Jahrelang haben Betroffene und Unterstützer dafür gekämpft, nun soll das umstrittene Transsexuellengesetz tatsächlich abgeschafft werden. Stattdessen will die Ampel-Koalition mit einem Selbstbestimmungsgesetz dafür sorgen, dass eine einfache Erklärung beim Standesamt ausreicht, um den Geschlechtseintrag oder den Vornamen zu ändern. Das Bundeskabinett hat dafür in der vergangenen Woche den Weg freigemacht.
Die Verabschiedung des Entwurfs sei "ein großer Moment" für trans- und intergeschlechtliche Menschen in Deutschland, sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). "Das Grundgesetz garantiert die freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Achtung der geschlechtlichen Identität. Trotzdem wurden die Betroffenen mehr als 40 Jahre lang durch das Transsexuellengesetz diskriminiert. Damit ist jetzt endlich Schluss."
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte, das Selbstbestimmungsgesetz sei Ausdruck einer Politik, für die die Grundrechte an erster Stelle stehen. "Alle Menschen haben ein Recht darauf, dass der Staat ihre geschlechtliche Identität achtet. Und um dieses Menschenrecht geht es uns."
Kritik an Selbstebstimmungsgesetz: Angst um Schutzräume für Frauen
Doch nicht alle sind von dem Vorhaben der Ampelkoalition begeistert. Intensiv diskutiert wurde die Frage des Hausrechts und des Zugangs zu geschützten Räumen – also etwa Saunen, Umkleidekabinen, Frauenhäuser und andere Schutzräume insbesondere für Frauen. Einige Frauenrechtlerinnen hatten Bedenken geäußert, solche Schutzräume generell auch für Transpersonen öffnen zu müssen. Das Selbstbestimmungsgesetz lässt jedoch das private Hausrecht unberührt.
Auch die Union sieht Frauenrechte in Gefahr. "So überlässt das Gesetz es dem Bademeister oder dem Fitnesstrainer, ob eine Transperson die Damenumkleide betreten darf", sagte die familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Silvia Breher, der Deutschen Presse-Agentur. Die Notwendigkeit von Schutzräumen werde ignoriert. Das Gesetz sehe eine "völlige Trennung von rechtlichem und biologischem Geschlecht" vor.
Doch sind Transmenschen, intergeschlechtliche oder nicht-binäre Menschen in Saunen und Umkleiden wirklich ein großes Problem? Der stern hat bei großen Fitnessketten und Bäderbetreibern nachgefragt.
Leben als Trans-Mensch: "Ich hatte sie vorher nie wirklich glücklich gesehen"

Bäder und Sportstudios haben keine Sonderregeln für Umkleiden
Grundsätzlich betonen die Betreiber, dass alle Menschen – und damit auch Transmenschen – willkommen seien und man sich gegen Diskriminierung einsetze. Es gebe auch keine besonderen Regelungen für Transmenschen.
So teilte die Fitnessstudio-Kette FitX mit: "In Bezug auf die Nutzung der Umkleiden handhaben wir es so, dass transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen die Umkleide nutzen können, die sie für sich als passend empfinden."

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Die Stadtwerke München, die mehrere Bäder und Saunen betreiben, teilten dem stern mit: "Es gibt in unseren Bädern schon heute teilweise Einzelduschkabinen sowie genderunabhängige Umkleide- und Sanitärräume. Bei Sanierungen von Hallen- und Freibädern erstellen wir zusätzliche separate Umkleide- und Sanitärräume." Auch diese könnten geschlechtsneutral genutzt werden.
Und die Berliner Bäder-Betriebe antworten: "Da die Bäder zu unterschiedlichen Zeitpunkten errichtet bzw. modernisiert wurden, gibt es keine Standardsituation bei den Umkleiden und Duschen."

