Jedes Jahr kürt die Gesellschaft für deutsche Sprache das Wort des Jahres. 2022 ist die Wahl auf "Zeitenwende" gefallen – einen Ausdruck, den Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine prägte. "Die deutsche Wirtschafts- und Energiepolitik musste sich völlig neu ausrichten", erklärte die Gesellschaft für deutsche Sprache und erkannte auch eine "emotionale Wende" bei vielen Menschen – aus "Angst und Sorge vor einem Atomkrieg in Europa, gar vor einem Dritten Weltkrieg".
Doch nicht nur in Deutschland wird ein Wort des Jahres ausgewählt, auch in vielen anderen Ländern ist dies Tradition. In manchen Ländern küren sogar verschiedene Institutionen ihr eigenes Wort des Jahres. Die Ausdrücke vermitteln einen Eindruck davon, welches Lebensgefühl in den jeweiligen Sprachräumen in dem Jahr vorherrschte.
"Goblin Mode" setzt sich in britischer Publikumswahl durch
In Großbritannien verkünden die Herausgeber der beiden bekannten Wörterbücher Oxford English Dictionary und Collins English Dictionary jährlich ein Wort, das sie für besonders prägend halten. Der Verlag Oxford University Press ließ 2022 erstmals Internetuser abstimmen, die meisten Stimmen bekam der Ausdruck Goblin Mode, was auf Deutsch so viel wie "Kobold-Modus" bedeutet. Damit wird laut dem Verlag ein Verhalten beschrieben, "das kompromisslos selbstgefällig, faul, schlampig oder gierig ist, typischerweise in einer Weise, die soziale Normen oder Erwartungen ablehnt". Insbesondere Kleidungsvorschriften oder soziale Interaktionen werden abgelehnt.
Die Wahl von Collins fiel auf den Begriff permacrisis, der das Krisenjahr 2022 beschreibt: Klimakrise, Ukraine-Krieg, Inflation und Corona-Pandemie forderten die Gesellschaft gleichzeitig heraus. In England kamen zudem noch Regierungswechsel und die Nachwirkungen des Brexit hinzu.
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"Inflation" steht hoch im Kurs
In den USA kürte der Merriam-Webster-Verlag den Begriff Gaslighting zum Wort des Jahres – eine Form der Manipulation und des emotionalen Missbrauchs. Dabei wird versucht, einen anderen Menschen gezielt zu verunsichern, indem man dessen Wahrnehmung in Frage stellt. Laut des Verlags sind die Suchanfragen dafür in diesem Jahr um 1740 Prozent gestiegen.
In anderen Ländern war die Wahl zum Wort des Jahres – wie in Deutschland auch – näher an die gesellschaftspolitischen Ereignisse angelehnt. So schaffte es in Österreich das Wort Inflation ganz nach oben. "Die Preissteigerungen von zehn Prozent und mehr sind für die meisten Menschen ein neues und ungewohntes Phänomen, das durch die hohen Energiepreise und den Ukraine-Krieg verursacht wird und den Lebensstandard vieler Menschen massiv senkt", erklärte die Jury. Dazu passte auch das Unwort des Jahres: Energiekrise. Auch in Bulgarien wurde "Inflation" zum Wort des Jahres gekürt.
"Im Moment ist das Geld so knapp, wie ich es noch nie erlebt habe. Die Inflation frisst die Kinder auf"

Vier Wörter des Jahres in der Schweiz
In der multilingualen Schweiz gibt es gleich vier Gewinner. Im deutschsprachigen Raum machte Strommangellage das Rennen. Damit wird die Versorgungsunsicherheit beschrieben. Auch hier zeigen sich die Folgen des Ukraine-Kriegs, in anderen deutschsprachigen Ländern ist das Wort aber nicht geläufig. Daran anschließend wurde für die italienische Schweiz penuria zum Wort des Jahres gewählt, im Rätoromanischen mancanza. Beides bedeutet ins Deutsche übersetzt "Mangel".
Im französischsprachigen Teil des Landes stand boycotter ("boykottieren") ganz oben, besonders wegen der Diskussionen um die Olympischen Spiele in Peking und der Fußball-WM in Katar.

In Japan geht es um Baseball
Um Strom und Energie ging es auch in Südafrika. Dort setzte sich der Begriff Load shedding durch. Dies bezieht sich auf die planmäßige Abschaltung des Stroms für einige Stunden am Tag, um eine Überlastung des Netzes zu verhindern. In Südafrika waren solche Ausfälle in diesem Jahr nahezu an der Tagesordnung.
Viel unbeschwerter ging es hingegen in Japan zu. Dort wurde der Ausdruck Murakami-sama prämiert, laut der Sprachlern-App Duolingo bedeutet das übersetzt etwa "Gott Murakami". So wird der Baseballspieler Murakami Munetaka von Fans bezeichnet, seit er in diesem Jahr den bestehenden Homerun-Rekord geknackt hat.
Quellen: Gesellschaft für deutsche Sprache / Oxford University Press / Collins / SRF