Dass sich eine regelmäßige Yoga-Praxis positiv auf die körperliche und geistige Gesundheit auswirkt, haben mittlerweile etliche Studien bestätigt. Die Yogatherapie geht noch einen Schritt weiter und nutzt die heilende Wirkung des Yoga zur Behandlung von konkreten Beschwerden. Dabei treten die bekannten Haltungen wie der herabschauende Hund oder der Krieger in den Hintergrund.
Vielmehr geht es darum, die neuesten Erkenntnisse der modernen Bewegungstherapie in eine individuelle Yoga-Praxis einzubetten. "Der therapeutische Aspekt ist schon seit dem Mittelalter im Yoga verankert", erläutert Ronald Steiner, Arzt, Sportmediziner und Yogalehrer, der selbst Yogatherapie anbietet. Schon damals hätten die Yoga-Praktizierenden Techniken aus unterschiedlichen Heilkünsten genutzt, um den Körper gesund zu halten.
Bis heute ist die Kombination aus dem alten Erfahrungswissen und aktueller Bewegungswissenschaft charakteristisch für die Yogatherapie. Der Yogaunterricht in der Gruppe könne auch einen heilsamen Effekt auf die Schüler haben. Aber wenn es um eine spezielle Beschwerde geht, brauche es eine Einzelstunde mit dem Yogaschüler. Nur dann könne der Lehrer sich konzentriert der individuellen Fragestellung widmen.
Yogatherapie beginnt mit der Untersuchung
Therapie meint "ein gezieltes Handeln bei einer vorher diagnostizierten Erkrankung", erläutert Ronald Steiner. Deshalb steht am Anfang einer Einzelstunde die Diagnose. "Ich beginne mit der Anamnese, untersuche meinen Patienten also ausführlich", erklärt der Mediziner. Bringt der Yogaschüler ärztliche Befunde, wie Röntgenbilder oder Aufnahmen aus dem MRT mit, überprüft er, ob die Beschwerden des Patienten tatsächlich mit der bereits gestellten Diagnose übereinstimmen. "Dann entwickeln wir zusammen eine vollumfängliche Therapie: Spezielle Übungen für spezielle Beschwerden im Rahmen einer ganzheitlichen Yogapraxis", sagt der Yogalehrer. Eine Behandlung, die an die Bedürfnisse des einzelnen Patienten angepasst ist.

Die "maximale Ganzheitlichkeit", wie Ronald Steiner es im Gespräch mit dem stern bezeichnet, ist einer der drei Säulen, auf denen die Yogatherapie basiert. Egal, wie kleinteilig das Problem auch sein mag, der Therapeut bezieht den ganzen Körper mit ein. "Aber auch die Psyche und den Geist", fügt der Experte hinzu. Yogatherapie umfasse daher auch Entspannung, Meditation und Atemübungen. "Denn heute wissen wir, dass Körper und Geist miteinander vernetzt sind und auch, dass der Körper untereinander vernetzt ist", sagt der Mediziner. Körperliche Beschwerden können sich in der Psyche manifestieren und umgekehrt.
Patient ist für sich selbst verantwortlich
In den wenigsten Fällen seien es die klassischen Yoga-Haltungen, die dem Patienten Nutzen bringen. Zwar können diese auch Bestandteil der Therapie sein, aber Ronald Steiner konzentriert sich auf Übungen, "die die Lücken im Bewegungsspektrum füllen". Dabei bedient er sich "allem, was an Bewegungstherapie heute möglich ist". Die Bewegungsabläufe, die der Yogalehrer seinen Patienten lehrt, sind oft ähnlich zu Übungen aus der Physiotherapie. Mit dem Unterschied, dass sie in den Kontext des Yoga eingebettet sind. "Wir tauchen in einen meditativen Zustand ein, konzentrieren uns ganz auf die Praxis, integrieren einen Sonnengruß oder eine Atemtechnik oder Entspannungsübung, was in der Physiotherapie eher ungewöhnlich sein würde", erläutert er.
Außerdem verbleibe der Patient in der Physiotherapie oft in einer passiven Rolle. Die Yogatherapie hingegen verfolgt einen aktiveren Ansatz. Der Impuls sollte von Anfang an vom Patienten ausgehen und der Therapeut eine unterstützende statt eine heilende Funktion erfüllen. Der Therapeut sei eher ein Lehrer "der hilft, den eigenen Körper zu verstehen und Übungen für den eigenen Körper zu entwickeln", sagt Ronald Steiner. Die erlernten Techniken sollte der Patient selbstständig ausführen können. Die Eigenverantwortung des Yogaschülers ist die zweite Säule der Yogatherapie. Nur bei einer regelmäßigen, selbstständigen Praxis könne sich die Wirkung der Übungen entfalten. "Studien zeigen außerdem, dass Leute, die mehr über ihre Beschwerden wissen und eigenständig tätig werden können, bessere Heilungschancen haben", merkt der Yogalehrer an.
Der Fokus liegt auf dem Gesunden
Der dritte Aspekt der Yogatherapie ist der Fokus auf das Gesunde. "Wir fördern das, was der Körper kann und arbeiten für das Gesunde statt gegen das Kranke", sagt Ronald Steiner. Mit der ganzheitlichen Yogapraxis soll das gesunde Zusammenspiel des Körpers verbessert und die Selbstheilungskräfte des Menschen aktiviert werden.

