Schule Bayern will Lernmittelfreiheit abschaffen

Die Bayerische Landesregierung hat angekündigt, dass Eltern zukünftig die Lehrbücher ihrer Kinder selbst bezahlen müssen. Eltern und Lehrer laufen Sturm dagegen, und die Opposition will ein Volksbegehren.

Die CSU hat mit der angekündigten Abschaffung der Lernmittelfreiheit in Bayern einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Die Landtagsopposition kündigte gegen den Parteibeschluss ein Volksbegehren an und warf Ministerpräsident Edmund Stoiber den Bruch von Wahlversprechen vor. Scharfe Kritik kam auch von Lehrerverbänden und Gewerkschaften. Stoiber hatte am Donnerstag bei der Klausurtagung der CSU-Landtagsfraktion im fränkischen Kloster Banz angekündigt, dass Eltern bereits ab kommendem Schuljahr voll zur Kasse gebeten würden und die Schulbücher für ihre Kinder selber kaufen müssten.

"Eigenverantwortlichen Umgang mit Büchern stärken"

"Ab dem Schuljahr 2005 soll die Lernmittelfreiheit auf einkommensschwache und kinderreiche Familien beschränkt sein", erklärte Stoiber. Eigene Bücher stärkten den eigenverantwortlichen Umgang mit den Büchern. Der Beschluss ist Teil der Anstrengungen, 2006 als erstes Bundesland einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Die CSU-Fraktion stimmte dem Haushaltskonzept, ab übernächsten Jahr dauerhaft ohne Neuverschuldung auszukommen, einstimmig zu. Den Einsparungseffekt durch den Wegfall der Lernmittelfreiheit bezifferte die Staatskanzlei auf rund 17 Millionen Euro im Jahr. Familien, die drei oder mehr Kinder haben, sollen beim Kauf unterstützt werden oder die Bücher zur Verfügung gestellt bekommen.

Staatskanzleichef Erwin Huber erklärte im Bayerischen Rundfunk, da inzwischen der Großteil der Schüler ein eigenes Handy besitze, könnten sich die Familien auch die Kosten für Schulbücher leisten.

Kritik von SPD und Lehrerverbänden

Dagegen erklärte die SPD, dass nach ihren Berechnungen künftig Eltern mit einem Kind etwa in der siebten Klasse Gymnasium in einem Jahr insgesamt bis zu 1.232 Euro für die Schulbelange aufbringen müssten. Der Bayerische Philologenverband erklärte, ein Satz Bücher für die Kollegstufe komme auf rund 600 Euro. Zudem sei es für alle Beteiligten "unzumutbar, wenn zukünftig die Eltern ihre Einkommensverhältnisse gegenüber der Schule offen legen müssten, um Zuschüsse zu den Lernmittel zu erhalten", betonte der Lehrerverband.

Die SPD-Fraktion beschloss am Donnerstag einstimmig, ein Volksbegehren zur Verteidigung der Lernmittelfreiheit zu starten, dem sich auch die Grünen anschlossen. SPD-Fraktionschef Franz Maget sagte der CSU-Beschluss sei "angesichts der internationalen Studien zum Bildungsstand in Deutschland ein Signal in die falsche Richtung". Maget warf Stoiber vor, er habe sein Versprechen gebrochen, dass bei der Bildung nicht gespart werde.

Die Grünen-Landesvorsitzende Theresa Schopper nannte die CSU-Pläne ein "bildungspolitisches Armutszeugnis". Schopper warf Stoiber vor, er habe "nicht die Zukunft der Kinder im Visier, sondern seine eigenen Karriereträume von einer zweiten Kanzlerkandidatur".

"Schulen keine Zweigstellen von Sozialämtern"

Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) reagierte empört auf die überraschende Entscheidung der CSU. "Diese Frage hätte zumindest mit den unmittelbar Betroffenen, den Eltern und Lehrern, beraten werden müssen", sagte BLLV-Präsident Albin Dannhäuser. "Die Lernmittelfreiheit ist in Bayern seit 1948 ein hohes bildungs- und sozialpolitisches Gut", betonte er.

Auch der bayerische ver.di-Chef Josef Falbisoner forderte die Staatsregierung auf, die Entscheidung nochmal zu überdenken: "Diese Streichung wäre absolut familienfeindlich und unsozial."

AP
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