Es ist nur gerecht, dass er ihn gleich beim ersten Anlauf bekommen hat, für seine Rolle als Idi Anim, Diktator von Uganda, in "Der letzte König von Schottland" (ab 15. März in den deutschen Kinos). Seit zweieinhalb Dekaden liefert Forest Whitaker regelmäßig beeindruckende Vorstellungen ab, und nicht einmal wurde der heute 45-jährige Texaner in seiner Karriere für einen Oscar nominiert. Die begann Mitte der Achtziger, nachdem er sich an der Uni für die Schauspielerei und gegen die Oper - mit seiner Tenorstimme besaß er das Potenzial - entschieden hatte.
Nach Nebenrollen in "Die Farbe des Geldes" (1986) und "Good Morning, Vietnam" (1987) fiel der sanfte Riese mit dem markanten Hängelid erstmals groß auf als Jazzer Charlie Parker in "Bird" (1988), wofür er in Cannes den Darstellerpreis gewann. In knapp 70 Filmen, etwa dem IRA-Drama "The Crying Game" (1992) und der faszinierenden Killer-Studie "Ghost Dog - Der Weg des Samurai" (1999), erspielte sich der dreifache Vater den Ruf eines führenden Charakterdarstellers des US-Kinos. Fünfmal führte Whitaker auch selbst Regie, er inszenierte unter anderem das Drama "Eine zweite Chance" (1998) mit Sandra Bullock.
Mr Whitaker, erst mal herzlichen Glückwunsch zum Oscar.
Vielen Dank.
Und zu Ihrer schönen Rede. Vor einigen Wochen bei den Golden Globes hatten Sie ja noch einige Probleme, die richtigen Worte zu finden.
Ja, weil ich so überwältigt und überrascht war. Diesmal habe ich mich für alle Fälle am Abend vorher hingesetzt und etwas vorbereitet in der Hoffnung, kein unzusammenhängendes Zeug daherzureden, überheblich zu klingen oder die Leute zu langweilen.
Schon erstaunlich, dass Sie erst nach über 25 Jahren eine Oscar-Nominierung erhalten haben. Fühlten Sie sich manchmal unterschätzt?
Nein. Wie kann ich mich unterschätzt fühlen, wo ich so viele tolle Rollen gespielt und mit einigen der weltbesten Regisseure wie Martin Scorsese, Clint Eastwood oder Robert Altman gearbeitet habe? Ich habe die letzten 27 Jahre konstant gearbeitet, was sehr ungewöhnlich ist. Ich bin glücklich.
Sie sind bekannt für Ihre intensiven Rollenvorbereitungen. Für ihren Part als Idi Amin sollen sie sich noch mehr als sonst reingehängt haben.
Ja, das Ganze hatte schon Monate vorher in Los Angeles begonnen, wo ich Kisuaheli und Akkordeon lernte. Ich wollte den Dialekt so gut können, dass ich authentisch klinge. Erst dann konnte ich improvisieren. Außerdem legte ich Gewicht zu und ließ mir die Haut dunkler färben. Amin stammte aus dem sudanesischen Teil Ugandas, wo die Menschen bläulichere Haut haben.
Sie haben auch dreieinhalb Monate in Uganda verbracht und mit Verwandten und Opfern gesprochen.
Ich wollte Uganda verstehen, indem ich mir sein tiefstes Inneres ansehe. Also traf ich die Armen im Dschungel, die Reichen in Kampala, die Menschen auf den Plantagen. Ihre unterschiedlichen Geschichten habe ich verarbeitet, um zu dem Geist der Figur Amin vorzudringen und sie zum Leben zu erwecken.
Sie haben unter anderen Amins Bruder getroffen. Wie schwer war es, sein Vertrauen zu gewinnen?
Ziemlich schwer. Geholfen hat ein Brief vom Büro des Präsidenten, das dem Ganzen etwas Offizielles gab. Er fürchtete Ärger, dass unser Auftauchen das Interesse wieder auf seine Person lenken könnte, denn er hatte schon mal ins Exil gehen müssen.
War Idi Amin ein guter Schauspieler?
Er war definitiv ein Showman. Er verführte die Presse, sein Land, die ganze Welt. Ich habe mich zum Beispiel mit Jon Snow unterhalten, einem sehr renommierten britischen Journalisten, der Amin mehrmals interviewt hat. Snow erzählte mir, wie charmant und humorvoll Amin war und dass er darüber die monströsen Dinge ausgeblendet hat. Snow war ihm in die Falle gegangen.
War es schwieriger als sonst, diese Rolle hinter sich zu lassen?
Nein, dafür ist sie zu unsubtil, zu überlebensgroß. Schwerer ist das bei Figuren, die neurotisch, ängstlich, eher durchschnittlich sind, weil man in ihnen mehr von sich selbst findet. Meine Frau ermahnt mich dann immer und sagt: Forest, kannst du dich nicht endlich wieder normal benehmen?
Haben Sie bei dieser Reise in die Düsternis auch eigene, bisher unbekannte Abgründe entdeckt?
Nein. Viele Leute meinen, ich wäre ein Method Actor, aber so arbeite ich nicht. Dass ich versuche, mich für das Spielen einer bestimmten Szene an ein Gefühl zu erinnern, das ich in meiner Kindheit hatte, oder so ähnlich. Ich habe meine eigene Methode. Ich gehe in mich, und da sind Räume mit unterschiedlichen Emotionen, hinter jeder Tür eine. Und die öffne ich bei Bedarf und setzte den Raum in Brand. Der Regisseur Jim Jarmusch sagte einmal: Imagination ist meine Religion. Da hat er recht.
Stimmt es, dass Sie vor und während der Dreharbeiten Ihre Figuren malen?
Ja, mal abstrakt, mal realistisch. 1988 fing ich damit an, als ich Charlie Parker in "Bird" spielte. Das hilft mir, eine Verbindung zu der jeweiligen Figur herzustellen, mir ihr Verhalten, ihre Emotionen, ihre Gesichtsausdrücke vorzustellen.
Haben Sie die alle aufbewahrt?
Ja, das ist ein schönes Erinnerungsalbum an meine Karriere.
"Der letzte König von Schottland" ist der jüngste einer ganzen Reihe von Filmen wie "Hotel Ruanda" oder "Blood Diamond", die sich mit Afrika beschäftigen. Wie erklären Sie sich dieses plötzliche Interesse?
Wir leben in Zeiten, in denen die Leute sich wieder auf die fundamentalen Dinge zurückbesinnen. Afrika ist da als Wiege der Menschheit unbewusst die Quelle. Dieser Kontinent ist der meistkolonialisierte Platz auf dem Planeten und steht symbolisch dafür, wie der Westen, speziell die USA, noch immer anderen sagen wollen, was sie zu tun und wie sie zu leben haben.
Wissen Sie denn schon, wo Sie Ihren Oscar hinstellen werden?
Ja, in ein Regal am Ende einer Treppe, die ins Wohnzimmer führt. Dann können meine Frau und meine Kinder ihn immer sehen, wenn sie hinuntergehen.