Im Falle des Unglücks des Kreuzfahrtschiffes "Costa Concordia" hat der Spruch vom Leben, das zuweilen seltsamer ist als dessen Fiktion eine gespenstische Seite.
Während Rettungskräfte im Wrack vor der toskanischen Küste weiterhin nach Vermissten suchen und Experten eine Umweltkatastrophe zu verhindern versuchen, kommt dieses Schiff, dessen Bild derzeit die Nachrichten beherrscht, vielen Filmkennern bekannt vor. Das liegt daran, dass es vor zwei Jahren in Jean-Luc Godards umstrittenem "Film Socialisme" eine tragende Rolle gespielt hat.
Symbol für die kapitalistische Gesellschaft
Der erste Part des dreigeteilten meditativen Streifens, der beim Filmfest in Cannes 2010 Premiere feierte, spielt auf der "Costa Concordia", die im Mittelmeer kreuzt. An Deck, auf diesen Planken, die nun immer wieder halb im Wasser zu sehen sind, im luxuriösen Interieur, hat Kultregisseur Godard die Wege unterschiedlicher Figuren zusammengeführt: ein Kriegsverbrecher, ein ehemaliger UN-Mitarbeiter, ein Philosoph, eine Sängerin, ein Kind. Verschiedene Berufe, verschiedenes Alter, verschiedene Nationalitäten, verschiedene Leben kommen auf diesem Riesenschiff zusammen, das für Godard das Symbol der dem Untergang geweihten kapitalistischen Gesellschaft zu sein schien. Dessen Dekadenz für die übersättigte, indifferente, globalisierte Gesellschaft stand.
Der Film, der sein Publikum mehr mit Bildern bewarf als diese zu erklären, polarisierte. Godard-Fans sprachen von einem Meisterwerk, andere verrissen ihn als unerträglichen Egotrip eines Altmeisters. Doch eines ist sicher, dass die "Costa Concordia" tatsächlich untergehen könnte, hat wohl niemand erwartet. Nicht einmal Godard.