Handwerkskunst Porzellan aus Meißen: "Raus aus der Vitrine, rein ins Leben"

Tillmann Blaschke will die Marke mit den Schwertern moderner machen. Foto: Robert Michael/dpa
Tillmann Blaschke will die Marke mit den Schwertern moderner machen. Foto
© Robert Michael/dpa
Mit neuen Designs und frischen Ideen will die Porzellan-Manufaktur Meissen jüngere Kunden ansprechen - und raus aus der Verlustzone. Wie gelingt der Spagat zwischen Tradition und Innovation?

Kaffeebecher für unterwegs, Teller in knalligen Farben und Kugeln für den Weihnachtsbaum: Meissener Porzellan ist längst mehr als das gute Tafelservice bei Oma im Schrank. "Wir wollen raus aus der Vitrine, rein ins Leben", sagt Geschäftsführer Tillmann Blaschke, der seit rund zehn Jahren die Geschicke der staatlichen Porzellan-Manufaktur Meissen leitet. Das Unternehmen mit dem weltweit bekannten Logo der gekreuzten Schwerter will jünger und moderner werden - und damit raus aus der Verlustzone. 

Der Porzellanmarkt habe sich verändert, berichtet Blaschke. "Die Produkte müssen zeitgemäß sein und die Bedarfe der heutigen Zeit widerspiegeln." Während handbemalte Figuren und kunstvolle Fine Art vor allem in Taiwan, Japan und China gefragt seien, sei der Heimatmarkt kleinteiliger geworden. Porzellan sei längst nicht mehr so ein Statussymbol wie früher, das große Service für den Sonntagsbraten weniger gefragt, so Blaschke. Stattdessen ist Geschirr für Sushi, Pasta oder Ramen im Trend. Neben der traditionellen Porzellanmalerei haben auch alltagstaugliche Drucke Einzug gehalten.

Hoffen auf neue Märkte

Zudem setzt die Manufaktur auf neue Märkte: Nächstes Jahr wird über Handelspartner der achte Store in China eröffnet, auch in den USA und in der Golfregion soll das Porzellan aus Sachsen etabliert werden. Im arabischen Raum seien etwa Figuren wie der Falke des Plastikers Maximilian Hagstotz gefragt. "Riesenpotenzial" sieht der Manufakturchef auch in Singapur, Malaysia, Thailand und den Philippinen. Bisher verkaufe man nur vereinzelt Stücke in diese Länder - etwa an die Familie des thailändischen Königs. "Dort wollen wir Strukturen etablieren, so dass man ein kontinuierliches Geschäft hat", erklärt Blaschke. 

Der Manufakturchef sieht die 1710 gegründete Porzellan-Manufaktur auf einem guten Weg. 2024 konnte das Unternehmen zwar keine schwarzen Zahlen schreiben, verbucht nach eigenen Angaben aber ein Umsatzwachstum von fünf bis zehn Prozent, im Webshop sogar zweistellig. "Das gibt all jenen, die hinter der Manufaktur stehen, ein Stück Vertrauen, dass die Arbeit die wir machen, in die richtige Richtung geht." 

Älteste Porzellan-Manufaktur in Europa

Europas älteste Porzellan-Manufaktur steckt im Wandel, nachdem der Umbau zum Luxuskonzern unter dem ehemaligen Chef Christian Kurtzke gescheitert ist. Dieser ließ auch Schmuck, Kleidung und Accessoires fertigen. Das Konzept misslang, die Manufaktur häufte Millionenverluste an. Mit der Rückbesinnung auf das Kerngeschäft Porzellan will das Unternehmen die Wende schaffen. 

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Kein leichtes Unterfangen: Corona- und Energiekrise, zudem ist der kaufkräftige russische Markt weggebrochen. Allein dadurch fehle eine "siebenstellige Umsatzzahl" im Jahr. Blaschke verweist darauf, dass mehrere Porzellan-Manufakturen in den vergangenen Jahren pleitegegangen seien. Bundesweit gebe es mittlerweile nur vier Porzellan-Manufakturen. 

Sachsens Finanzminister Christian Piwarz hebt die Bedeutung des Unternehmens hervor und verweist auf eine für Europa einmalige Porzellantradition. "Das europäische Porzellan wurde hier nicht nur erfunden, sondern vor Ort in der Albrechtsburg erstmals hergestellt", sagt der CDU-Politiker, der in seinem Elternhaus mit Meissener groß wurde. Der Freistaat fühle sich diesem Erbe verpflichtet. 

Die Manufaktur sei kein Museums-, sondern lebendiger Produktionsbetrieb, so Piwarz weiter. Dazu gehöre auch, sich Bedürfnissen des jeweiligen Marktes zu stellen. Gerade daraus würden Innovationen erwachsen, so Piwarz. Es sei der Anspruch, dass sich die Manufaktur selbst trage. Das gelinge der Manufaktur sogar recht gut, betonte Piwarz. Sie habe in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld ihre Umsätze gesteigert. 

Freistaat steht zur Manufaktur

Konkrete Zahlen zum Umsatz und Gewinn für 2024 nannten Manufaktur und Finanzministerium nicht. Die Manufaktur hatte 2023 Verluste gemacht. Das operative Ergebnis fiel auf minus 3,6 Millionen Euro und das Gesamtergebnis nach Steuern auf minus 3,9 Millionen Euro. Der Umsatz ging im Vergleich zum Vorjahr um vier Prozent auf 31,2 Millionen Euro zurück. 

Der Freistaat als Gesellschafter prüfe je nach Situation, "ob und in welcher Höhe er zulässigerweise den kulturellen Teil unterstützten kann", erklärte Piwarz. Sachsen stehe zum Fortbestand der Manufaktur. "Was nicht heißt, dass einzelne Produktionszweige - wie auch in der Vergangenheit – nicht überprüft werden", sagt der Finanzminister.

Derzeit beschäftigt die Manufaktur 480 Mitarbeiter auf 450 Stellen, darunter 40 Auszubildende. 120 Frauen und Männer arbeiten in Meißen als Porzellanmaler. Mit feinen Pinselstrichen setzen sie Akzente etwa auf der bekannten Kratervase oder auf farbenfrohen Wandbildern mit Amazonas-Motiven. Bundesweit wird nur noch in Meißen im Handwerk der Porzellanmalerei ausgebildet. "300 Jahre Wissen müssen bewahrt und weitergegeben werden", sagt Blaschke. 

Rund 200 000 Besucher kommen den Angaben zufolge jedes Jahr in die Manufaktur nach Meißen, die Hälfte davon aus Deutschland. Blaschke zeigt sich trotz der schwierigen Rahmenbedingungen optimistisch: "Wenn sich die gesamtwirtschaftliche Lage bessert, haben wir gute Chancen, wieder schwarz zu werden."

dpa