Veranstaltungen Umstrittene Buchmesse in Halle - Polizei plant Einsatz

"Wir Festival" ist an der Tür eines Hörsaalgebäudes der Martin-Luther-Universität Halle zu lesen. Foto: Sebastian Willnow/dpa
"Wir Festival" ist an der Tür eines Hörsaalgebäudes der Martin-Luther-Universität Halle zu lesen. Foto
© Sebastian Willnow/dpa
Im Programm der Buchmesse in Halle tauchen Namen aus der rechtsextremen Szene auf. Auch rechte Verlage haben sich angekündigt. Eine Gegenveranstaltung will mit Lesungen und Debatten dagegen halten.

Die für dieses Wochenende geplante Buchmesse "SeitenWechsel" in Halle sorgt für Wirbel: Rund 100 Aussteller präsentieren sich auf dem Messegelände der Stadt, darunter etwa der Verlag Antaios, der seit 2024 vom Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextrem" eingestuft wird. 

Buchmessen-Veranstalterin vertritt die AfD

Die Buchmesse "SeitenWechsel" wurde von der Dresdner Buchhändlerin und Verlegerin Susanne Dagen ins Leben gerufen. Dagen bezeichnet die Veranstaltung als "geistige Notwehr", da aus ihrer Sicht vor allem die großen Buchmessen in Frankfurt und Leipzig in den vergangenen Jahren "politisch immer enger" geworden seien. Vor allem in Dresden ist Dagen politisch aktiv, sitzt dort als Mitglied der AfD-Fraktion im Stadtrat. 

Deniz Yücel, Sprecher der Autorenvereinigung PEN Berlin, hatte die Messe in der "Mitteldeutschen Zeitung" als "sehr rechte bis rechtsradikale Buchmesse" bezeichnet. 

Die Veranstalter sehen das anders. Kritiker der Messe könnten sich nicht vorstellen, dass "freie Individuen außerhalb von Gruppierungen denken und ohne politischen Einfluss literarisch und kulturschaffend tätig sein können", sagt der Geraer Autor und Sprecher Bernd Zeller. Es habe keine Vorauswahl der Ausstellerinnen und Aussteller gegeben, die am Wochenende bei "SeitenWechsel" zu Gast sind. "Wer will, kommt", so Zeller. 

Kundgebungen als Alternativprogramm

Vereint als "Wir"-Festival wollen Buchhandlungen, andere Läden, Privatpersonen sowie Institutionen der Stadt ein Zeichen für Offenheit und Vielfalt setzen. Auch Kundgebungen sind angemeldet, die Polizei bereitet sich auf einen Einsatz vor. 

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"Wir wollen gar nicht als ein Gegen verstanden werden, denn mittlerweile sind wir viel, viel mehr", sagt die Mitgründerin des "Wir"-Festivals, Ulrike Jänichen. Die Messe sei zwar Grund und Anlass dafür gewesen, dass sich die Gruppe zusammengefunden habe. "Aber wir wollen viel lieber ein Für sein. Wir wollen eigene Bilder schaffen, die von Halle aus am Wochenende in die Welt gehen."

Verbindungen zu Uwe Tellkamp

Dagen steht auch mit dem umstrittenen Schriftsteller Uwe Tellkamp in Verbindung. Er zählte zu den Erstunterzeichnern eines offenen Briefs von Dagen nach der Frankfurter Buchmesse 2017. Dort hatte es Proteste gegen den Auftritt des Kleinverlag Antaios gegeben. Dagen sah dadurch die Meinungsfreiheit in Gefahr. Der Verlag wurde von dem neu-rechten Verleger Götz Kubitschek gegründet. Auch das rechtsextreme "Compact"-Magazin von Jürgen Elsässer soll vor Ort ausstellen. 

Im Programm von Dagens Buchmesse finden sich noch weitere Namen, die politisch dem rechten oder rechtsextremen Spektrum zugeordnet werden. Etwa AfD-Politiker Erik Lehnert, der unter anderem als Lektor bei Antaios gearbeitet hat. Er leitete außerdem das inzwischen aufgelöste "Institut für Staatspolitik", das das Bundesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistische Bestrebung einstuft. 

Der ehemalige Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen soll ebenfalls unter den Gästen sein. 

Stadtgesellschaft soll sich positionieren können

Jänichen, die für das Alternativprogramm spricht, sieht in der Messe eine "ganz klare politische Agenda". 

Das "Wir"-Festival will für andere Bilder sorgen: In den vergangenen Wochen wurden dort rund 350 Veranstaltungen registriert - darunter Lesungen, Debattenformate und Veranstaltungen für Kinder. 

Außerdem gibt es - um ein in der Stadt sichtbares Zeichen zu setzen - eine Schaufensteraktion, ergänzte Jänichen. Daran beteiligt sich unter anderem auch die Uni in Halle. Dort sind Veranstaltungen geplant, außerdem sind das Audimax und die Bibliothek am Steintor-Campus mit Sprechblasen beklebt. Auch die Kunsthochschule Burg habe gut sichtbar große Sprechblasen aufgehängt, in denen zum Beispiel literarische Zitate stehen. 

Nach Angaben der Polizei wurden für den 8. November mehrere Versammlungen im Umfeld des Messegeländes angemeldet, darunter drei Kundgebungen unter dem Motto "Rechte Buchmesse stoppen". Es werde ein Einsatz mit mehreren Hundert Einsatzkräften vorbereitet, um "sowohl die Durchführung der Veranstaltung auf dem Messegelände als auch friedliche Versammlungsverläufe zu gewährleisten", so die Polizeiinspektion Halle.

dpa