Bilanz nach einem Jahr Kretschmer: Regierung auf gutem Weg - Opposition kritisch

Sachsens Minderheitsregierung könne anderen als Beispiel dienen, sagte Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). (Archivbild)
Sachsens Minderheitsregierung könne anderen als Beispiel dienen, sagte Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). (Archivbild) Foto
© Robert Michael/dpa
Positiv fällt die Bilanz des Ministerpräsidenten nach einem Jahr ohne eigene Mehrheiten aus. Besonders eine Oppositionspartei hebt er lobend hervor. Diese äußert sich jedoch kritisch.

Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sieht die Minderheitsregierung von CDU und SPD auf einem guten Weg. "Unsere Regierung ist mit Kraft gestartet", sagte er im Anschluss an die Kabinettssitzung in Dresden. Man habe sich etwa erfolgreich um die Zukunft von Volkswagen in Sachsen bemüht und die Anzahl der ausfallenden Schulstunden reduziert.

Mit dem Konsultationsmechanismus habe man versucht, der neuen Realität einer Minderheitsregierung Regeln für eine verlässliche Zusammenarbeit zu geben, sagte der Ministerpräsident. Als Erfolge listete Kretschmer etwa die Verabschiedung des Doppelhaushaltes für 2025/2026 und die Investitionen im Bereich der Mikroelektronik auf. 

Kretschmer will Konsultationsmechanismus anpassen

Angesichts der Kritik vor allem von Linken und Grünen der vergangenen Wochen zeigte er sich offen für Anpassungen: "Es ist wichtig, dass wir dieses Instrument immer wieder auch überprüfen und hinterfragen, wie man es besser machen kann." Nach der Entscheidung für den Rundfunkstaatsvertrag hätten die Kolleginnen und Kollegen gefordert, dass anders und langfristiger gesprochen werden müsse. "Das ist ein Kritikpunkt, dem man sich annehmen muss", so Kretschmer.

Nach dem Scheitern einer gemeinsamen Koalition mit dem BSW einigten sich CDU und SPD im Dezember vergangenen Jahres auf die Bildung einer Minderheitskoalition. Der Konsultationsmechanismus soll dazu dienen, die erforderlichen Mehrheiten zu beschaffen. Bis auf die AfD beteiligen sich alle Fraktionen im Sächsischen Landtag daran. Union und SPD fehlen zehn Stimmen für eine Mehrheit im Landtag. 

Kretschmer lobt Linke

Den beteiligten Oppositionsparteien drückte Kretschmer seine Wertschätzung für ihre Haltung aus, mitzuwirken und eigene Interessen hinten anzustellen, wenn es um das Wohl des Landes gehe. Lobende Worte fand er besonders für die Linke: "Ich bin sehr froh, dass die Linkspartei für sich die Rolle gefunden hat, als konstruktive Oppositionspartei kritisch die Regierung zu begleiten, aber an den Stellen, wo es notwendig ist für den Freistaat, auch zu unterstützen." Grüne und BSW hätten in den vergangenen Monaten auch immer wieder mitgearbeitet.

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Köpping: Nicht immer einfach

Auch Petra Köpping, stellvertretende Regierungschefin und Gesundheitsministerin, zog eine positive Zwischenbilanz. Die Regierung habe gezeigt, dass sie für Stabilität stehe, sagte die SPD-Politikerin. "Gemeinsam mit den Oppositionsfraktionen haben wir bewiesen, dass Kompromisse und Mehrheiten auch weiterhin möglich sind." Es sei aber nicht immer einfach, sondern auch mühsam und anstrengend, "weil wir eben nicht nur zwei Partner zusammenbringen müssen, sondern vier und bestenfalls sogar fünf".

Linke und Grüne fordern Anpassungen

Deutlich kritischer bewerteten die Linke und Grüne die Zusammenarbeit mit der Koalition. "Zwar wurden Initiativen der Oppositionsfraktionen Linke und Grüne beschlossen, was vorher in Sachsen undenkbar war", räumte Susanne Schaper, Fraktionsvorsitzende der Linken, ein. Dennoch forderte sie Anpassungen. "Die Prozesse sind oft zäh, die Koalition legt vieles erst auf den letzten Pfiff vor, und wir warten teils ewig auf eine Rückmeldung." CDU und SPD müssten die Opposition aber frühzeitig einbinden, "denn wir sind keine Lückenbüßer".

Franziska Schubert, Fraktionsvorsitzende der Grünen, warf der Koalition einen "Schlingerkurs" und "ein dilettantisches Vorgehen über weite Strecken" vor. "CDU und SPD erinnern mich doch eher an Murmeltiere: Sie verbringen die meiste Zeit in ihrem Bau und kommen nur raus, wenn sie etwas wollen." Der gute Wille der kleinen Oppositionsfraktionen habe bisher die demokratischen Kräfte zusammengehalten. "Es wäre gut, wenn da jetzt auch mal auf der anderen Seite der Waage etwas passiert."

AfD sieht Stillstand

Die AfD stellte die Minderheitsregierung insgesamt infrage. Als "Ausdruck einer Ignoranz des Wählerwillens" bezeichnete der Fraktionsvorsitzende Jörg Urban die Koalition. "CDU und SPD haben im abgelaufenen Jahr außer millionenschweren Geschenken für Linke und Grüne in den Haushaltsverhandlungen nichts geliefert", sagte er laut einer Mitteilung. Statt eines Neuanfangs habe sich die CDU für fünf Jahre Stillstand entschieden, den insbesondere die Wirtschaft zu spüren bekomme.

dpa