In Deutschland konsumieren die meisten Menschen zu viel Zucker. Der Pro-Kopf-Verbrauch belief sich im Jahr 2021/2022 auf rund 34,8 Kilogramm. Also rund 95 Gramm am Tag. Das sind 45 Gramm mehr als empfohlen. Dass zu viel Zucker schlecht für die Gesundheit ist, wissen die meisten.
Doch komplett auf Süßes und Zucker zu verzichten, dürfte für die wenigstens Menschen in Frage kommen. Deswegen greifen einige Verbraucher:innen auf Desserts, Gebäck oder Schokolade zurück, die kalorienreduziert sind und ohne Haushaltszucker auskommen. Statt Zucker steckt in den Lebensmitteln ein Zuckerersatz wie Erythrit. Doch Forschende der Cleveland Clinic haben nun Hinweise darauf gefunden, dass der Konsum des Süßungsmittels das Risiko für einen Schlaganfall und einen Herzinfarkt erhöhen könnte. Ihre Ergebnisse haben sie im Fachblatt "Nature Medicine" veröffentlicht.
Was ist Erythrit genau?
Erythrit ist ein sogenannter Zuckeraustauschstoff. Auf der Zutatenliste eines Lebensmittels lässt er sich an der Bezeichnung E 968 erkennen. Er steckt zum Beispiel in zuckerfreien Kaugummis, kalorienreduzierten Lebensmitteln ohne Zuckerzusatz wie Gebäck, Konfitüre, Süßwaren oder Schokolade. Er sorgt also dafür, dass diese Light-Produkte süß schmecken, der Blutzuckerspiegel aber nicht ansteigt.
Zwar kommt Erythrit natürlicherweise auch in Käse und Früchten wie Birnen, Weintrauben und Melonen vor. Doch die Mengen darin sind viel zu gering für die industrielle Produktion. Deshalb wird der Zuckeralkohol industriell meist durch die Gärung von Mais gewonnen. Er ist weniger süß als herkömmlicher Zucker und fast kalorienfrei. Erythrit ist einer, der acht in der EU zugelassenen Zuckeraustauschstoffen. Doch die jüngsten Ergebnisse der Forschungsgruppe zeigen nun, dass sich der Konsum von Erythrit womöglich negativ auf die Gesundheit auswirken könnte.
Anderes Forschungsinteresse
Hauptautor der Studie ist Dr. Stanley Hazen, Direktor des Zentrums für kardiovaskuläre Diagnostik und Prävention an der Cleveland Clinic. Er wollte mit seiner Studie eigentlich gar nicht den Einfluss des Zuckeraustauschstoffs auf das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko untersuchen. Seine Forschung hatte das Ziel, unbekannte Chemikalien oder Verbindungen im Blut einer Person zu finden, die ihr Risiko für einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder Tod in den nächsten drei Jahren vorhersagen könnten. Dazu haben er und sein Team die Blutproben von mehr als 1150 Proband:innen ausgewertet.
"Wir fanden diese Substanz, die eine große Rolle zu spielen schien, aber wir wussten nicht, was sie war", sagte Hazen gegenüber "CNN". "Dann entdeckten wir, dass es sich um Erythrit handelt, einen Zuckeraustauschstoff." Zwar bilde der Körper selbst auch Erythrit – das aber nur in sehr geringen Mengen.
Die Forschenden untersuchten weitere Blutproben von mehr als 2100 Proband:innen aus den USA und noch mal über 830 Proben von Europäer:innen. Mehr als die Hälfte der Blutproben stammten von Männern in ihren 60ern beziehungsweise in ihren 70ern. Etwa drei Viertel der Teilnehmer:innen in allen drei Gruppen hatten eine koronare Erkrankung oder Bluthochdruck. Also Menschen, die generell ein höheres Risiko für einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt haben.
Zusammenhang zwischen hohen Erythrit-Werten und Herzinfarktrisiko
Das Ergebnis: Die Forschenden haben einen Zusammenhang zwischen erhöhten Erythrit-Werten bei den Proband:innen und dem höheren Risiko für Schlaganfall, Herzinfarkt oder einem vorzeitigen Tod gefunden.
Um den Grund dafür zu finden, führten die Wissenschaftler:innen Tier- und Labortests durch. Das Erythrit führte offenbar dazu, dass Blutplättchen verklumpen. Der Konsum des Zuckeraustauschstoffs scheint die Bildung von Blutgerinnseln zu fördern. Und die Blutgerinnsel können die Herzkranzgefäße oder Hirnarterien verstopfen und so einen Herzinfarkt oder Schlaganfall auslösen.
Robert Rankin von Calorie Control Council, ein Industrieverband, sagte gegenüber "CNN" über die Studie, dass "die Ergebnisse dieser Studie im Widerspruch zu jahrzehntelanger wissenschaftlicher Forschung stehen, die zeigt, dass kalorienreduzierte Süßstoffe wie Erythrit sicher sind, was durch die weltweiten behördlichen Genehmigungen für ihre Verwendung in Lebensmitteln und Getränken belegt wird."
Zuckeraustauschstoff könnte Bildung von Blutgerinnseln fördern
Für Studienautor Stanley Hazen steht fest: "Für Menschen, die ein Risiko für Blutgerinnsel, Herzinfarkt und Schlaganfall haben – wie Menschen mit einer bestehenden Herzerkrankung oder Menschen mit Diabetes – gibt es meiner Meinung nach genügend Daten, um von Erythrit abzusehen, bis weitere Studien durchgeführt werden."
Zwölf Alternativen für alle, die das Naschen nicht lassen wollen

Der Wissenschaftler betonte gegenüber "CNN", den großen Effekt durch geringe Mengen des Zuckeraustuschstoffs auf den Erythrit-Spiegel im Blut: "Dreißig Gramm reichten aus, um den Erythrit-Spiegel im Blut um das Tausendfache ansteigen zu lassen", so Hazen. "Er blieb über den Schwellenwert erhöht, der notwendig ist, um das Gerinnungsrisiko in den folgenden zwei bis drei Tagen auszulösen und zu erhöhen." Er forderte, dass die Wirkung von Erythrit nun schnell und sorgfältig geprüft werden müsse.
Allerdings haben die Forschenden in der Studie nur einen Zusammenhang zwischen Erythrit und seinem Einfluss auf die Blutgerinnung gefunden. Heißt: Sie können nicht beweisen, dass der Konsum vom Erythrit das Risiko für einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall steigert. Es ist dafür weitere Forschung nötig.
Weil Zuckeraustauschstoffe wie Erythrit den Blutzuckerspiegel nicht ansteigen lassen, wird immer wieder diskutiert, ob Diabetiker:innen und Menschen mit Gewichtsproblemen auf die Light-Produkte zurückgreifen sollten. Die Verbraucherzentrale rät dazu, besser langfristig die Ernährung umzustellen. Zuckeralternativen seien letzlich keine gesunde Alternative zum Haushaltszucker.
Quellen: Studie Nature Medicine, DGE, Statista, CNN, Verbraucherzentrale , Einkaufsratgeber, Mitteilung zur Studie