Die Unendlichkeitshaltung (Anantasana): Visnus unendliche Couch
Gott Visnu, der Erhalter der Welt, der auf der Erde für das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse sorgt, ruht zwischen den Zyklen der Schöpfung auf seiner Schlangen-Couch über dem unendlichen Urozean. Aus dieser Unendlichkeit erschafft Gott Brahma die Welt immer wieder von Neuem und in diese Unendlichkeit löst Gott Siva die Welt immer wieder auf. Darüber liegt Visnu auf seiner Schlangen-Liege, die – genau wie das Universum – weder Anfang noch Ende kennt und deshalb Ananta, der Unendliche, genannt wird. Bevor Ananta zu Visnus Liege wurde, war er eines der Kinder von Kadru, der Mutter aller Schlangen, die in stetiger Rivalität mit der Mutter aller Vögel, Vinata, lebte. Kadru wollte ihre Feindin in eine List locken, doch Ananta weigerte sich, an dem Hinterhalt mitzuwirken. Kadru verfluchte ihr Kind, er solle im Feuer umkommen. Doch Vishnu rettete Ananta und belohnte seine Tugend, indem er die Schlange zu seinem ewigen Gefährten auserkor. Obwohl Schlangen und Vögel natürliche Feinde sind, wählte Vishnu neben Ananta den Adler Garuda als seinen zweiten Gefährten aus. Garuda, selbstbewusst und angriffslustig, ist Visnus Reittier in der Luft, und Ananta sein unterstützender Ruhepol, wenn er sich auf dem kosmischen Ozean zurücklehnt. Die Tiere symbolisieren die Gegensätzlichkeit des Gottes: Visnu ist einerseits mitfühlend und hilfsbereit, andererseits aber auch kraftvoll und kampfbereit. Die Unendlichkeitshaltung im Yoga ist eine entspannende Haltung, die dennoch Konzentration und vor allem Balance fordert. Der Übende muss sein Gleichgewicht und – wie Visnu auf dem kosmischen Ozean – Ruhe und Unterstützung finden.
© Devika Menon