Da kann man bisweilen den Mut verlieren angesichts der vielen, teils gegensätzlichen Empfehlungen für eine gesunde Ernährung, die durch die Medien schwirren: reichlich Vollkornprodukte oder reichlich Proteine sollen es sein, viel Gemüse und Obst, gute Pflanzenfette oder lieber gute Butter und um Himmels willen keine Brausen und anderes Teufelswerk, das - wo kämen wir hin? - Zucker enthält! Ein Großteil der guten Vorsätze versickert darum schnell im Alltag. Zurück bleibt das fade Gefühl, etwas Wichtigem nicht gerecht zu werden. Wie entlastend ist da die Aussicht auf ein Getränk, das einen all dieser Sorgen enthebt. Denn glaubt man dem Heer von Büchern, das seit einiger Zeit die "Health & Wellness"-Regale besetzt, sind grüne Smoothies die Antwort auf alle Fragen: zur Hälfte kurz und klein gehäckseltes Blattgemüse und (Wild-)Kräuter, zur anderen Hälfte Früchte, die geben den Geschmack; das Ganze so weit mit Wasser verdünnt, dass es trinkbar wird. Fertig ist der Supertrunk.
Im Netz ist die Grün-Smoothie-Fangemeinde zu Hause
Mittlerweile gibt es im Internet eine regelrechte Grün-Smoothie-Fangemeinde und diverse Infoseiten, auf denen der Turbosaft mit vermeintlich wissenschaftlichen Hintergründen angereichert wird. Die unverzichtbare Aus-rüstung dafür kann man - wie praktisch - gleich auf denselben Seiten ordern: Für Einsteiger gibt es den Mixer mit 1200 Watt zum Schnäppchenpreis von 299 Euro; Fortgeschrittene bestellen das Zwei-PS-Edelmodell für schlappe 859 Euro. Nur Hochleistungsgeräte, so das Credo, seien in der Lage, die Zellstrukturen so weit aufzubrechen, dass der Körper sämtliche "Vitalstoffe" aus den Pflanzen aufnehmen könne.
Sparen wäre hier ohnehin fehl am Platze, geht es doch um nicht weniger als das Lebenselixier schlechthin: Grüne Smoothies sollen das Immunsystem stärken, den Körper entgiften, Allergien mildern, vor Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen, Depressionen, Müdigkeit und Nervosität vertreiben und - natürlich - dem vermaledeiten Alterungsprozess entgegenwirken.
Mehr Gemüse ist generell gut
Bernhard Watzl, Leiter des Instituts für Physiologie und Biochemie der Ernährung am Max-Rubner-Institut in Karlsruhe, beobachtet den Trend mit gemischten Gefühlen: "Einerseits kann ich es nur begrüßen, wenn Menschen auf diese Weise mehr Gemüse essen, denn die 124 Gramm, die wir Deutschen im Schnitt am Tag zu uns nehmen, sind gerade mal ein Viertel der empfohlenen Menge. Trotzdem bin ich gegenüber solchen Moden grundsätzlich skeptisch, weil sie bei den Leuten meist nicht zu nachhaltigen Verhaltensänderungen führen. Vor allem dann nicht, wenn ihnen -suggeriert wird, dass das jeweilige Superfood alles enthält, was sie brauchen."
Ganz so einfach ist es nämlich nicht. Das rohe Zerkleinern beispielsweise, von Smoothie-Aposteln als die Zu-bereitung "lebendiger Nahrung" gepriesen, hat nicht nur Vorteile. Zwar bleiben Nährstoffe erhalten, die beim Erhitzen teilweise verloren gehen würden, andere wiederum kann der Körper in dieser Form aber kaum verwerten. Hinzu kommt, dass beim Kochen Keime, Salmonellen und andere Krankheitserreger abgetötet werden. Watzl: "Es hat also durchaus seinen Sinn, dass der Mensch gelernt hat, seine Nahrung zu garen. Vieles ist roh außerdem schlichtweg nicht bekömmlich." Hülsenfrüchte etwa enthalten unter anderem sogenannte Lektine – Proteinverbindungen, die zum Verklumpen der roten Blutkörperchen führen. Unerhitzt können manche Darmentzündungen auslösen. Auch roher Kohl liegt oft schwer im Magen und verursacht Blähungen.
Keine Wunderwaffe
Die propagierten Gesundheitswirkungen grüner Smoothies seien jedenfalls deutlich übertrieben und im Übrigen wissenschaftlich nicht belegt, sagt Watzl. Untersuchungen darüber, wie der Körper derart große Mengen klein gehäckseltes Grünzeug verdaut und ob er die darin enthaltenen Nährstoffe -tatsächlich nutzen kann, gebe es ebenfalls nicht. "Der Unterschied zwischen gekautem und püriertem Gemüse -dürfte in dieser Hinsicht aber zu vernachlässigen sein. Auch ein Hochleistungsmixer bringt da nicht mehr."
Trotzdem können die Grün-Shakes durchaus zu einer abwechslungsreichen Ernährung beitragen, zumal sie, im Gegensatz zu bloßem Saft, stets die ganzen Früchte und das ganze Gemüse enthalten, also auch die ballaststoffreichen Fasern und Randschichten, in denen die meisten sekundären Pflanzenstoffe stecken. Nur die Heilserwartungen sollte man tunlichst etwas herunterschrauben: Grüne Smoothies sind keine Wunderwaffe, aber eine gute Möglichkeit, mehr Gemüse in den Speiseplan zu schummeln. Und das ist bestimmt kein Nachteil.
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