Teil 18 Die Kraft des Zuckerpilzes

So hieß die Hefe bei den alten Römern. Zu Recht: Aus Zucker macht sie Alkohol - ein wichtiger Job. Und bei diesem Grünen Veltliner muss sie richtig ran

Was der Riesling für Deutschland ist, das ist der Grüne Veltliner für Österreich - eine Paradesorte. Er kommt in allen Weinbaugebieten der Alpenrepublik vor, und sein markantester Wesenszug ist das Pfefferl. Damit meinen unsere Nachbarn eine gewisse Schärfe, die ihr Lieblingswein zuverlässig ins Glas bringt. Die bedingungslose Zuneigung der Österreicher zu ihrem Veltliner und eine Qualitätsoffensive der Winzer nach dem Frostschutzmittel-Skandal von 1985 bildeten die Basis für den kometenhaften Aufstieg dieses Weines. Fristete die Sorte vor gut 20 Jahren noch ein trauriges Dasein als Mauerblümchen, putzen Winzer wie Meinhard Forstreiter aus Krems den Veltliner heute nach allen Regeln ihrer Kunst heraus und machen aus ihm Extrakte, die den Weingenießern gehörig den Kopf verdrehen.

Forstreiters Réserve - trinkbar bis 2012 - besticht durch würziggrüne Aromen, sie duftet nach Gras, Kiwi und reifen Stachelbeeren. Im Mund steuert sie mit Mirabellen dagegen, vitalisiert den Schluck mit feinster Fruchtsäure und dreht am Gaumen mit einer Prise grünem Pfeffer auf. Solcherlei Aromen passen zu Tafelspitz mit Apfelmeerrettich. Oder zum Saibling mit Estragon in der Folie. Dass Forstreiters Wein so fein schmeckt, hat seinen Grund - der Mann setzt auf Mitstreiter aus der Natur: Um möglichst viel von der Aromatik der Trauben zu erhalten, kann ein Winzer auf sogenannte Reinzuchthefen zurückgreifen, die ihr Werk sogar vollenden, wenn er die Gärung bei sehr niedrigen Temperaturen (14°) durchführt. Je kälter, des- to langsamer verläuft die Gärung. Je langsamer die Gärung, desto fruchtiger fallen die Weine aus. Und was machen die Hefen? Sie spalten Zucker in Alkohol und Kohlendioxid, das als Gärgas entweicht. Ein kleiner Teil aber wird im Wein gebunden - Bläschen am Glasrand beweisen es.

Das ist ein gutes Zeichen, denn solche Weine sind vom Winzer sehr zärtlich behandelt und nicht ruck, zuck in die Flasche geprügelt worden. Nach der Gärung, wenn der Zucker verbraucht ist, sinkt die Hefe zu Boden. Der Winzer trennt sie vom Wein, indem er ihn umfüllt - dieser Vorgang wird als "Abstich" bezeichnet. Wenn er einen Heferest ("Feinhefe") im Wein belässt, gibt der dem Wein bei der weiteren Lagerung ein besonderes Aroma. Dieses Verfahren nennt man "sur lie" - "auf der Hefe". Meinhard Forstreiter geht weiter: Er verzichtet auf den Abstich und lässt seine Réserve komplett auf der Haupthefe reifen. Vier Wochen lang! So etwas trauen sich nur echte Könner.

Kremstal ist eines der kleinen Weinbaugebiete Österreichs. In den Seitentälern der Donau wachsen auf den Schwemmland- und Lösslehmböden vor allem Weißweine. Der Grüne Veltliner wird hier besonders fruchtig und voluminös, weil das ausgeprägte Temperaturspiel zwischen Tag und Nacht das Aroma der Trauben verstärkt. Vom Kremstal zur weltberühmten Wachau mit ihren Urgesteinsböden ist es nicht weit - trotzdem fallen die Weine dort ganz anders aus. Ein paar Kilometer können beim Wein eben Welten sein.

print
Cornelius und Fabian Lange