Serie: Gefühlt gestern Mein Game Boy – und wie mich das Ding auf das Leben vorbereitet hat

Technik, die begeisterte: der erste Game Boy
Technik, die begeisterte: der erste Game Boy
© Imago Images
Der Game Boy: Ein kleiner, grauer Kasten, unkaputtbar – und für Kinder der 90er der Inbegriff moderner Unterhaltungselektronik. Auch unsere Autorin verfiel ihm sofort.

Früher war nicht alles besser. Manche Dinge waren sogar ziemlich schräg. Aber Nostalgie ist eine seltsame Sache: Mit genügend Abstand verursachen einem Phänomene, die man damals bitterernst nahm und anschließend lange völlig egal fand, plötzlich ein wohlig-warmes Gefühl im Bauch, wenn man an sie denkt. Diese Kolumne soll einen liebevollen, aber prüfenden Blick auf die Vergangenheit werfen. Was war so cool, dass man ihm mit Recht nachtrauern darf? Und was ist in den tiefsten Tiefen der Geschichte eigentlich ganz gut aufgehoben?

Ich weiß nicht mehr genau, wann ich meinen ersten Game Boy bekam. Irgendwann in den 90ern eben. Eines ist mir in dem Zusammenhang aber lebhaft in Erinnerung geblieben: die Faszination, die dieser kleine, graue Kasten auf mich ausübte.

Die Classic-Version des tragbaren Gerätes wurde mit dem legendären Spiel "Tetris" ausgeliefert, das von dem russischen Programmierer Alexei Paschitnow entwickelt wurde (die "Tetris"-Entstehungsgeschichte ist ungeahnt spannend, hier können Sie mehr darüber erfahren). Ich fand ziemlich schnell heraus, wie die Puzzleteile optimal gesetzt werden müssen, um möglichst viele Punkte zu erzielen. Irgendwann prasselten in einem solch rasanten Tempo neue Steine ins Spielfeld, dass aber selbst ich kaum noch hinterherkam.

Der erste Game Boy kam mit "Tetris"

Für mich war es ein Highlight, endlich mehr als 100.000 Punkte zu bekommen. Dann startete bei einem "Game Over" eine kleine Rakete. Bei 150.000 Punkten gab es eine mittlere und bei 200.000 Punkten eine große Rakete. Bis ich aber diesen Erfolg endlich erreicht hatte, floss sehr viel Wasser die Elbe hinunter, wie man so schön sagt. Ich brauchte viel Geduld: Bei einem "Game Over" war das Spiel auch wirklich vorbei – und alles ging wieder von vorn los.

Dann trat Daisy in mein Leben – oh, Daisy! – nur um es sogleich wieder zu verlassen. Die bezaubernde Prinzessin wurde nämlich vom furchterregenden Weltraummonster Tatanga entführt, und nur Mario, der mutige italienische Klempner, konnte sie retten. Im Spiel "Super Mario Land" stellte sich der tapfere Held der Herausforderung, sich durch vier verschiedene Königreiche zu kämpfen – nach jedem galt es, einen "Zwischenboss" zu besiegen.

Meine erste Begegnung mit Mario

Besonders beeindruckend fand ich das letzte Königreich, in dem man ein kleines Flugzeug steuern konnte. Mit diesem hatte man die Möglichkeit, die Gegner mit Feuerbällen zu attackieren. So kämpfte man sich bis zum "Endboss" Tatanga vor, um schließlich Daisy zu befreien. Der Moment, in dem Mario und seine Prinzessin glücklich davonflogen, war die Belohnung für unzählige Versuche. Wer traurig darüber war, dass das Abenteuer ein Ende hatte, konnte das Spiel erneut beginnen – allerdings mit der doppelten Anzahl an Gegnern!

Nach unzähligen Stunden mit meinem Game Boy und dem häufigen Frust über leere Batterien bekam ich ein sehr nützliches Zubehör geschenkt: ein graues "Battery Pack", das sich über ein Stromkabel immer wieder aufladen ließ. Dieses Gadget erwies sich als äußerst praktisch, besonders bei langen Autofahrten. In der heutigen Zeit würde man das Gerät wahrscheinlich als eine Art Powerbank bezeichnen. Es gab auch ein Kabel, mit dem zwei Game Boys miteinander verbunden werden konnten. Dadurch war es möglich, auch gegeneinander zu spielen. Nintendo war damals sehr innovativ.

Nintendo wagte bis dahin ungekannte Innovationen

Die Klötzchen von "Tetris", die kniffligen Level von "Super Mario Land" und die vielen anderen Spiele, wie zum Beispiel "Ghosts 'n Goblins", "Donkey Kong", "Duck Tales" oder "Zelda", bildeten für mich die ersten Schritte in eine faszinierende digitale Welt, die damals gerade erst im Entstehen war. Ich bin fest davon überzeugt, dass das Spielen solcher Games uns Fähigkeiten vermittelt, die weit über das reine Zocken und den Spaß daran hinausgehen. 

Man entwickelt Strategien, plant und wirft Pläne wieder um, experimentiert und lernt Geduld und Durchhaltevermögen. Darüber hinaus wird die Fähigkeit zum Multitasking geschult, da man gleichzeitig mehrere Aspekte des Spiels im Blick behalten muss. Und nicht zuletzt lehrt uns das Scheitern bei einem Spiel, dass Misserfolge dazugehören – und kein Grund sind, aufzugeben. Was so ein kleiner, grauer Kasten alles bewirken konnte!

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Der Game Boy

Was ist das? Eine sogenannte Handheld-Konsole, quasi ein tragbarer, backsteingroßer und batteriebetriebener Plastikkasten, auf dem sich Videospiele spielen ließen
Wer hat's erfunden? Der Entwickler Gunpei Yokoi bei Nintendo
Gab es von: 1990 (in Deutschland) bis ca. 2002. So lange wurde der Game Boy Classic tatsächlich hergestellt. Schon währenddessen haben aber diverse modernere Varianten das Ur-Modell abgelöst, zum Beispiel der Game Boy Advance oder der Game Boy Micro
Größter Hit: Vermutlich "Tetris", ja. Aber "Super Mario Land" kam dem sehr nahe
War toll, weil: Man überall damit spielen konnte, und Videospiele generell für uns 90er-Kinder etwas ziemlich Neues waren
Comeback – yay oder nay? Leider nein. Was man damals auf dem Game Boy spielte, kann man heute auf jedem Smartphone zocken

Alle Texte unserer Nostalgie-Reihe finden Sie hier:  Gefühlt gestern