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Bauernproteste Lidl erhöht die Fleischpreise, profitieren sollen die Landwirte – die sind aber noch lange nicht zufrieden

Trecker-Blockade
Mit Trecker-Blockaden vor Lagerzufahrten protestieren die Landwirte für bessere Bezahlung.
© rtn - radio tele nord | rtn, peter wuest / Picture Alliance
Die Schwarz Gruppe zieht die Preise für Schweinefleischprodukte an. Die Mehreinnahmen sollen direkt in die Taschen der Bauern fließen. Damit reagiert das Unternehmen auf die anhaltenden Proteste. Reicht das?

Der Discounter Lidl hat mal wieder am Preis gedreht. Diesmal allerdings in eine ungewohnte Richtung, denn der Billigheimer hat das Fleisch teurer gemacht. Die Mehreinnahmen will das Unternehmen aber nicht in die eigene Tasche stecken, sie sollen an die Landwirte gehen. Mit der Aktion reagiert die Schwarz Gruppe auf die anhaltenden Proteste der Landwirte. Die anderen drei großen Konzerne im Lebensmittelhandel - Rewe, Edeka und Aldi - sind nun im Zugzwang. Denn die Landwirte haben bereits angekündigt, sich nicht mit einem Trostpflaster abspeisen lassen zu wollen. Sie fordern tiefgreifende Veränderungen.

Auslöser der neuerlichen Proteste ist ein Brief der vier Handelsketten an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Darin hatten sich die Topmanager der Konzerne über Äußerungen von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner beschwert. Die CDU-Politikerin hatte einen Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht, mit dem Landwirte und kleinere Lieferanten besser vor dem Preisdruck der Handelsriesen geschützt werden sollen und von teils unfairen Bedingungen gesprochen. Klöckner habe ein Zerrbild der Handelsunternehmen gezeichnet, klagten die Supermarkt-Ketten, die verantwortlich für 85 Prozent des Lebensmittelhandels in Deutschland sind.

Soforthilfe und Aufpreise

"Das hat dem Fass den Boden ausgeschlagen", sagt Anthony Lee dem stern. Lee ist Sprecher von "Land schafft Verbindung", einem Zusammenschluss von Landwirten, die sich für bessere Bezahlung und mehr Wertschätzung einsetzen. Er sagt: "Die Handelsketten haben in diesem Jahr Rekordeinnahmen, aber lassen uns am langen Arm verhungern." Seit vergangener Woche rollen die Trecker daher wieder, mehrere Zentrallager der Ketten wurden blockiert, die Lieferketten ausgehebelt. Daraufhin gab die Schwarz Gruppe bekannt, 50 Millionen Euro Soforthilfe für Schweinebauern, die Teil der Initiative Tierwohl sind, locker machen zu wollen. Nun hat das Unternehmen nachgelegt und auch die Preise von zehn Schweinefleisch-Artikeln erhöht - unabhängig von Haltungsbedingungen.

Es profitieren dadurch nun auch Landwirte, die konventionell arbeiten. Die zusätzlichen Einnahmen von einem Euro pro Kilogramm sollen direkt an die Erzeuger weitergegeben werden. Um sicherzustellen, dass das Geld auch wirklich zu 100 Prozent bei den Landwirten ankommt, habe Lidl mit den Lieferanten eine Zusatzvereinbarung getroffen, berichtet die "Lebensmittelzeitung". Wie genau diese aussieht, verrät das Unternehmen dem Blatt nicht. Ob die Preiserhöhung dauerhaft etabliert werden soll oder nur eine kurzfristige Aktion ist, ist ebenfalls nicht bekannt. 

Die Maßnahmen von Lidl seien zwar ein Schritt in die richtige Richtung, damit die Landwirte aber auch langfristig ordentlich arbeiten können, müsse mehr passieren, als eine einmalige Finanzspritze, so Lee. Denn heruntergebrochen bleibt dem einzelnen Landwirt von den 50 Millionen Euro eine Einmalzahlung von rund 190 Euro, wie der Deutsche Bauernverband (DBV) hochrechnete. 

"Wir wollen keine Almosen"

Am Freitag wollen Vertreter von "Land schafft Verbindung", Handelsunternehmen und Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels gemeinsam an einem Tisch zusammenkommen, um über mögliche Lösungen zu sprechen - ein Novum. "Wir begrüßen es, dass die großen Konzerne auf Augenhöhe mit uns sprechen wollen", so Lee - "aber wir sind auch skeptisch. Wir haben so viele Floskeln in den vergangenen Jahren gehört, hatten mit fiesen Knebelverträgen zu tun".

Er hofft, dass sich Lebensmittelhändler und Landwirte im besten Fall auf eine gemeinsame Linie verständigen, um diese an die Politik in einem zweiten Schritt herantragen zu können. Neben kurzfristigen Hilfen müssten auch langfristige, vor allem auch politische Änderungen auf den Weg gebracht werden. Er sagt: "Wir wollen keine Almosen, wir wollen von der Landwirtschaft leben können. Dafür muss es eine nachhaltige Lösung geben".

Preisschwankungen gebe es in der Landwirtschaft immer. Nun seien die Landwirte aber an einem Punkt angekommen, der nicht mehr hinnehmbar sei, so Lee. "Wir bleiben am Ball. Wenn bei dem Gespräch am Freitag überhaupt gar nichts herauskommen sollte, fahren die Trecker wieder - dann, davon gehe ich aus, knallt's richtig", kündigte er an. 

Neue Rahmenbedingungen und grundlegende Veränderungen in der Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Handel müssten her, erklärte auch der Deutsche Bauernverband (DBV) bereits am Mittwoch in einem Schreiben an die Unternehmen. Darin fordern die Landwirte neben entsprechenden Selbstverpflichtungen der Händler in einem "Verhaltenskodex" auch Änderungen im Kartellrecht.

Viele durch internationalen Wettbewerb und Auflagen belastete heimische Betriebe seien "an der Grenze der Belastungsfähigkeit angelangt". Zwar seien sie zu höheren Standards in Tier- und Umweltschutz sowie größeren Anforderungen ihrer Abnehmer bereit - das müsse aber finanziell "honoriert" werden, heißt es in dem Schreiben. DBV-Präsident Joachim Rukwied sprach sich für einen "Deutschland-Bonus" für Lebensmittel aus der heimischen Landwirtschaft aus, die "in der Regel mit deutlich höheren Standards erzeugt wurden als Produkte aus dem Ausland". Diese Qualität müsse "ein anderes Preisschild haben", forderte er.

Dafür müssen die Händler aus Sicht der Landwirte auch aufhören, vorrangig mit ihren Preisen zu werben: "Dauerniedrigpreispolitik" sei ein "Ausdruck von Ideenlosigkeit und zerstört Wertschöpfung und Nachhaltigkeit gleichermaßen". Schließlich sollten sich die Unternehmen selbst "zum Aufbau langfristiger und verlässlicher Liefer- und Vertragsbeziehungen" verpflichten. 

dpa/AFP/tpo

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