Weltgesundheitsgipfel in Berlin "Wir haben zu wenig Amtsärzte für die Flüchtlinge"

An diesem Wochenende beginnt in Berlin der Weltgesundheitsgipfel. Der stern hat mit dem Gipfel-Präsidenten Detlev Ganten über ein zentrales Thema der Debatten gesprochen: die medizinische Versorgung von Flüchtlingen.

Herr Professor Ganten, Sie richten ab diesem Wochenende den Weltgesundheitsgipfel in Berlin aus. Experten aus 80 Ländern werden über die großen Fragen der Gesundheit debattieren. Wie können diskutierende Wissenschaftler dabei helfen, akute Probleme zu lösen? 

Unter den 1400 Teilnehmern sind nicht nur Ärzte, sondern Spezialisten aus verschiedenen Bereichen der Wissenschaft sowie führende Persönlichkeiten aus der Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Für die Verbesserung der Weltgesundheit wollen wir die ganze Breite der Gesellschaft nutzen – das ist einmalig. Aber es stimmt schon: Trotz rasanter Fortschritte in der Wissenschaft kommen die Erkenntnisse nicht in der Geschwindigkeit dort an, wo sie gebraucht werden. 

 Im Herbst und Winter könnten hierzulande erneut die Masern in den Unterkünften ausbrechen – wegen fehlender Impfungen. Und die Wartezeit für  Flüchtlinge zu einer Tuberkuloseuntersuchung beträgt derzeit drei Monate. Taugt das deutsche Gesundheitssystem als Vorbild?

Wie auch der VW-Skandal zeigt: Die Leute haben ein Bild von Deutschland, das wir nicht wirklich ausfüllen. Made in Germany ist nicht fehlerfrei, nicht immer nur qualitätsbewusst und vorausschauend. Der öffentliche Gesundheitsdienst ist in den vergangenen Jahren in sträflicher ­Weise zurückgefahren worden. Das heißt: Wir haben zu wenig Ärzte in den Gesundheitsämtern, die impfen oder Tuberku­loseuntersuchungen machen könnten. 
Es gibt viele, die waren gar nicht traurig, dass der öffentliche Gesundheitsdienst so zurückgefahren wurde. Nach dem Motto: Das sind doch solche Beamtentypen, was machen die eigentlich den ganzen Tag? Jetzt fehlen uns genau diese gut ausgebildeten Amtsärzte. 

Kommen mit den vielen Flüchtlingen aus aller Welt neue Krankheiten zu uns?

Die Krankheiten, mit denen wir rechnen müssen, sind nicht neu. Aber die Häufigkeit in den Lagern ist auch durch das enge Zusammenleben eine andere als in der Durchschnittsbevölkerung. Es handelt sich also nicht um ein neues Risiko, aber es kommt ein Faktor für besondere Anfälligkeiten durch die Form der Unterbringung hinzu. Daher ist schon eine besondere Sorgfalt bei der ärztlichen Betreuung notwendig. Neue Gefahren werden dadurch für die deutsche Bevölkerung nicht hervorgerufen. Tuberkulose ist bei uns weitgehend verdrängt und Poliomyelitis, also Kinderlähmung, durch Impfung besiegt. Jetzt kommen diese alten Krankheiten wieder zu uns, aber wir haben vorbereitete Ärzte und Therapien.

Das komplette Interview mit Prof. Dr. Detlev Ganten und noch mehr zum Weltgesundheitsgipfel lesen Sie im aktuellen stern.

Mehr zum Thema im stern Nr. 42/2015:

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