Liebe Frau Peirano,
ich bin seit drei Jahren mit meiner derzeitigen Freundin zusammen. Wir führen eine Fernbeziehung aber leider wohnt ihr Freundeskreis in einer anderen Stadt. Vor zwei Monaten hat sie sich auf einem Datingforum im Internet angemeldet, hat mir aber gleichzeitig versichert, dass Sie dort nur neue Freunde kennenlernen will. Normalerweise bin ich überhaupt nicht eifersüchtig, habe jetzt aber zufällig auf Ihrem Handy gelesen, dass Sie einen der Männer treffen will. Als ich ganz direkt danach gefragt habe hat Sie das Treffen zuerst verneint. Erst als ich zugegeben habe, dass ich Ihre Nachrichten gelesen habe, hat Sie es dann doch bejaht. Sie hätte mir deshalb nichts erzählt, weil Sie mich nicht "aufregen" wolle. Treffen will Sie den Mann aber trotzdem - wenn ich damit nicht einverstanden wäre hätte unsere Beziehung aus Ihrer Sicht keine Zukunft, weil Sie sich nichts verbieten lassen wolle. Eine Schuld oder Reue empfindet Sie auch nicht, weil Sie mich ja nicht betrügen wolle und mir deshalb auch nichts davon erzählen müsse. Ich fühle mich aber trotzdem hintergangen und bin mit der Situation überfordert - wie soll ich am besten damit umgehen?

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe
Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht, anschließend habe ich zwei Bücher über die Liebe geschrieben.
Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.
Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.
Mit besten Grüßen, Nils. B.
Lieber Nils. B.,
das Verhalten Ihrer Freundin klingt nicht besonders vertrauenserweckend! In einer Beziehung geht es darum, gemeinsame Spielregeln auszuhandeln und diese auch einzuhalten. Und dabei muss eben auch geregelt werden, wie man Kontakte mit dem anderen Geschlecht handhabt.
Es gibt zum Beispiel Paare, die miteinander vereinbart haben, dass sie einander recht früh andere Männer bzw. Frauen vorstellen, mit denen sie sich treffen. Das ist aus meiner Sicht eine sehr sinnvolle Lösung, da dadurch negative Gefühle wie Eifersucht oder Misstrauen gleich im Keim erstickt werden. Wenn zum Beispiel der Mann mal mit seiner Partnerin seinen Geburtstag feiert und dabei auch seine Kolleginnen oder guten Freundinnen einlädt, schafft er damit Klarheit: die Kolleginnen lernen die Partnerin kennen, und die Partnerin sieht, was für einen Kontakt er mit den anderen Frauen hat. Meistens fühlen sich alle Beteiligten danach gut - es sei denn, die Freundinnen entpuppen sich als Konkurrentinnen oder immer noch verliebte Ex-Geliebte.
Ihre Freundin will nichts davon wissen, mit Ihnen gemeinsam die Spielregeln zu vereinbaren oder Sie in den Prozess einzubeziehen.
Eine solche Spielregel könnte in Ihrem Fall zum Beispiel sein: "Ich erzähle dir vorher, wenn ich einen anderen Mann (bzw. Sie eine andere Frau) treffen möchte. Dann schaue ich, wie es dir damit geht. Wenn du darunter leidest oder Einwände hast, reden wir erst einmal darüber und finden eine gemeinsame Lösung."
Ihre Freundin empfindet es als Einmischung, wenn Sie mit ihr darüber sprechen wollen, wen sie trifft. Dabei möchten Sie nur Bescheid wissen und ihr nicht grundsätzlich etwas verbieten.
Besonders schwierig ist es, dass Ihre Freundin bereits gelogen hat und die Wahrheit erst zugegeben hat, als Sie ihr sagten, dass Sie Bescheid wissen. Das zerstört das Vertrauen in einer Beziehung. Ihre Freundin verhält sich wenig partnerschaftlich und droht mit der Trennung, wenn Sie das nicht akzeptieren. Das sind recht starke Geschütze! Ich empfehle Ihnen, das Verhalten Ihrer Freundin klar zu benennen. Wie wäre es, wenn Sie ihr mal einen Spiegel vorhalten würden, indem Sie sich fragen, wie sie sich fühlen würde, wenn Sie das gleiche machen würden?
Kommentare erwünscht!
Liebe Leserinnen und Leser,
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Herzliche Grüße, Julia Peirano
Gerade in einer Fernbeziehung ist Vertrauen sehr wichtig, da man nicht mitbekommt, was der Partner macht. Deshalb ist eine offene Kommunikation über alles, was man macht, fühlt, erlebt, sich wünscht, das A und O.
Ich hoffe, dass Sie Ihrer Freundin Grenzen setzen können.
Herzliche Grüße, Julia Peirano