viele zu teure Arzneimittel verschrieben." Wolfgang Schmeinck, Vorstandschef des BKK Bundesverbands, beklagt die Verschreibung von vielen "neuen und teuren Arzneimitteln ohne therapeutischen Fortschritt". Mit einem Spargesetz, das am 1. April in Kraft treten soll, will die Regierung gegensteuern und bei den Kassen Einsparungen von 1,3 Milliarden Euro jährlich bewirken.
Doch in vielen Punkten sind die Pläne noch umstritten: So soll die Industrie für viele Mittel künftig weniger von den Kassen bezahlt bekommen - doch senken die Firmen die Preise wirklich dementsprechend oder müssen die Patienten dann mehr zahlen? Der auf bis zu rund 20 Prozent geschätzte Anteil der Praxisärzte, die eher teuer verordnen, sollen durch drohende Honorarabschläge zum Maßhalten gebracht werden - neue Ärzteproteste sind bereits angekündigt.
Geschenkte Tabletten dürfen nicht verkauft werden
Noch im Gespräch ist, ob Versicherte durch Zuzahlungsbefreiungen von günstigen Mitteln überzeugt werden sollen - die Kosten-Wirkung ist strittig. Und die Apotheker sollen von der Industrie geschenkte Mittel nicht mehr bei den Kassen abrechnen dürfen - zu ihrem Unmut. An diesem Mittwoch werden im Bundestags-Gesundheitsausschuss Vorentscheidungen erwartet. Weitere Maßnahmen könnten Teil der dann geplanten großen Gesundheitsreform sein.