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Comedian Mario Barth "Es wird so viel Mist über mich erzählt"

Mario Barth: ""Es wird so viel Mist über mich erzählt"
Mario Barth, 44, fotografiert in Berlin, seiner Heimatstadt
© Gene Glover
Mario Barth hat viele Fans, aber keinen allzu guten Ruf. Zeit für ihn, einiges klarzustellen – über Frauenwitze, seine Meinung zur AfD und seine jüdischen Vorfahren.
Von Philipp Jessen und Kester Schlenz

Herr Barth, Sie sind der erfolgreichste Komiker des Landes. Sie füllen Stadien und die großen Hallen. Sie könnten ein sehr zufriedener Mensch sein.

Das bin ich. Wie kommen Sie darauf, dass ich das nicht sei?

Wir haben mal in Ihrer Branche recherchiert und erstaunlich oft gehört: "Der Barth ist ein Profi, aber auch ein Arschloch." Wir hörten auch: "ein Tyrann". Das klingt nicht nach einem zufriedenen Menschen.

Echt? Das hören Sie? Na ja, wenn Sie lange genug fragen, finden Sie immer einen, der sagt: Der ist ein Arschloch.

Kein Anlass zur Selbstkritik?

Fragen Sie mal die Leute, die direkt mit mir arbeiten. Bei mir hat noch keiner gekündigt. Ich arbeite seit vielen Jahren mit dem gleichen Team zusammen. Einer ist seit 17 Jahren dabei. Glauben Sie mir, das sind keine Leute, die sich tyrannisieren lassen.

Also immer Friede und Freude im Team?

Wo gibt es das schon? Ja, ich bin vielleicht manchmal etwas streng. Und auch ungeduldig. Ich nehme meinen Job eben ernst. Die Leute, die zu meinen Auftritten kommen, zahlen gutes Geld für ihre Karten. Die sollen Mario Barth kriegen, wenn Mario Barth da draufsteht. Den ganzen Mario, nicht den halben oder drei viertel. Das ist mein Ehrgeiz. Und um das zu erreichen, verlange ich viel von meinen Leuten. Und noch mehr von mir. Deshalb sind wir erfolgreich. Vielleicht ist es auch Neid. Wenn man großen Erfolg hat, ärgert das so manchen. Dann heißt es eben: Der ist aber ansonsten total kacke.

Haben Sie eigentlich Freunde unter Ihren Comedy-Kollegen?

Ja, ich bin sehr gut mit Paul Panzer befreundet. Und mit Dieter Nuhr verstehe ich mich sehr gut.

Die Titel seiner Bühnenprogramme beginnen alle mit den Worten "Männer sind ...". 2003 etwa waren sie Schweine, seit 2015 sind sie bekloppt. Für 2018 hat Mario Barth ein neues Programm angekündigt
Die Titel seiner Bühnenprogramme beginnen alle mit den Worten "Männer sind ...". 2003 etwa waren sie Schweine, seit 2015 sind sie bekloppt. Für 2018 hat Mario Barth ein neues Programm angekündigt
© Kombo/Gene Glover

Und außerhalb der Branche?

Ich habe vier, fünf enge Freunde. Die haben mit meinem Job überhaupt nichts zu tun. Die kann ich mitten in der Nacht anrufen, wenn ich ein Problem habe, und dann kommen sie. Und umgekehrt. Mit einem bin ich seit 28 Jahren eng befreundet. Ich bin einer für die Langstrecke. Ich mag Beständigkeit. Man kann sich auf mich verlassen.

Fühlen Sie sich oft missverstanden?

Ja, ich mache Unterhaltung. Comedy. Ich weiß nicht, warum das manche Leute so aufregt.

Sie beklagten mal, dass Sie von uns Journalisten immer nur "auf die Fresse kriegen". Seit 15 Jahren.

So ist es ja auch.

Das liegt vielleicht daran, dass Sie sich gelegentlich etwas missverständlich äußern, um es mal vorsichtig zu formulieren. Ende des vergangenen Jahres haben Sie sich in New York vor dem Trump Tower filmen lassen und sich darüber öffentlich amüsiert, dass dort trotz Ankündigung keine Demonstrationen stattfinden. Die geplanten Demonstrationen fanden aber nachweislich erst am Abend statt.

