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Coronavirus Weckruf "noch nicht überall angekommen": Spahn fordert MPK in den nächsten Tagen

Die Corona-Zahlen in Deutschland steigen unaufhörlich. Und eine neue Virus-Mutante besorgt die Fachwelt. RKI-Chef Lothar Wieler und Gesundheitsminister Jens Spahn forderten erneut auf, schnellstmöglich Maßnahmen zu ergreifen, um die vierte Welle zu brechen. 

Die Corona-Zahlen in Deutschland steigen unaufhörlich. Die Zahl der Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages hat einen neuen Höchststand erreicht. Wie das Robert Koch-Institut (RKI) am Freitagmorgen basierend auf Daten der Gesundheitsämter mitteilte, wurden bundesweit binnen 24 Stunden 76.414 Neuinfektionen registriert. Am vergangenen Freitag waren es 52.970 gewesen. Auch die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz erreichte mit 438,2 einen neuen Höchststand. Und eine neue Virus-Mutante aus Südafrika besorgt die Fachleute. Deutschland will ab Samstag Flüge aus dem Land einschränken. 

Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat dringend umgehende Kontaktreduzierungen eingefordert, um eine immer weitere Corona-Ausbreitung in ganz Deutschland abzuwenden. Die Lage sei so ernst wie noch zu keinem Zeitpunkt in der Pandemie, sagte der CDU-Politiker am Freitag in Berlin. Doch zu wenig passiere, und oft zu spät. "Wir müsse jetzt diese Welle stoppen", mahnte Spahn.

Spahn fordert MPK in den nächsten Tagen

Zu viele auch in politischer Verantwortung dächten, es werde schon gut gehen. Die Welle werde von den bisher stark betroffenen Regionen im Süden und Osten Deutschlands aber weiter gen Westen und Norden ziehen. Die Lage sei "dramatisch ernst, so ernst wie noch zu keinem Zeitpunkt in dieser Pandemie", sagte Spahn. Ganz kurzfristig mache jetzt nur eines den entscheidenden Unterschied, sagte Spahn: "Die Zahl der Kontakte muss runter, deutlich runter. Es nützt alles nichts." Konkret nannte er konsequente Zugangsregeln nur für Geimpfte und Genesene zusätzlich mit Test (2G plus), Absagen von Feiern und Großveranstaltungen.

Das beste wäre eine Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bund schon in den nächsten Tagen, sagte Spahn. Bislang ist ein Treffen der Länderregierungschefs mit der Bundesregierung erst für den 9. Dezember geplant. Der Minister beklagte, dass man sich gerade auf zu vielen Nebenschauplätzen wie neuen Impfpflichten oder neuen Corona-Gremien verkämpfe. Notwendig sei jetzt auch, planbare Operationen in Kliniken zu verschieben. Innerhalb Deutschlands müssten nun bis zu 100 Intensivpatienten mit großem Aufwand in andere Krankenhäuser verlegt werden. Der Minister rief die Verantwortlichen in Bund und Ländern zum raschen Handeln auf. Der Weckruf sei "noch nicht überall angekommen". Manche sagten, sie wollten erst einmal zehn Tage schauen, bevor weitere Maßnahmen ergriffen werden, sagte Spahn mit Blick auf die entsprechenden Pläne der Ampel-Koalition. Die Pflegfachkräfte hätten aber "keine zehn Tage zum Schauen". 

Viele in Verantwortung dächten, "es wird schon irgendwie gut gehen", sagte der Minister weiter. Das werde es aber nicht. Konkret kritisierte Spahn auch, dass etwa in Berlin noch Weihnachtsmärkte geöffnet seien. In der Hauptstadt sei beispielsweise die Charité-Klinik voll, zugleich gebe es dort Weihnachtsmärkte, bei denen es auch gesellig zugehe. "Das passt gerade einfach nicht in die Zeit". kritisierte der Minister. 