Bei Schmerzen in der Schulter würde der Mediziner beispielsweise Übungen integrieren, die das gesunde Gleiten der Gelenke unterstützen. "Von diesen Übungen kann jeder Mensch profitieren, unabhängig davon, ob er dort Schmerzen verspürt oder nicht, da wir einfach die gesunden Körperfunktionen trainieren", erläutert der Yogalehrer. Somit wirke die Yogatherapie auch präventiv. Außerdem sei dieser Ansatz im Unterscheid zu anderen Behandlungsmethoden sehr leicht und gefahrenlos. "In der Medizin konzentriert man sich auf das Kranke, dafür braucht es eine viel genauere Diagnose", sagt der Experte.
Yogatherapeuten benötigen Approbation
Nicht jeder Yogalehrer darf Yogatherapie unterrichten. Um als Therapeut wirken zu dürfen, ist aus rechtlicher Sicht eine Approbation notwendig. "Das sind Ärzte, Heilpraktiker oder Menschen, die im direkten Auftrag eines Arztes handeln", zählt der Mediziner auf. Nur diesen Personen ist es rechtlich erlaubt, Therapie anzubieten und ein Heilversprechen auszusprechen. "Sobald das allgemeine Level überschritten wird und es um speziellere Erkrankungen geht, ist eine Approbation notwendig", erklärt Ronald Steiner. Als Sportmediziner ist er auf den menschlichen Körper spezialisiert. Die häufigsten Beschwerden, die der Arzt mittels Yogatherapie behandelt, sind Schmerzen an Gelenken, insbesondere am Rücken, den Knien, der Hüfte und den Schultern.
Mit Yoga zu mehr Stärke und Kraft: Wetten, dass dich diese Übungen ins Schwitzen bringen?

Stehe aufrecht mit den Füßen hüftbreit auseinander, atme ein, während du die Hände vor dem Herzen zusammen nimmst. Spanne deine Körpermitte an und rolle die Schultern nach hinten. Atme ruhig und kontrolliert wieder aus. Diese Übung dient dem innerlichen Sammeln. Bereite dich innerlich auf deine Yoga-Session vor, komm erstmal auf deiner Matte an. Spüren und Wahrnehmen sind angesagt – jetzt ist nichts anderes wichtig als du und diese Zeit für dich.
Doch Yogatherapie sei nicht ausschließlich auf körperliche Leiden begrenzt. Auch bei mentalen Problemen könne der Therapieansatz wertvolle Unterstützung leisten. Ziel sei es immer, eine ganzheitliche Balance und Gesundheit zu finden. "Das kann sich sowohl auf den Körper als auch auf den Geist beziehen", sagt der Experte. Und durch die Ganzheitlichkeit der Yogapraxis würden ohnehin beide Komponenten in die Behandlung mit einbezogen. Im Bestfall finden Körper und Geist zueinander und arbeiten in harmonischer Balance.