Das Ding vor dem Trump Tower hätte ich nicht machen sollen. Das war ein Fehler. Ich habe die Wirkung unterschätzt.

Sie bekamen Beifall von einem rechten österreichischen Politiker und AfD-nahen Leuten. Wie fanden Sie den Zuspruch von dieser Seite?

Das Lob dieses FPÖ-Typen hat mich total geärgert. Ich wollte einen Gag machen, und der ist in die Hose gegangen.

Also nichts am Hut mit der AfD und ähnlichen Populisten?

Ich will Ihnen dazu mal etwas ganz Grundsätzliches sagen. Das habe ich noch nie in der Öffentlichkeit erzählt. Aber ich werde das jetzt machen, um ein für alle Mal klarzustellen, wie absurd es ist, mir rechtes Gedankengut vorzuwerfen.

Bitte sehr.

Mein Urgroßvater mütterlicherseits war Jude und ist im KZ von den Nazis ermordet worden. Mein Großvater galt als sogenannter Halbjude und musste aus dem Land fliehen. Ich verachte alles Rechte und Rassistische. Ich weiß, was solche Leute anrichten. Meine Familie hat unter den Nazis gelitten. Wir sind Opfer dieses Denkens. Meine Mutter war auch deshalb so entsetzt, dass mir Rechtslastigkeit vorgeworfen wurde. Ich habe sie vorher gefragt, ob ich in diesem Gespräch vom Schicksal meines Opas und Urgroßvaters erzählen kann.

Und sie hat zugestimmt?

Ja, sonst hätte ich dazu weiter geschwiegen. Aber ich möchte noch was zu diesen Vorwürfen ergänzen. Ich komme ja aus Kreuzberg. Mein Freundeskreis ist total multikulti. Türken, Polen, Juden. Ich habe keinerlei Nähe zur AfD. Keine. Ich hoffe, dass das damit endgültig aus der Welt ist. Es wird so viel Mist über mich erzählt.

Was zum Beispiel?

Dass die Leute von der Security mich angeblich nicht angucken dürfen, weil ich das nicht mögen würde. Das wurde überall herumerzählt. Dabei liegt dem eine absurde Geschichte zugrunde: Bei einer Show in Mannheim war mir aufgefallen, dass eine Angestellte im Backstagebereich immer auf den Boden guckte, wenn ich an ihr vorbeilief. Ich hab sie gefragt, was das soll. Die Antwort: "Wir dürfen Sie nicht angucken." Ich war total perplex. Ich hatte einige Mühe rauszubekommen, wer diesen Schwachsinn in die Welt gesetzt hatte.

Und? Wer war es?

Bei einer Sicherheitsbesprechung hatte der Chef der Security seinen Leuten gesagt: "Guckt nicht Mario an, sondern dreht euch um und guckt die Leute im Saal an." So wie das bei Sicherheitsleuten üblich ist. Daraus hat die Frau abgeleitet, dass man mich grundsätzlich nicht anschauen dürfe. So etwas wird natürlich gern genommen und dann kolportiert.

Und was ist mit den elf Ferraris, die Sie angeblich besitzen sollen?

Muss ich jeden Quatsch kommentieren?

Also keine Ferraris?

Ja, ich fahre einen Ferrari. Ich weiß nicht, warum das so ein Problem sein soll. Ich hab den ja nicht geklaut. Dieses Auto ist immer ein Kindheitstraum von mir gewesen. Ich komme aus sehr kleinen Verhältnissen. Irgendwann, da war ich acht oder so, habe ich mit meiner Mutter einen Schaufensterbummel gemacht und so einen Wagen gesehen. Ich stand davor, war hin und weg und sagte zu meiner Mutter: "Du, irgendwann kaufe ich mir so einen." Und sie sagte so mütterlich milde: "Natürlich, mein Junge."

Sie dachte, das ist so ein Satz wie "Ich fliege später mal zum Mond!"

