Zwei Tage vor der geplanten Koran-Verbrennung in Florida hat auch US-Präsident Barack Obama den radikalen Pastor Terry Jones aufgefordert, auf den "zerstörerischen Akt" zu verzichten. Obama warnte am Donnerstag, die am neunten Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September vorgesehene Aktion könne "schwerwiegende Gewalt" in Pakistan und Afghanistan auslösen. Das Vorhaben verletze das in den USA hochgehaltene Prinzip der religiösen Toleranz und widerspreche "unseren Werten als Amerikaner", sagte Obama in einem Interview des Senders ABC.
Unterdessen riefen immer mehr muslimische Länder Washington auf, den fundamentalistischen evangelikalen Pastor und seine Handvoll Anhänger in Gainesville zu stoppen. Den Behörden in den USA sind jedoch wegen des in der Verfassung verankerten Rechts auf freie Meinungsäußerung praktisch die Hände gebunden.
"Ich möchte, dass er begreift, dass diese Nummer, die er da abziehen will, unsere jungen Männer und Frauen in Uniform in höchstem Maß in Gefahr bringen könnte, die im Irak sind und in Afghanistan", sagte Obama an die Adresse von Jones. "Es gibt jetzt schon Proteste gegen Amerikaner."
Bei einem anti-amerikanischen Massenprotest in der afghanischen Hauptstadt Kabul warfen Demonstranten unterdessen Steine auf US- Soldaten und die afghanische Polizei. Sie riefen "Tod Amerika". Ein Polizist wurde verletzt. Sicherheitskräfte feuerten Warnschüsse, um die bis zu 10 000 Demonstranten auseinanderzutreiben.
Der US-Präsident mahnte, die Koran-Verbrennung "könnte zu einer Zunahme der Rekrutierung von Personen führen, die bereit sind, sich als Selbstmordattentäter in amerikanischen oder europäischen Städten in die Luft zu sprengen". Die Aktion wäre ein "Rekrutierungsschlager für (die Terrororganisation) Al-Kaida".
Bereits zuvor hatten auch Außenministerin Hillary Clinton und Pentagonchef Robert Gates die Pläne angeprangert. Der Kommandeur der US-Truppen in Afghanistan, David Petraeus, sagte, er befürchte, dass das Ansehen der USA ähnlich stark beschädigt werden könne wie 2004 durch die Folter-Fotos aus dem US-Gefängnis Abu Ghoreib im Irak.
Die geplante Koran-Verbrennung hilft nach Ansicht des deutschen Afghanistan-Experten Thomas Ruttig auch den Taliban. "Der Taliban- Propaganda dient das auf alle Fälle", sagte der Ko-Direktor des Afghanistan Analysts Network (AAN) in Kabul der Nachrichtenagentur dpa. Sollte der Pastor seine Pläne wahr machen, "werden islamistische Kreise das als Argument gegen das gesamte internationale Engagement in Afghanistan nutzen".
In der ganzen Welt haben sich politische und religiöse Führer mit Abscheu zu den Plänen der radikalen Christen aus Florida geäußert. Der pakistanische Innenminister Rehman Malik forderte, dass die internationale Polizei Interpol einschreitet und die für diesem Samstag geplante "verabscheuungswürdige Tat" verhindert. Auch Indonesien, das Land mit der weltweit größten muslimischen Bevölkerung, sowie Indien forderten, dass die USA die Aktion unterbinden. Kritik kam auch aus dem Libanon.

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Auch der frühere britische Premierminister und jetzige Nahost- Vermittler Tony Blair forderte, die Aktion abzusagen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte zu der Ankündigung: "Das ist schlicht respektlos. Abstoßend - einfach falsch."
Selbst der erklärte Islamgegner Geert Wilders riet von der Koranverbrennung ab. "Schlechter Plan!" erklärte der Rechtspopulist in einer SMS an die niederländische Nachrichtenagentur ANP ohne seine Position zu begründen. Wilders hält derweil an seinem Plan fest, am 9. Jahrestag der Anschläge vom 11. September in New York dagegen zu protestieren, dass nahe dem Ground Zero eine Moschee entstehen soll.
Pastor Jones bleibt dagegen unbeirrt. Ein mögliches Einlenken komme für ihn nur infrage, wenn Gott ihm ein entsprechendes Signal sende. Jones, der auch lange Jahre in Köln tätig war, hat nach eigenen Angaben mittlerweile mehr als 100 Morddrohungen erhalten und trägt jetzt eine Pistole bei sich.