Beschwerden über Transmenschen in Umkleiden sind die Ausnahme
Vorfälle und Beschwerden über Transmenschen in Umkleidekabinen sind nach Angaben der Betreiber von Schwimmbädern, Saunas und Fitnessstudios jedoch die Ausnahme.
Die Berliner Bäder-Betriebe beispielsweise sprechen von zwei Fällen in den letzten fünf Jahren. In dieser Zeit habe es 21 Millionen Besucherinnen und Besucher gegeben. "In einem Fall beschwerten sich Erzieherinnen mit Kita-Mädchen über einen Transmenschen, der auffällige männliche Attribute besaß, aber sich unbekleidet unter den Mädchen befand. Der Schutz der Kinder ging hier vor. Dem Transgender wurde die Behindertenkabine angeboten, wodurch er sich auch diskriminiert fühlte."
Der Fitnessstudiobetreiber McFit antwortete dem stern auf die Frage, ob es Beschwerden wegen Transmenschen gegeben habe, dass keine Fälle bekannt seien. "Sicherlich kann es aber zu Fragen und Unsicherheiten kommen. Hierfür sind unsere Mitarbeitenden ansprechbar und daran interessiert, auf dem direkten Weg Lösungen zu finden."
FitX ging auf die Frage nicht konkret ein, betonte aber: "Solange sich die Person, über die sich beschwert wurde, nicht unangemessen verhält, sondern einfach da ist und die Umkleide ordnungsgemäß nutzt, ist das für uns erst einmal in Ordnung." Wenn sich ein anderes Mitglied unter diesen Umständen dennoch gestört fühle, liege das eher an der "individuellen Wahrnehmung dieser Person" als an einem tatsächlich unangemessenen Verhalten.
Die Stadtwerke München sprachen von einer "sehr geringen Anzahl" von Diskussionen, in die trans- oder intergeschlechtliche Menschen involviert seien. Diese könnten in der Regel kurzfristig und vor Ort geklärt und gelöst werden, so ein Sprecher.
Auch die KölnBäder GmbH teilte mit, dass es diesbezüglich "weder gravierende Ereignisse noch Beschwerden von beiden Seiten" gegeben habe. Alles laufe "sehr smooth", so ein Sprecher. Diskussionen wolle er zwar nicht ausschließen, diese könnten aber direkt vor Ort geklärt werden.
Bäderland Hamburg teilte kurz und knapp mit: "Insgesamt lässt sich sagen, dass Hamburg eine bunte und offene Stadt ist und unsere Gäste – zumindest aus unserer Sicht – in 99,999 Prozent aller Besuche gut miteinander (und mit uns) auskommen".
Beschwerden auch von Transmenschen – aber auch die Ausnahme
Gab es umgekehrt auch Beschwerden von trans-, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen wegen Diskriminierung?
"Auch das ist ausgesprochen selten, aber es kommt vor", so die Berliner Bäder-Betriebe. Die Anlässe seien unterschiedlich. Zum Beispiel die Ansprache durch das Sicherheitspersonal, das Fehlen von transgeschlechtlichem Personal oder das Benutzen von Behindertenkabinen.

FitX nannte keine konkreten Fälle oder Zahlen, antwortete aber: "Wir hatten mehrfach Situationen, in denen sich transidente Personen aus Unsicherheit mit der Frage beim Studiopersonal gemeldet haben, welche Umkleide sie nutzen können." In diesen Fällen habe man versucht, eine Lösung zu finden. Die Nutzung von Umkleiden für Menschen mit Behinderung sei "mehrfach positiv angenommen" worden – auch wenn dies keine Patentlösung sei, so eine Sprecherin.
McFit seien "wenige Einzelfälle" bekannt, in denen es Beschwerden von transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen gegeben habe. "Bei vielen von ihnen hat sich herausgestellt, dass persönliche Differenzen und Konflikte, also mehrere Faktoren der Grund für eine Auseinandersetzung waren." Bei Konflikten hätten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort unterstützt, deeskaliert und dabei geholfen, eine Lösung zu finden.
Hinweis: Für die Befragung wurden auch die Betreiber Fitness First und Meridian Spa angefragt. Von beiden lag zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch keine Antwort vor.