"Nur ein Tag wie jeder andere: Frühstück mit Balenciaga. Vormittagskaffee mit Vivienne Westwood. Mittagessen mit Lacroix und de la Renta. Und zum Nachtisch - Karl Lagerfeld." So sieht der modische Alltag von Carrie Bradshaw aus, Hauptfigur des neuen "Sex and the City"-Films. In einem Film, in dem die Hauptdarstellerinnen derart schamlos von Marken schwärmen, wird garantiert kein Logo abgeklebt, wenn an einer Getränkedose genippt wird. Im Gegenteil. Der Film zur überaus erfolgreichen US-Serie ist eine einzige Werbesendung für Autos, Designerkleider, Schuhe, Wodka, Handys und Schmuck. Sex sells. Manch einer regt sich darüber auf. Zu Unrecht.
Es ist nichts Neues. Auch ein James Bond rast mit einem schnittigen BMW über die Leinwand und führt Konversationen, die für die Handlung des Filmes garantiert nicht nötig sind - "Schöne Uhr - Rolex? Nein, Omega" ("Casino Royale"). Der Science-Fiction-Thriller "Minority Report" mit Tom Cruise stellte 2002 einen Rekord in Sachen Produktwerbung auf. Die Produktionsfirma soll 25 Millionen Dollar für geschickt platzierte Produkte von Marken wie Pepsi, Bulgari oder Nokia bekommen haben.
Dabei geht "Sex and the City" ganz offensiv damit um, für Designer zu schwärmen: "Jahr für Jahr strömen Frauen um die 20 nach New York, um die beiden Ls zu suchen: Label und Liebe", sinniert Carrie Bradshaw zu Beginn des Films und stellt zugleich fest, um was es in der Produktion von Regisseur Michael Patrick King geht: die großen Ls. "Sex and the City" ist die wahrscheinlich teuerste Frauenzeitschrift der Welt. Wie schon die TV-Serie nimmt uns auch der Film mit in die erste Reihe der internationalen Fashion-Shows, mit auf eine Probefahrt mit dem neuen Mercedes, in die exklusivsten Hotels und Boutiquen der Welt.
Werbetechnisch der "Super Bowl" für Frauen
Kaum eine andere Fernsehserie war in den Jahren 1998 bis 2004 weltweit so erfolgreich bei Frauen wie "Sex and the City". Für Firmen die ideale Plattform, um an die Zielgruppe "Frau" heranzukommen. "Wir haben den Film von Beginn an als den Super Bowl für Frauen positioniert", so Chris Carlisle, Marketing-Chef des Filmproduzenten "New Line Cinema" gegenüber der "New York Times". Er unterstreicht damit, was Kristin Davis (spielt die Charlotte York) schon im stern.de-Interview sagte: "Männer haben Football - wir gehen Schuhe kaufen".
Über 300 Kostümwechsel gibt es in dem Film. Allein Sarah Jessica Parker schlüpft als Carrie Bradshaw in 81 verschiedene Kleider, die Kostümdesignerin und Mode-Ikone Patricia Field für sie zusammengestellt hat. Über den Film verteilt sind das zwei Outfits pro Minute, zwei Labels, zwei neue Trends für die Frauen dieser Welt. Wer es in diesen Film, also auf den lukrativsten Laufsteg der Welt, schafft, dem ist Umsatz garantiert. Denn was Carrie, Samantha, Charlotte und Miranda in der Serie wie im Film tragen, erscheint wenig später als "Must-Have" oder "It-Stück" in den internationalen Hochglanzzeitschriften. Manolo Blahnik ist das beste Beispiel. Vor "Sex and the City" kannte niemand den Fuß-feindlichen, spanischen Schuhdesigner, der für nahezu untragbar hohe Absätze verantwortlich zeichnet. Heute ist er reich und berühmt. Dank Carries Fetisch für luxuriöse Fesselriemchensandalen. Und so ist es den Luxusdesignern dieser Welt ganz egal, wie sie im Film präsentiert werden. Hauptsache, sie werden erwähnt. "Die Designer vertrauen uns blind. Sie brachten Klamotten zu Patricia Field, der Kostümdesignerin, und Sarah Jessica Parker - und die durften nach Belieben aussuchen", sagt Regisseur Michael Patrick King zu stern.de. "Teilweise kamen die Kollektionen direkt vom Runway, so dass wir mit gewissen Szenen warten mussten". Eine große Rolle spielt im Film eine Louis-Vuitton-Tasche aus der Herbstkollektion. 3400 Euro das Stück. Als sie in das Drehbuch geschrieben wurde, war die Tasche noch nicht einmal entworfen.
Carrie über Louis Vuitton: "Das Beste, was ich je für Geld gekauft habe"
Wer in diesen Tagen ins Kino geht, kann sich alle Modezeitschriften der Welt sparen. Carrie schlendert durch den Flagstore von Diane von Fürstenberg, scheint in Christian Dior ihren neuen Lieblings-Schuhdealer gefunden zu haben, schwärmt von einer Louis-Vuitton-Bag - "das Beste, was ich je für Geld gekauft habe" - und trägt ein Hochzeitskleid von Vivienne Westwood. Koexistenzen, die sich auszahlen. Wenn es um konkrete Zahlen zum Umsatzplus durch "Sex and the City" geht, halten sich die PR-Abteilungen der großen Designer bedeckt. Für sie ist es die perfekte Werbung - und die ist auch noch kostenlos.
