Es ist viel geschrieben worden über die WM, aber ein Aspekt wurde bisher sträflich vernachlässigt: die WM als Gesundheitsrisiko. Und damit meine ich nicht Per Mertesackers Schleimbeutelentzündung und das blaue Auge vom Philipp Lahm. Nein, ich rede von uns - den Fans.
Für mich gehen nun endlich vier Wochen Bier-Chips-und-Bratwurst-Diät zu Ende. Denn auch wenn die Idee hübsch klingt, beim Endspiel Bruschetta mit italienischem Grillgemüse zu servieren und dazu eine Auswahl französischer Weichkäse zu reichen - ganz ehrlich, in Momenten größter Anspannung braucht der Fanmagen vor allem dreierlei: Salz, Fett und Alkohol.
"Die Wurst regierte in den Stadien"
90 quälende Minuten lang habe ich beim Polen-Spiel Tortilla-Chips in mich hineingestopft, bis Oliver Neuville mich aus meiner Nervosität erlöste. Die Erleichterung über das späte Tor wurde mit Halbliter-Flaschen Jever begossen, der Kater am Morgen danach mit reichlich Cola niedergekämpft. Beim Schweden-Spiel kam es sogar noch schlimmer: Jedes Mal, wenn Bela Réthy "Podolski" sagte, musste ich einen Erdbeerlimes trinken. Es war ein gutes Spiel für Lukas Podolski - und eine verheerende Nacht für mich.
Statistiken beweisen, dass ich nicht die einzige bin, die bei der WM gesündigt hat: Die deutschen Brauereien melden ein deutliches Absatzplus für den WM-Monat, viele mussten Sonderschichten einlegen, um den Bierdurst der Deutschen zu stillen. Allein beim Eröffnungsspiel verkaufte der Pizza-Service Joeys 27.000 Pizzen. Und der Stadion-Caterer Aramark vermeldet stolz: "Die Wurst regierte in den Stadien."
Wie viele Pfunde die Deutschen auf diese Weise zugelegt haben, ist statistisch nicht erfasst. Und auch ich kann keine entlarvenden Selbstauskünfte geben, weil ich mich vor der WM nicht auf die Waage gestellt habe. Ich bin mir aber sicher, dass meine schwarze Lieblingshose jetzt ein bisschen enger sitzt als noch vor einem Monat.
Argentinien ließ mich fünf Jahre altern
Nicht nur die Fast-Food-Attacke hat meiner Gesundheit zugesetzt. Ich habe mich heiser gegröhlt mit "54, 74, 90, 2006" und mit "Ich liebe deutsche Land", habe beim Ecuador-Spiel in der Nachmittagshitze einen Sonnenbrand riskiert und bin beim Elfmeterschießen gegen Argentinien durch Herzklopfen, Luft-Anhalten und Jubeln um mindestens fünf Jahre gealtert.
Dass Elfer die Gesundheit ruinieren können, ist übrigens sogar wissenschaftlich erwiesen: Direkt nachdem die englische Fußball-Nationalmannschaft 1998 im Elfmeterschießen gegen Argentinien verloren hatte, stieg die Zahl der Herzinfarkte um 25 Prozent an. Auch dieses Mal schieden die Engländer im Elfmeterschießen aus - und brachten Millionen englischer Fußballfans in Herzattackengefahr.
Salat statt Pizza
Nun, nach der WM, wird alles anders. Die abendlichen Joggingtermine an der Alster kollidieren nicht mehr mit WM-Spielen. Statt Elfmeter-Nervenkitzel ist im Fernsehen wieder die übliche Dokusoap-Arztserien-Romantikkomödien-Langeweile eingekehrt. Und statt Pizza essen wir jetzt Salat - allein schon, um die Italiener zu bestrafen.