Trotz seiner Jahrtausende alten Tradition sind die Yoga-Stile, die heute im Westen populär sind und meist aus einer Reihe fordernder Körperhaltungen bestehen, relativ neu. "Asana" bedeutet wörtlich übersetzt "Sitz" und bezog sich ursprünglich auf die meditativen Sitzhaltungen, aus denen Yoga anfangs bestand. Erst im Laufe der Zeit entwickelte man intensivere Körperübungen, die zu einer fließenden Abfolge verbunden wurden.
Der indische Yoga-Guru Trumulai Krishnamacharya war der Erste, der vor etwa 120 Jahren "all die Asanas, die wir heute so markant für Yoga kennen" in die Praxis integrierte, sagt Sportmediziner und Yoga-Lehrer Ronald Steiner. Heute kann man eine Asana definieren als eine Haltung oder Position, die zu mehr Körperbeherrschung verhilft und die körperliche Gesundheit verbessert: Die Asanas stärken Kraft und Ausdauer, dehnen Muskeln und Gelenke. Darüber hinaus sollen sie die Durchblutung verbessern und dabei die inneren Organe reinigen.
Natur und indische Mythologie als Grundlage für Yoga-Posen
Die zentralen Schriften, auf denen die Yoga-Lehre basiert, zählen 84 ursprüngliche Asanas auf. Die Posen gehen einerseits aus der Natur hervor: Die indischen Yoga-Gurus sollen über die Jahre hinweg Tiere und Pflanzen studiert und daraus Körperhaltungen abgeleitet haben, was sich in den Namen der Posen niederschlägt. Der Schmetterling, der Pfau oder die Heuschrecke sind nur einige Beispiele. Andererseits entstammen die Körperhaltungen der indischen Mythologie.
Denn "der Grundstein der indischen Tradition findet sich im indischen Mythos", schreibt Raj Balkaran, Sanskrit-Wissenschaftler und Dozent am Oxford Centre for Hindu Studies. Auch heute noch sei die indische Kultur – Gedankengut, Kunst, Gesang, Tanz und Rituale – untrennbar mit ihren mythologischen Wurzeln verbunden. Den Kosmos der indischen Mythologie beschreibt der Experte als einen "Raum heiliger Orte, mehrere Reiche und zyklischer Zeit, in dem das Universum in einem unendlichen Kreislauf immer wieder erschaffen und zerstört wird". Unter anderem bevölkern Könige, Gottheiten, Gelehrte und Nymphen diese Orte. Alle Erzählungen, die manche als Teil der Geschichte und andere wiederum als pure Fantasie ansehen, erfüllen laut Raj Balkaran eine bedeutungsstiftende Funktion. Sie bieten einen Einblick in die Werte und Überzeugungen, die die indische Kultur charakterisieren und transportieren "tiefsinnige Lebensweisheiten aus dem alten Indien".

Diese philosophischen Wahrheiten und ihre Lehren beleuchtet der Sanskrit-Wissenschaftler in seinem Buch "The Stories behind the Poses". In dem Bildband stellt der Autor 50 Yoga-Posen vor und erzählt jeweils die zugrunde liegende Geschichte aus der indischen Mythologie. Das Buch mit seinen kunstvollen Illustrationen ist keine Anleitung für die körperliche Yoga-Praxis, sondern ist zur spirituellen Erweiterung der Praxis und als Anstoß zur Selbstreflexion gedacht.
Die mythischen Geschichten zeigen, dass mehr als nur der körperliche Aspekt in den Asanas steckt. Die Yoga-Haltungen fordern neben der Anstrengung des Körpers auch die Konzentration des Geistes, um die Bewegungen mit dem Atem in Einklang zu bringen. Die Einheit von Atem, Bewegung und Energie soll den Yoga-Praktizierenden – so der ursprüngliche Zweck der Asanas – dabei unterstützen, das höchste Ziel der indischen Lehre zu erreichen, den Zustand höchster Erkenntnis.
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Denn erst durch eine regelmäßige Asana-Praxis könne der Übende die körperliche Freiheit erlangen, um für längere Zeit mit erweitertem Bewusstsein in einem meditativen Sitz zu verweilen. In diesem Bewusstsein sollen Raj Balkaran die indischen Mythen wirken: "Diese Geschichten sollen in deinem Herzen erlebt und gelebt und werden, damit du ihre Weisheiten verkörpern kannst", schließt der Wissenschaftler sein Vorwort, bevor er den Leser mitnimmt auf eine bunte Reise durch die indische Mythologie.