Karneval ist eine offene Einladung. Niemand muss, jeder darf, aber längst nicht alle können. Er ist ein Emotionsgewitter für Menschen mit Nerven und Stehvermögen, denn es bläst einem da echt was um die Ohren in der Zeit von Donnerstag bis Dienstag, und die Ausschweifungen sind nur jenen verträglich, die damit groß geworden sind. Klar kann man auch als Zugezogener eintauchen in die rauschhaften Tage, meiner Erfahrung nach gelingt das aber nur selten, denn Karneval fühlt man da am besten, wo man aufgewachsen ist und die Leute schon sehr lange kennt. Voriges Jahr habe ich mal wieder mitfeiern können nach langer Zeit. Es war ein saturnalisches Kommandounternehmen mit Zuständen weitgehender Entgrenzung, in dessen Verlauf irgendwann in der Nacht eine holländische Brassband im Turbopuls durchs Pandämonium der Konfettiräume tobte und aus Holzschuh-Niederrheinern Tänzel-Brasilianer machte.

Jrön, vom Uerigen
Düsseldorfer Altbier. Immer zur Weinmesse im März fallen die Franzosen, Spanier und Italiener in Scharen in der Altbierbrauerei "Uerige" ein. Sie wissen halt, was schmeckt – wie die Düsseldorfer selbst natürlich auch. Der Uerige versendet, neben dem klassischen Hausbier, auch die extra stark und frisch gehopfte Version "Jrön" (grün), sie kommt in der Stielhandgranatenbeugelbuddel und wirkt mit 6,7 Prozent Alkohol auch so. 9 Flaschen zu 0,33 l kosten 27,90 Euro zuzüglich Versand. Nicht ganz billig, aber ganz außerordentlich lecker. E-Mail: jroen@uerige.de und Tel. 0211/866 99-0
Die Kunst, von zehn Uhr früh bis null Uhr und länger durchzuhalten, besteht darin, immer etwas und doch nie zu viel zu trinken, möglichst viel zu tanzen und ab und an auch etwas zu verdrücken. Essbares, das nicht zu schwer sein darf und doch Substanz zu haben hat, das man sich ohne gespreizte Finger reinschiebt, um rasch weiter rumbären und schwofen zu können.
Lang lebe Tante Minchen
Ein kulinarisches Großereignis ist Karneval also nicht. Niemand, der mitmacht, hat ja auch wirklich Zeit zu kochen. Was trotzdem nicht heißt, dass man schlecht essen muss. Ähnlich wie beim Grillen muss sich einer oder eine finden, der/die sich opfert und die anderen versorgt. Für andere Sorge zu tragen macht ja auch Spaß. Am besten ist jemand im Haushalt (Tante Minchen, Onkel Hein), die oder der die Küche für die anderen schmeißt und etwas vorhält, das man sich nach dem Umzug und vor dem Einzug in die Säle einwirft.
Im Rheinland sind das fast immer deftige und substanzielle Suppen. In meiner Zeit als Nachwuchskraft des Groß Emmericher Carneval Komitees ("Geck" – lustig, was?) ließen wir in der nächsten Bundeswehrkaserne enorme Mengen Erbsensuppe zubereiten, die wir an den wichtigen Ecken der Stadt wie bei einem Feldzug aus Gulaschkanonen und Thermokübeln an die Leute verkauften, was den Umzug teilfinanzierte. Diese Suppe war eine Pampe, denn die Küchenbullen kochten mit Schälerbsen, also jener Trockenware, die man vor der Zeit der Tiefkühltruhe für den Winter vorhielt. Die Kasernensuppe lebte von der Wursteinlage.
Ein Hoch auf die Tiefkühlerbse
Wir nehmen lieber gefrorene Erbsen. Sie sind süß, zart, im Grunde selbst roh genießbar und können darum wenige Minuten vor dem Einsatz der ansonsten fertig vorbereiteten Suppe zugefügt werden. Was zum Vorteil hat, dass sie hübsch leuchten, nicht zerfallen und echt erbsig schmecken. Für eine Karnevalssuppe würde ich knallhart ein weiteres Konvenienzprodukt verwenden: gekörnte Brühe, da die meisten im Zustand beginnender Euphorisierung eh nicht mehr den linken vom rechten Fuß unterscheiden können und auch nicht echte von gekörnter Brühe.

