Bayern Angelika Wimmer ist SPD-Stadträtin – nun will sie zu den Freien Wählern wechseln. Hier erklärt sie, warum

Angelika Wimmer, SPD 
Angelika Wimmer, SPD 
© Sebastian Arlt Fotografie / stern
Die beiden SPD-Stadträte in Hubert Aiwangers Heimatstadt Rottenburg an der Laaber treten aus der Partei aus und wollen sich der der Fraktion der Freien Wähler anschließen. Angelika Wimmer, 61, bisher Stadträtin für die SPD, erklärt, warum sie den Kurs der Sozialdemokraten in der Flugblatt-Affäre nicht mehr mittragen will.

Frau Wimmer, warum verlassen Sie die SPD?
Weil ich bei dem, was die Bayern-SPD seit Wochen veranstaltet, nicht mehr mitgehen will. Sie hat Hubert Aiwanger angegriffen, auf eine Art und Weise, sechs Wochen vor der Wahl, die ich nicht mittragen kann. Man wusste das schon länger mit dem Flugblatt, warum brachte die „SZ“ es dann kurz vor der Wahl?

Wenn Recherchen beendet sind, werden sie veröffentlicht. Das hat die „SZ“ getan. Aber was konkret kritisieren Sie an der SPD?
Wie sie sich an Hubert Aiwanger abarbeitet, ihn persönlich angreift. Wie die Abgeordneten im Landtag laut wurden, allen voran Florian von Brunn, der SPD-Spitzenkandidat, wie alle geschrien haben, dass Aiwanger zurücktreten muss. Das Geifernde, das Hetzerische. Das hat mich in meinen Grundfesten erschüttert.

Im Oktober sind Landtagswahlen. Man könnte sagen: So geht’s zu im Wahlkampf! 
Nein, auch ein Wahlkampf muss fair sein. Ich habe 2020 Wahlkampf geführt um den Posten des Bürgermeisters bei uns in Rottenburg. Ich habe dabei kein schlechtes Wort verloren über meine Mitbewerber von der CWSU, einer örtlichen Abspaltung der CSU, und von den Freien Wählern. Und die nicht über mich. Als SPD hast du in Bayern natürlich wenig Chancen, aber trotzdem. Nach dem Wahlkampf, ich hatte verloren, haben wir uns die Hand gegeben und gut war’s.

Zurück zur Bayern-SPD: Was hat sie noch gestört?
Als Partei brauche ich ein gutes Wahlprogramm, ich muss meine Inhalte gut verkaufen und so rüberbringen, dass der Wähler es versteht und gut findet und sagt: Wow, das will ich auch! Der Wähler will nicht, dass man andere schlecht macht. Es ist wie im Hofladen bei mir auf dem Bauernhof. Ich bewerbe meine Erdbeeren, weil sie besonders gut sind. Die Menschen sollen sie deswegen kaufen. Aber ich geh doch nicht hin und mache die Erdbeeren von meinem Nachbarn schlecht. Kauf nicht beim Huber, beim Meier oder sonst wo! Das merken die Wähler, die merken, dass da was faul ist. Die sind doch nicht dumm! Die Bayern-SPD hat die ganze Zeit geschrien: Der Aiwanger muss weg! Der ist Antisemit! Nazi! Das ist er aber nicht.

Hubert Aiwanger bei einer Pressekonferenz im Juni
Hubert Aiwanger bei einer Pressekonferenz im Juni
© Heike Feiner / Getty Images

Aber Hubert Aiwanger hatte in der Oberstufe ein hetzerisches, judenfeindliches Flugblatt im Schulranzen.
Das Flugblatt ist schlimm. Aber es ist auch 35 Jahre her. Und Hubert Aiwanger ist ein guter Mensch geworden und ein guter Politiker. Deswegen musste ich austreten: Weil ich das Dahingehetze der SPD nicht mittragen kann, sowas ist doch menschenverachtend. Da wird ein Mensch fertig gemacht. Ich hasse Ungerechtigkeit. Ich hätte mich genauso für einen von der SPD oder den Grünen oder der CSU stark gemacht. Ich wollte ein Zeichen setzen.

Was soll das für ein Zeichen sein?
Die Eltern von Hubert Aiwanger kriegen nachts Anrufe. Ihr Söhne seien eben gesehen worden, wie sie Hitlergrüße gezeigt haben. Nachts um halb eins solche Anrufe. Die Eltern sind fertig mit den Nerven! Ich will für eine gerade, ehrliche Politik stehen. Eine Politik ohne Schlammschlacht. Wenn ich selber als Partei nicht weiter weiß und mir die Inhalte fehlen, dann geh ich nicht auf den Gegner los, sondern setze mich hin und arbeite an meinen Inhalten. Sachlich kann man streiten, muss sogar, aber immer fair.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Sie waren auch SPD-Ortsvorsitzende. Im Stadtrat hat die Partei nun kein Mandat mehr. Wie haben Ihre Kollegen aus der SPD reagiert?
Manche sind maßlos enttäuscht. Ich bin mit vielen befreundet. Ich hoffe, dass diese Freundschaften bleiben. Ich wollte noch mit ihnen reden, aber das hat nicht geklappt. Das tut mir leid. Mir ist der Schritt schwer gefallen, auch wenn ich wegen der Bundespolitik der SPD und ihrem links-grünen Ruck schon länger mit dem Gedanken spiele. Man wischt neuneinhalb Jahre, die ich jetzt in der Partei war, nicht einfach weg. Aber ich musste raus. Jetzt reicht es.

Und jetzt geht’s zu den Freien Wählern? 
Ich bin mit den Freien Wählern in Gesprächen. Ich werde der Fraktion der Freien Wähler beitreten, ja. Vielleicht werde ich auch der Partei beitreten. Das muss ich für mich noch klären.

Wie ist die Stimmung derzeit in Rottenburg?
Die Leute stehen zu Hubert Aiwanger. Eigentlich fast alle, wenige Ausnahmen. Aber ich geh im Moment nicht viel unter Leute. Ich denke, dass die Freien Wähler hier von der ganzen Sache profitieren werden. Leute, die sonst die Grünen wählen oder die SPD, werden Hubert Aiwanger wählen. Sie sind genauso angewidert wie ich. Sie schätzen Hubert Aiwanger, der hört uns zu, sagen sie, der ist einer von uns.

Erwarten Sie Dank von Hubert Aiwanger?
Nein. Wenn ich was mach, mach ich‘s aus meiner Überzeugung. Wir sind befreundet, kennen uns seit 30 Jahren. Er hat sich bei mir bedankt, dass ich ihm beigestanden bin. Aber erwartet habe ich es nicht. Mir geht‘s hier auch nicht um Kalkül, sondern um meine innerste Überzeugung.