Dem Interesse an der Neuauflage des traurigen Strindberg-Klassikers um Begierde, Liebe, Hass und Absturz im Geschlechterkampf halfen Stockholmer Zeitungen kräftig mit dem Lockmittel Sex nach. Zwischen Maria Bonnevie (31) in der Titelrolle und ihrem Bühnenpartner Mikael Persbrandt (41) gehe es in der Inszenierung von Thommy Berggren (68) unglaublich heftig zu, wurde berichtet.
Boulevardzeitungen berichten: wegen wilder Streitereien wurden Proben abgebrochen
Beide Schauspieler gehören zu den populärsten im Lande, lieferten der Boulevardpresse - vermutlich unfreiwillig - Schlagzeilen über ihr bewegtes Liebesleben mit Trennung samt Wiedervereinigung. Proben hätten wegen wilder Streitereien auf der Bühne abgebrochen werden müssen. An einen Mangel an Sex-Appeal der Darsteller kann die Theaterleitung also nicht klagen. Die findet es allerdings "extrem ungewöhnlich", dass sämtliche Vorstellungen schon vor der Premiere ausverkauft waren. Schließlich gab es in den vergangenen hundert Jahren mindesten 4848 Strindberg-Aufführung im Nationaltheater. Allein Kult-Regisseur Ingmar Bergman (87) hat es vor zwanzig Jahren auf 167 Vorstellung von seiner Version der "Fröken Julie" gebracht.
Künstlich erzeugter Hype entspricht nicht ganz der Realität
Auf der Bühne ist es dann mit dem groß angekündigten Sex halb so wild. Vielleicht ist es ein ironisch gemeinter Kommentar zu, künstlich erzeugten "Hype": Julie macht Jean bei ihrem heftigen Werben um seine körperliche Gunst grinsend auf den offenen Hosenstall aufmerksam. "Oh" sagt Jean und knöpft ihn zu, um dann auch bei den grausamsten Dialogen über Julies Selbstmord immer mal wieder tastend zu prüfen, ob wenigstens an der Hose alles seine Ordnung hat.
Julie als emanzipierte Frau der Moderne
Hauptdarstellerin Marie Bonnevie spielt Julie als Mischung aus sexuell unmissverständlich herausfordernder, mitunter kalt berechnender, aber gleichzeitig auch total unschuldiger Verführerin. Sie hat selbst keine Ahnung, wo zwischen diesen Polen ihr eigentlicher Platz ist und wird daran zu Grunde gehen, wenn ihr Mikael Persbrandt - deutschen TV-Krimifans in der Rolle des Assistenten von Kommissar Beck kein Unbekannter - auf die Frage, was sie tun solle, das Rasiermesser für den Selbstmord reicht. Regisseur Berggren hat die Geschichte zwischen Julie, der Tochter eines Schlossherrn, und Jean, dem Diener, vom ausgehenden 19. Jahrhundert in die Neuzeit verlegt. Vielleicht wollte er sich damit den komplizierten Fronten des heutigen Geschlechterkampf mit finanziell unabhängigen Frauen annähern. Bonnevie sagte gegenüber der Tageszeitung "Dagens Nyheter": Die wichtigste Äußerung der Julie sei, dass sich selbst halb als Mann und halb als Frau bezeichne: "Sie ist sexuell, intelligent, nimmt sich was sie will und ist dabei auch ganz schön bitchy." Julie pendele beim Suchen nach sich selbst ständig durch verschiedene Zustände. "Deshalb ist es für mich unglaublich schwer, zu ihr durchzudringen."