Gemeinsam möchten sich Umweltschutz und Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz künftig für besseren Artenschutz einsetzen. Nach Jahren oft erbitterter Konflikte unterzeichneten beide Seiten in Mainz eine Kooperationsvereinbarung. Die sieht zunächst recht formal die Schaffung von Gremien für weiteren Austausch vor, bald soll das Ganze aber mit Leben gefüllt und um konkrete Maßnahmen ergänzt werden. Was sich dahinter verbirgt:
Wie kam es zum "Schulterschluss Artenvielfalt" und wer ist dabei?
Vorausgegangen sind Jahre mit vielen Gesprächen und Arbeitsgruppen. Die ursprüngliche Initiative ging nach Angaben des rheinland-pfälzischen Umweltministeriums einst vom Naturschutzbund (Nabu) im Land aus. Mit im Boot sind nun unter anderem die Bauern- und Winzerverbände Rheinland-Nassau und Rheinland-Pfalz Süd, die Arbeitsgruppe Ökologischer Landbau, der Landesverband des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) sowie die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. Die Nabu-Landesvorsitzende Cosima Lindemann spricht von einem bundesweit einmaligen Prozess.
Worum geht es?
Im Kern geht es darum, Belange des Umwelt- und Naturschutzes mit denen der Landwirtschaft in Einklang zu bringen und dabei am Ende sowohl mehr Schutz für Pflanzen- und Tierarten hinzubekommen als auch eine zukunftsfeste Landwirtschaft zu haben. Möglich machen soll dies eine auf dem bereits zurückgelegten Weg geschaffene Vertrauensbasis zwischen beiden Seiten, hofft Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) hofft.
Der Dialogprozess hin zur Unterzeichnung der Vereinbarung sei nicht immer einfach, nicht immer schmerzfrei gewesen, berichtete Eder. Aber: "Wir werden die Artenkrise nur gemeinsam bewältigen können." Eingebunden werden sollen auch Naturschutzstationen, die in den nächsten Jahren landesweit entstehen werden.
Wollen Sie nichts mehr vom stern verpassen?
Persönlich, kompetent und unterhaltsam: Chefredakteur Gregor Peter Schmitz sendet Ihnen jeden Mittwoch in einem kostenlosen Newsletter die wichtigsten Inhalte aus der stern-Redaktion und ordnet ein, worüber Deutschland spricht. Hier geht es zur Registrierung.
Wie soll das gelingen?
Ein Schlüssel soll ein breites Netzwerk mit zahlreichen Akteuren eben aus Umweltschutz und Landwirtschaft sein. Vereinbart wurde ein regelmäßiger Austausch. Ein "Forum Schulterschluss Artenvielfalt" soll regelmäßig zusammenkommen, regionale Kooperationsnetzwerke sollen sich anschauen, was für welche Gegend am zielführendsten ist – denn in Mittelgebirgslagen von Eifel oder Hunsrück braucht es ganz anderes als auf den fruchtbaren und intensiv bewirtschafteten Böden der Vorderpfalz.
Naturschutz in der Agrarlandschaft könne nur dauerhaft erfolgreich sein, wenn Leistungen von Landwirten für Artenvielfalt fair honoriert würden und sich in den Alltag der Betriebe integrieren ließen, betonte Sabine Yacoub, Landesvorsitzende des BUND. Deshalb soll es unter anderem darum gehen, mit der Expertise beider Seiten fortan mehr Fördertöpfe anzuzapfen - eventuell auch welche, von denen man bislang nichts wusste. Oder über neue Finanzierungsmöglichkeiten für Artenschutzmaßnahmen nachzudenken, sei es über die Einbindung von Unternehmen oder der Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz. Es dürfe keine Denkverbote geben, betonte Landwirtschaftsministerin Daniela Schmitt von der FDP.
Was kann konkret den Artenschutz voranbringen?
Gedacht werden soll in viele Richtungen. Schon heute gibt es beispielsweise Blühstreifen oder Brachen neben Feldern, auf denen Wildblumen wachsen und die Lebensraum für viele Arten bieten. Denkbar sei etwa, dass sich mehrere Landwirte zusammenschlössen und aus einer Hand Blühstreifen anpflanzten, das sei wirtschaftlicher, erklärt Eberhard Hartelt, Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd. Denkbar sei auch, verschiedene solcher Flächen über Grundstücke einzelner Landwirte hinweg zu verbinden.
Für Ministerin Schmitt muss auch das sogenannte Precision Farming weiter vorangebracht werden. Wenn mit Präzisionstechnologie Pflanzenschutzmittel immer punktueller verteilt werde, helfe das dem Artenschutz und schone das Portemonnaie der Landwirte. Wichtig sei zudem, gemeinsam für den Ausbau der Aus- und Weiterbildung in grünen Berufen einzutreten.
Verbessert werden kann nach Einschätzung von Ministerin Eder mit einem stärkeren Austausch zwischen Umweltschutz und Landwirtschaft auch der Umgang mit sogenannten Konfliktarten, also Tierarten, die von manchen kritisch gesehen werden. Das kann der Wolf sein, der Herdentiere reißt oder der Biber, der mit einem Dammbau Felder überflutet.
Ein wahres Mammutprojekt sei der Abbau von Bürokratie in der Agrarpolitik und im Artenschutz, erklärte Nabu-Landeschefin Lindemann. Bauernverbandspräsident Hartelt verwies darauf, dass Artenschutzmaßnahmen heutzutage häufig mit Pauschalbeträgen gefördert würden. Sie lohnten sich damit jedoch auf ertragreichen Böden wie etwa in der Vorderpfalz viel weniger als auf kargeren Böden in der Westpfalz. Hier sieht er Verbesserungspotenzial. Für Hartelt geht es in den kommenden Monaten und Jahren darum, all diese Dinge im Detail anzugehen. "Die Arbeit geht jetzt erst los", sagt er.