"Es gibt kein Product Placement", versichert Regisseur Michael Patrick King gegenüber stern.de. "Niemand zahlt etwas". Im Film kommen vor: "Carolina Herrera, Chanel, Galliano, Lacroix, Gucci, Dior, Vivienne Westwood..." Vielleicht sollte er besser aufzählen, welcher Designer nicht dabei ist, das ginge schneller? "Das geht nicht, everybody's in!", sagt Michael Patrick King und lacht. Der Regisseur hat sich beim Schreiben des Drehbuchs völlig frei von Labels gemacht. Die wurden erst später eingefügt. "Wenn ich schreibe: 'Charlotte packt Pudding in ihre Prada', dann hat das nichts mit dem Label zu tun. Pudding - Prada. Das klingt einfach schön."
Lediglich Sponsor Mercedes-Benz soll dafür zahlt haben, um in dem Film vorzukommen. Seitdem ist nicht nur Mr. Big auf eine S-Klasse umgestiegen. Die Kamera klebt in Los Angeles auch eine Sekunde zu lang an Samanthas neuem Sportwagen, der bei uns erst ab November auf dem Markt ist. Im Film wird schon über das glänzende Heck auf das Kennzeichen gezoomt auf dem steht: "I love NYC". Selbst die Stadt, die fünfte Hauptdarstellerin des Films, wird beworben. Ein deutscher Reiseanbieter hat bereits New-York-Trips ab 333 Euro im Angebot - Flirttipps inklusive. Wer es sich leisten kann, bucht das Luxus-"Sex and the City"-Paket samt eigenem Stylisten und Botox-Injektion. Für 15.000 Dollar. Flug exklusive.
Waxing, Starbucks, Botox - Product Placement ohne Grenzen
Es ist eben nicht nur die Mode, die gepriesen wird. So mancher eingefleischter Fan dürfte nach dem Film ein undefinierbares Verlangen nach einem frisch gebrühten Starbucks-Kaffee verspüren. Oder einem Cosmopolitan. Oder einem Luxusurlaub in Mexico. Oder, oder, oder. Und New York natürlich. Immer wieder New York.
Und dieses schnittige MacBook Pro, das Carrie sich zum Schreiben ihrer "Vogue"-Artikel so schön auf die glatten Schenkel drapiert. A propos: Man müsste auch mal wieder ins Waxing-Studio. Also in eins dieser zahlreichen Studios, die es seit der dritten Staffel von "Sex and the City" auch in Deutschland an jeder Ecke gibt. Sie tragen Namen wie "Wax in the City" und verpassen ihren Kundinnen "Brazilian Hollywood Cuts" - Intimfrisuren, wie sie auch die "SATC"-Stars tragen. Und Botox, ja Botox. "Sex and the City" macht auch davor nicht halt. "Im Gegensatz zur Ehe funktioniert Botox immer", schwört Samantha Jones, und das obwohl so ein Schönheitseingriff doch weitaus gefährlicher ist als eine gesperrte Kreditkarte.
Damit auch die junge Zielgruppe ohne Upper-Class-Fifth-Avenue-Portmonee optimal angesprochen und umworben wird, haben die Macher des Films die junge Oscar-Preisträgerin und "American Idol"-Teilnehmerin Jennifer Hudson ins Drehbuch integriert. Die Message: Du musst dir ja nicht alles kaufen, leih es dir. So wie Louise (Hudson) im Film. Die trägt eine Louis-Vuitton-Denim-Bag (um die 3000 Euro) - geliehen vom Handtaschenverleih "Borrow or Steal". Und bei Peek & Cloppenburg - um dem Werbe-Bohei noch einen drauf zu setzen - gibt es ab heute Carries Eiffelturm-Tasche von Timmy Woods zu kaufen. 1760 Euro kostet das mit Swarovski-Kristallen verzierte Original. Bei der Bekleidungshauskette sind es nur "läppische" 299 Euro.
Bei "Sex and the City" gerät dieses offensive Product Placement zur Farce für alle, die nicht die 94 TV-Folgen dieses völlig überspitzen Großstadt-Märchens kennen, die intelligenten, ausgefeilten Dialoge, die hinreißende Handlung. Sie könnten Gefahr laufen, den Film ernst zu nehmen. Ein großer Fehler. Denn wenn man "Sex and the City" kennt, weiß man, dass es gar nicht darum geht, Trends zu setzen oder die Masse zu konformieren. Ja, Carrie Bradshaw strebt nach den besten Schuhen, dem besten Kleid, dem besten Sex. Aber es steht nicht für Konsum, sondern für die Suche nach dem besten Leben. Glücklich zu sein. Es gibt eine lustige Szene im Film, in der Samantha Carrie ein i-Phone zum Telefonieren reicht. "Ein Handy, ich brauche ein Handy!", faucht diese zurück. Miss Bradshaw macht sich nichts aus Markenhörigkeit. Weder die Hauptdarstellerinnen, noch die Kostümdesignerin Patricia Field halten etwas von Trends. Field schimpft diese sogar als Erfindung der Industrie. Seinen eigenen Stil zu haben, Klasse zu besitzen, sich selbst zu lieben und das nach außen zu strahlen. Das ist Schönheit, das ist Stil. Und so spielt auch im Film letztendlich ein Kleid eine Schlüsselrolle, das gar kein Label hat. Es ist Second Hand.