Bayern und Hessen Wer heute das Votum der Wähler fürchten muss – und welche Folgen das haben könnte

Markus Söder blickt auf den Boden.
Markus Söder: Für den bayerischen Ministerpräsidenten kommt es auf jedes Prozent an.
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Markus Söder gewinnt in Bayern sowieso? Und Nancy Faeser wird’s in Hessen eh nicht machen? Mag schon sein. Trotzdem könnten die Landtagswahlen einiges ins Rutschen bringen. Worauf Sie achten sollten: ein Überblick.

Freie Wähler: Vom Bierzelt in den Bundestag?

Es ist schon erstaunlich genug, dass sich Hubert Aiwanger unbeschadet aus der Flugblatt-Affäre winden konnte. Mehr noch: In Bayern sind die Umfragewerte seitdem sogar gestiegen. Grundsätzlich ändern wird sich dadurch allerdings wenig: Die CSU hatte sich frühzeitig (bis voreilig) auf eine Fortsetzung der "Bayern-Koalition" festgelegt. Interessanter ist daher der Blick nach Hessen, wo an diesem Sonntag ebenfalls gewählt wird. Dort könnten die Freien Wähler (FW) erstmals in den Landtag einziehen – im aktuellen "Hessentrend" kratzen sie zuversichtlich an der Fünf-Prozent-Hürde. Es wäre nach Bayern, Rheinland-Pfalz und Brandenburg schon das vierte Landesparlament, in dem die FW vertreten wären. Und dann?

Euphorisiert von den guten Aussichten, hat Parteichef Aiwanger längst den Bundestag ins Auge gefasst. Spätestens 2025 wird sich zeigen, ob das Momentum anhält – oder Aiwanger einen Knick in der Optik hat. Mit dem Einzug in den hessischen Landtag wäre den Freien Wählern jedenfalls eine größere Sichtbarkeit gewiss. Dem begnadeten Bierzeltredner Aiwanger dürfte das Anlass genug sein, noch lauter für seinen Traum von einer "bürgerlichen Koalition" im Bund (Union, FDP und FW) zu werben. Ob die Wunsch-Partner das genauso klasse fänden, darf bezweifelt werden: Wenn Aiwanger tatsächlich den Sprung in die Bundespolitik versucht, würde er vor allem in ihrem Wählermilieu wildern.

SPD: Faesers Zukunft steht auf dem Spiel

"Die Hessin Nancy Faeser" heißt ein Magazin, das die SPD vor der Wahl in dem Bundesland unter die Leute gebracht hat. "Ich will nicht, dass die Zukunft meiner Heimat verspielt wird", lässt sich die Wahlkämpferin zitieren. Die Hessin ist aber zugleich eine Berlinerin, und in dieser Eigenschaft Bundesinnenministerin, was sich als wenig hilfreich erwiesen hat. Nun könnte sie nach einem Wahlkampf, der unter anderem von der Schönbohm-Affäre und einem missglückten Wahlvideo überschattet wurde, nicht nur ein schlechtes, sondern ein desaströses Ergebnis einfahren. Nicht nur, dass die hessische SPD in den jüngsten Umfragen 15 Punkte hinter der CDU von Ministerpräsident Boris Rhein liegt. Hat sie Pech, könnte es sogar Platz vier werden – hinter Grünen und AfD.

Faeser presst ihre Wange an die von Scholz bei einem Wahlkampfauftritt auf dem Marktplatz in Baunatal.
Faeser und Scholz beim Wahlkampf auf dem Marktplatz in Baunatal: Wird der Kanzler an seiner Ministerin festhalten?
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Hat die "Hessin" damit ihre Zukunft als Bundesinnenministerin verspielt? Eigentlich hat sich Faeser abgesichert: Im Fall einer Niederlage werde sie Ministerin in Berlin bleiben, hatte sie direkt bekannt gegeben. Und ihr Parteifreund Kanzler Olaf Scholz hat es ihr zugesichert. Doch mit der Aussicht darauf, dass Faeser sogar das historisch schlechte Hessen-Ergebnis ihrer Partei von 2018 (19,8 Prozent) noch unterbieten wird, drängen sich die Fragen trotzdem auf: Ist sie nach einem solchen Desaster noch als Ministerin tragbar? Besitzt sie dann noch die nötige Autorität? Und die wird sie brauchen, etwa im Ringen um Lösungen in der Flüchtlingspolitik. So oder so, für die Sozialdemokraten wird es am Sonntag ziemlich sicher keinen Grund zum Feiern geben: In Bayern droht der Partei sogar ein einstelliges Ergebnis und damit Platz fünf – nach CSU, Freien Wählern, Grünen und AfD.

FDP: Das drückt auf die Stimmung

Optimistisch sind die Liberalen nicht, anders lässt sich die schlanke Pressemitteilung von Montagmittag jedenfalls kaum lesen: Die übliche Wahlparty im Hans-Dietrich-Genscher-Haus fällt aus, geplant ist lediglich ein Statement von Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Der arme Mann muss die Ergebnisse dann irgendwie erklären. Wie unangenehm wird’s? In Bayern könnte die FDP den Wiedereinzug in den Landtag knapp verpassen, in Hessen wiederholt an der Fünf-Prozent-Marke scheitern – es drohen die siebte und achte Schlappe bei Landtagswahlen in Folge.