Rosé, vom Hessenprinzen
Rheingauer Röschen. Gehen wir mal klassisch sexistisch davon aus, dass das bittere Altbier eher was für Kerle ist. Was mögen dann die Frauen? Schon eher den feinherben Rosé vom VDP-Weingut Prinz von Hessen, eine 2017er Cuvée aus Spätburgunder und Merlot. Der rosarote Wein aus der schunkelbunten Flasche mit 5 Gramm Säure und 13 Gramm Restzucker schmeckt bei 10–12 Grad am besten, verträgt also auch, kurz abgestellt zu werden, während die Polonaise zieht. 6 Flaschen zu 53,40 Euro frei Haus bei weingut@prinzvon-hessen.de sowie unter Tel. 06722/409 18-0
Alle folgenden Rezepte sind für 6–8 Personen berechnet. Wir beginnen mit der Erbsensuppe.
1–1,5 Liter Fleischbrühe aufkochen. 1 Bund Suppengrün putzen und in feine Streifen schneiden. 500 Gramm festkochende Kartoffeln schälen und würfeln. Die Gemüse 15 Minuten in der Brühe garen, dabei 1 Teelöffel Majoran zufügen, nach 10 Minuten 1 Kilogramm Tiefkühl-Erbsen dazugeben und erneut aufkochen lassen, dann ausschalten.
Getrennt davon und vielleicht vorab schon 150 Gramm durchwachsenen, geräucherten Speckwürfeln, in einer Pfanne langsam auslassen und kross braten. 2 gewürfelte Zwiebeln zufügen und im Speckfett glasig dünsten, 4 Mettwürstchen in Scheiben schneiden und die Scheiben im Speckfett kurz mitbraten.
Fleisch in die Suppe geben, ordentlich vielgehackte Petersilie dazugeben, mit Salz, Pfeffer und Maggi abschmecken, Senf dazu, fertig. Her mit den tiefen Tellern.
Ähnlich funktioniert das auch mit Bohnen: 500 Gramm festkochende Kartoffeln schälen, waschen, in Würfel schneiden und in 2 Liter Fleischbrühe 15 Minuten garen. Von 1 Bund Bohnenkraut die Blättchen streifen; dito von einigen Liebstöckelzweigen, gibt es die nicht, dann Majoran nehmen. Bohnenkraut und 1 Kilogramm Tiefkühl-Brechbohnen gefroren in die Suppe geben und garen. 2–3 Esslöffel Mehl mit 200 Gramm Schmand klümpchenfrei verrühren, in die Suppe rühren, einige Minuten garen und so die Suppe binden. Salzen und schwarz pfeffern. 8 Bockwürstchen in Scheiben schneiden und in der Suppe erhitzen. Sie mit einer Mischung aus gehackter Petersilie und mehr Liebstöckel bzw. Majoran bestreut servieren.

Sol-Eier statt Ecstasy
Proteine und Mineralien … Für die Revitalisierung zwischendurch sind Sol-Eier die beste Droge. Eier hart kochen, die Schale danach ringsum andötschen und die Eier in eine Lake aus 1 Liter Wasser, 100 Gramm Salz, Nelken, Pfeffer und Lorbeer für mindestens 3 Tage versenken. Man kann die Eier auch geschält einlegen, was für das Handling im alkoholisierten Zustand Vorteile hat. Die Eier aus der Lake nehmen, halbieren, das Eigelb auslösen und die Mulde mit etwas Pfeffer, Essig, Senf und Öl füllen. Das Eigelb mit der runden Seite nach oben auf die gefüllte Mulde legen und in einem Happ in den Mund balancieren. Wer dazu ein Schwarzbrot mit Schmalz verschlingt, ist unbesiegbar und bereit zu Heldentaten
Noch'n Gedicht: Für eine süßsaure Kartoffelsuppe mit Blutwurst 1 Kilogramm mehligkochende Kartoffeln und 4 Boskop-Äpfel schälen und würfeln. 100 Gramm durchwachsenen Speck würfeln und in 40 Gramm Butter knusprig braten. Kartoffeln und Äpfel darin anbraten, mit 2 Liter Fleischbrühe aufgießen und 10 Minuten leise garen. 2 Suppenkellen der Würfel herausnehmen und beiseitelegen. Den Topfinhalt mit 200 Milliliter Sahne auffüllen, mit Salz, weißem Pfeffer und Muskatblüte würzen, die Chose mit dem Schneidstab pürieren und die zurückbehaltenen Würfel in die Suppe geben. Abschmecken und servieren. 300 Gramm Blutwurst in Scheiben auf die Teller verteilen.
Kohlenhydrate an Karneval lassen tanzen
Wer schwofen will, braucht Energie. Kohlenhydrate sind der Raketentreibstoff aller Tänzer. Die folgende Suppe aus der Türkei hat über den Energiereichtum hinaus den Vorteil, scharf gewürzt zu sein, was den Bier- und Weinkonsum geradezu zwingend fördert. Sie enthält keinen Knoblauch – wir haben ja noch etwas vor.
1,5 Liter Fleischbrühe kurz aufkochen und dann schwach stellen. 2–3 Zwiebeln würfeln und in einer Kasserolle in 2–3 Esslöffel Olivenöl für 5 Minuten farblos dünsten.
2 Esslöffel Tomatenmark und 1 Esslöffel Paprikamark mit 1 Teelöffel Paprikapulver verrühren, mit etwas von der heißen Brühe verdünnen und dann mit den Zwiebeln in die Brühe geben. 100 Gramm Reis, 200 Gramm rote Linsen und 100 Gramm Bulgur in die Brühe geben und 20 Minuten garen. Mit Salz und frisch gemahlenem schwarzem Pfeffer würzen.
Getrennt davon 20 Gramm Butter schmelzen, 1 Esslöffel scharfes Paprikapulver und – für die Verwegenen – 1 fein gewürfelte, rote Peperoni kurz mitbraten. Die Blättchen von 2–3 Minzzweigen hacken. Die Suppe mit Minze und Paprikabutter servieren. Das Zeug verschlingen, weitertanzen.