Wieler appelliert an die Politik

RKI-Präsident Lothar Wieler hat die Politik eindringlich aufgefordert, gegen die immer drastischer um sich greifende Corona-Welle Maßnahmen zur sofortigen Kontaktreduzierung zu beschließen. "Wir brauchen eine massive Reduktion der Kontakte – jetzt sofort", sagte der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI) am Freitag in Berlin.

"Ich erwarte jetzt von den Entscheidern, dass sie alle Maßnahmen einleiten, um gemeinsam die Fallzahlen herunterzubringen", sagte Wieler. "Der kommende Winter hängt von unserem Verhalten ab und von der Entscheidung der Verantwortungsträger, kontaktreduzierende Maßnahmen zu entlassen."

Wieler sagte: "Wir stehen an einer Kreuzung, wir haben eine Wahl. Wir können den Weg wählen, der ins Chaos führt und zu einem schlechten Ende." Der Tanker fahre dann gegen die Kaimauer. "Oder den, der das Gesundheitssystem entlastet und vielleicht ein friedliches Weihnachtsfest ermöglicht und auch noch viel mehr Menschen am Weihnachtstisch sitzen lässt."

Angesichts von mehr als 100.000 Toten insgesamt und derzeit täglich mehr als 70.000 Neuinfektionen fragte Wieler: "Was muss denn noch geschehen, damit wir davon überzeugt sind, dass wir alle verfügbaren Maßnahmen einleiten müssen, um diese vierte Welle zu brechen?"

Derzeit würden die noch freien Intensivbetten in den Kliniken dadurch erkauft, dass planbare Operationen verschoben oder ausgesetzt werden. "Wenn die Infektionen nicht endlich massiv gebremst werden, dann wird natürlich die Versorgung in ganz Deutschland eingeschränkt sein."

Virus-Variante aus Südafrika: "Sind in sehr großer Sorge"

Die in Südafrika festgestellte neue Corona-Variante B.1.1.529 ist nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) bisher noch nicht in Deutschland entdeckt worden. "Bis halb 10 ist mir nicht bekannt, dass in Europa oder in Deutschland diese Variante bislang gefunden wurde", sagte Lothar Wieler. 

Die in Südafrika auftretende Corona-Variante B.1.1.529 hat Mutationen an mehreren entscheidenden Stellen des Virus. "Das ist eine Variante, die sehr viele Mutationen trägt, insbesondere in diesem Spike-Protein", sagte Wieler. Das Spike-Protein ist der Teil des Virus, mit dem es an menschliche Zellen bindet. Gegen das Spike-Protein sind auch viele Impfstoffe gerichtet. Laut Wieler gibt es einige Mutationen an Stellen, an die neutralisierende und therapeutische Antikörper binden.

Zudem habe B.1.1.529 Mutationen in der Nähe der sogenannte Furin Cleavage Site, die eine Rolle bei der Aufnahme des Virus in menschliche Zellen spielt. "Das spricht dafür, dass es eine erhöhte Transmission sein könnte." Bei weiteren Mutationen sei noch nicht klar, was sie biologisch bedeuten. 

"Wir sind tatsächlich in sehr großer Sorge", sagte Wieler. Es müsse noch untersucht werden, ob die steigenden Fallzahlen in Südafrika wirklich mit diesem Virustyp zusammenhängen. "Das kann man einfach natürlich so schnell noch nicht beantworten", sagte Wieler. Er hoffe sehr, dass die Ausbreitung der Variante stringent durch Reisebeschränkungen begrenzt werde. In Deutschland und Europa ist die Variante laut Wieler bislang nicht nachgewiesen.

Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betonte, Ziel müsse es sein, den Eintrag dieser Variante so weit wie möglich zu vermeiden. "Das ist das Letzte, was wir jetzt in unserer momentanen Lage noch brauchen können, dass in die Welle hinein noch eine zusätzliche Variante kommt." Spahn rief alle Menschen, die in den vergangenen Tagen aus Südafrika nach Deutschland gekommen sind, dazu auf, sich mit einem PCR-Test auf das Virus testen zu lassen.

rw DPA AFP

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