Videoüberwachung Linke warnt: Kameras auf dem Anger gefährden Grundrechte

Nach langer Verzögerung wegen datenschutzrechtlichen Bedenken geht die Videoüberwachung auf dem Erfurter Anger nun in Betrieb. (
Nach langer Verzögerung wegen datenschutzrechtlichen Bedenken geht die Videoüberwachung auf dem Erfurter Anger nun in Betrieb. (Archivbild) Foto
© Martin Schutt/dpa
Ab Freitag überwacht die Polizei den Erfurter Anger mit Kameras. Die Linke im Thüringer Landtag spricht von einem "sicherheitspolitischen Irrsinn".

Die Linke-Landtagsfraktion sieht in der am Freitag geplanten Inbetriebnahme der Videoüberwachung auf dem Erfurter Anger einen Angriff auf die Versammlungsfreiheit. Die Beteuerung, die Kameras bei Versammlungen abdecken zu wollen, sei realitätsfremd und ohne valides Konzept, kritisierte die Sprecherin für Netzpolitik und Digitales der Fraktion, Katharina König-Preuss. 

Dies gelte insbesondere im Hinblick darauf, wie mit Spontan- oder Eilversammlungen umgegangen werden soll. "Hier wird absehbar massiv in Grundrechte eingegriffen", so König-Preuss. In der Praxis bedeute dies, dass Menschen, die ihre Meinung frei äußern wollten, künftig abwägender handeln würden, sich zurückhalten oder schlimmstenfalls ganz auf politische Teilhabe im öffentlichen Raum verzichten würden.

Erste Polizeikameras in Thüringen

Die zwölf auf dem Anger installierten Kameras sollen nach mehrmonatiger Verzögerung nun Ende der Woche aktiviert werden. Es ist nach Angaben des Innenministeriums das erste System in Thüringen, das von der Polizei betrieben wird. Die Monitore stehen beim Inspektionsdienst Nord der Erfurter Polizei.

Die gespeicherten Aufzeichnungen sollen nach zwei Wochen wieder gelöscht werden. Grundlage für die Videoüberwachung in der Thüringer Landeshauptstadt ist das Polizeiaufgabengesetz.

Der Start hatte sich aus datenschutzrechtlichen Bedenken verschoben. So müssen etwa Eingänge von Geschäften, Anwaltskanzleien oder Praxen, die im Sichtfeld der Kameras liegen, unkenntlich gemacht werden. Bei Demonstrationen werden die Kameras laut Polizei komplett abgedeckt, um die Rechte der Teilnehmer zu wahren.

Brennpunkt Anger – Sicherheit oder Eingriff?

Der Erfurter Anger gilt als städtische Problemzone unter anderem bei Drogendelikten, Diebstählen oder Schlägereien. Der Platz ist zentraler Anlaufpunkt für Einkäufe und ein wichtiger Knotenpunkt für Straßenbahnen und Busse. Zudem finden dort regelmäßig politische Kundgebungen und Demonstrationen statt. 

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Das Land und die Stadt versprechen sich von der Videoüberwachung unter anderem ein stärkeres Sicherheitsgefühl der Menschen und Beweisaufnahmen bei der Strafverfolgung. Die Linke-Abgeordnete König-Preuss widerspricht: "Jede eingeschaltete Kamera auf dem Anger ist ein ausgeschaltetes Stück Freiheit, das Überwachungsprojekt auf dem Anger ist rechtlich hochgradig bedenklich und ein sicherheitspolitischer Irrsinn." 

Streit um Kameras in Suhl

Unter der Ägide städtischer Ordnungsämter überwachen bereits andere Thüringer Kommunen öffentliche Bereiche per Kameras. Die Überwachung erfolgt in diesen Fällen auf Basis des Ordnungsbehördengesetzes. So werden etwa in Sonneberg bereits seit 2000 vier öffentliche Plätze mit Kameras überwacht. 

Seit Oktober 2024 sind am Busbahnhof in Mühlhausen fünf Kameras in Betrieb. Die Aufnahmen werden ins Rathaus übertragen und von einem Mitarbeiter des Ordnungsamtes gesichtet, hieß es aus der Stadtverwaltung. Im Falle einer Straftat könnten die Aufzeichnungen über 72 Stunden hinaus gesichert und der Strafverfolgungsbehörde übergeben werden. 

Die bereits seit 2022 in der Suhler Innenstadt installierten drei Kameras sind derzeit Gegenstand eines Rechtsstreits mit dem Thüringer Landesdatenschutzbeauftragten, der die dortige Überwachung beanstandet und einen Rückbau der Anlagen gefordert hatte. Dagegen hat die Stadt nach eigenen Angaben beim Verwaltungsgericht geklagt.

dpa