Zwar hat Christian Lindner zuletzt beteuert, dass für ihn nur ein Wahltermin wirklich zähle – und zwar der im Herbst 2025 –, doch ob die Schäfflers und Kubickis das ähnlich gelassen sehen wie ihr Parteichef? Bisher wurden die Rufe nach mehr "FDP pur" noch nach jeder missglückten Landtagswahl laut. "Da kann sich der Robert (Habeck) gehackt legen", polterte FDP-Vize Wolfgang Kubicki nach dem Ausscheiden aus dem Berliner Abgeordnetenhaus. Auch nach dem seeehr knappen Wiedereinzug in die Bremer Bürgerschaft wünschten sich die Liberalen ein deutlich schärferes Profil in der ungeliebten Ampel-Koalition. Die dürfte auch dieses Mal wieder als Hauptschuldiger für ein schlechtes Abschneiden herangezogen werden. Ruhiger wird es in der rauflustigen Regierung, der Kanzler Scholz weniger Streit und mehr Kooperation verordnet hatte, nach einer solchen (doppelten) Schmach für die Liberalen jedenfalls nicht werden.

Union: Markus Söder und die K-Frage

Zwischen 36 und 37 Prozent liegt die CSU in den Umfragen – für Parteien auf Bundesebene wäre das ein Traum, für Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder ein Albtraum. Schon 2018 fuhr er mit 37,2 Prozent eine historische Niederlage ein. Fällt die CSU noch darunter, wird Söders Lieblingsspruch "In Bayern lebt es sich besser als anderswo" auch das Motto seiner politischen Karriereplanung. Sein Platz bliebe dann wohl endgültig in Bayern, und nur dort, also nicht etwa in Berlin. Aber zum Glück hatte er weitere Ambitionen ja ohnehin immer ausgeschlossen ("Ich stehe da nicht zur Verfügung").

Und auch in Bayern selbst könnte es gefährlich werden. Denn rechts der CSU, wo gemäß dem Diktum des CSU-Übervaters Franz-Josef Strauß nur noch die Wand sein dürfe, existiert mittlerweile ein ganzes Wohnzimmer, in dem es sich letzten Umfragen zufolge fast 30 Prozent (AfD plus Freie Wähler) einigermaßen gemütlich gemacht haben.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger und Söder: Für den Ministerpräsidenten könnte es gefährlich werden.
Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger und Söder: Für den Ministerpräsidenten könnte es gefährlich werden.
© Sammy Minkoff / Imago Images

In der Union dürften die Ergebnisse der Landtagswahlen auch das Ringen um den richtigen Kurs nach der Ära Merkel weiter befeuern. Während Söder und CDU-Chef Friedrich Merz zuletzt mit markigen bis hin zu populistischen Sprüchen aufgefallen sind, werben die Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens und Schleswig-Holsteins, Hendrik Wüst und Daniel Günther, um einen gemäßigteren Ton – und hatten ihrerseits damit große Wahlerfolge eingefahren. Boris Rhein in Hessen besticht bislang vor allem durch Blässe, mit spalterischen Aussagen fällt der Landeschef aber ebenso wenig auf.

Linke: Wissler hat (noch) ein Problem

Janine Wissler hat zwar schon 99 Sorgen, doch heute könnte es nochmal knüppeldick kommen. Während die Linke-Co-Vorsitzende praktisch täglich zittern muss, dass ihr der Laden wegen dieser Sache mit Sahra Wagenknecht final auseinanderfliegt, drohen ihrer Partei gleich zwei Niederlagen bei den Landtagswahlen – und eine ist deutlich schlimmer als die andere. Besser zu verkraften dürfte das Ergebnis in Bayern sein: Dort ist die Linke bedeutungslos, war noch nie im Landtag vertreten. In jüngsten Umfragen werden ihre Werte schon gar nicht mehr ausgewiesen.

In Hessen hingegen gibt es noch etwas zu gewinnen, besser gesagt: viel zu verlieren. Wisslers eigener Landesverband kämpft um den Wiedereinzug ins Parlament – und die Prognosen geben wenig Anlass zur Hoffnung. Seit 2008 sitzt die Linkspartei im Wiesbadener Landtag, von 2009 bis 2021 von Wissler selbst angeführt. Fliegt sie jetzt raus, verlöre die Linke damit ihr letztes Landtagsmandat in einem westdeutschen Flächenland. Fatal für die Außenwirkung der ohnehin strauchelnden Linken, die Fliehkräfte hin zu einer möglicherweise erfolgversprechenderen Wagenknecht-Partei könnten größer werden. Für Wissler würde eine Niederlage in Hessen gewiss einen erneuten Autoritätsverlust bedeuten. Macht zusammen eine schwächelnde Partei mit einer schwächelnden Vorsitzenden. Unterm Strich: nicht gut.