Natürlich. Wir hatten damals wenig Geld und kamen kaum klar. Als es irgendwann im Job gut lief, so mit 30 Jahren, rief ich sie an und fragte: "Was meinst du? Findest du das doof, wenn ich mir jetzt einen Ferrari kaufe?" Und meine Mutter sagte: "Junge, wenn du ihn dir leisten kannst, dann kauf ihn dir." Und dann habe ich noch meinen Steuerberater angerufen. Und der hat auch Ja gesagt, und dann habe ich ihn gekauft.So ein Auto ist aber immer auch ein Statement. Sie haben keine Angst vor Klischees, oder?

Entscheidend ist doch, dass dich das Auto nicht verändert. Dass du der Gleiche bleibst, auch wenn du in so einer Kiste sitzt. Natürlich polarisiert so ein Wagen. Kürzlich parkte ich in der zweiten Reihe und wartete auf einen Freund, weil einfach nichts frei war. Und da pöbelte mich einer an: "Du denkst wohl auch, du kannst dir alles leisten, weil du so eine Karre fährst, was?" Und ich antwortete: "Nee, ich würde hier auch in einem Fiat Panda auf meinen Kumpel warten. Siehst du nicht, dass hier nichts frei ist?"

Werden Sie eigentlich immer erkannt?

Oft, aber nicht immer. Einmal stieg ich in Köln aus meinem Wagen, und eine Gruppe Jugendlicher kam heran. So 13, 14 Jahre alt. Ich dachte: Na gut, geb ich den Jungs ein paar Autogramme. Aber die waren nur am Schwärmen: Ferrari. Geiler Wagen. Können wir mal den Motor sehen? Und dann fragte einer: Was machst denn du beruflich? Die kannten mich nicht, und der wollte nur wissen, was man für einen Job haben muss, um sich so ein Auto kaufen zu können. Das fand ich irgendwie erfrischend.

Zurück zu den Gerüchten. Kürzlich konnte man bei "Bild" lesen, dass Ihre Tour nicht gut liefe und die Hallen halb leer wären.

Was Unsinn ist, gegen den wir schon gerichtlich vorgegangen sind. Natürlich kann man ein Foto einer halb leeren Halle zeigen, wenn das Publikum noch nicht vollständig drin ist und noch nicht mal meine Crew da ist. Das aber als Beleg dafür zu verwenden, dass meine Tour nicht gut liefe, ist einfach nur eine Frechheit. Gerade habe ich in Berlin in der ausverkauften Waldbühne vor 20.000 Leuten gespielt. Und die Tour läuft gut. Wir haben weit über 800.000 Tickets verkauft. Das ist relativ weit weg von "läuft kacke".

Einige Ihrer Auftritte aus dem kommenden November werden ins Frühjahr 2018 verlegt. Warum?

Ganz einfach: Weil es dann ein neues Programm gibt. Ich fand's blöd, dass die Leute im Herbst für ein Programm zahlen sollen, das jetzt drei Jahre läuft. Und dann sehen sie, dass es Anfang 2018 ein neues gibt. Ich wäre als Fan sauer. Deshalb haben wir das ins kommende Jahr gezogen. Ich arbeite im Winter noch dran, und im Frühjahr geht's los. Sie kriegen das jetzt exklusiv. Der Titel ist: "Männer sind faul, sagen die Frauen." Das werden Sie als Männer auch kennen. Dauernd hören Sie zu Hause: Ja, bei deinen Freunden hilfst du beim Umzug. Aber hier bringst du die Lampe nicht an.Ferrari und flotte Sprüche zum Beziehungsalltag: Was sagen Sie eigentlich zu dem Vorwurf, Sie seien frauenfeindlich?

Das ist schon deshalb völlig daneben, weil etwa 65 Prozent meiner Besucher Frauen sind. Würden die Geld dafür bezahlen, von mir beleidigt zu werden? Ich zeige die alltäglichen Skurrilitäten im Zusammenleben von Mann und Frau. Da kriegen beide Seiten ihr Fett weg. Darüber lachen Frauen ebenso wie Männer. Ich mache die Show für meine Fans und nicht für irgendwelche Kritiker oder oberschlaue Kollegen.

Wen meinen Sie damit?

Dieter Hildebrandt hat mal in einem Interview gesagt, dass ich abgrundtief dumm sei. Man hat mir aber zugetragen, dass in diesem Moment seine Frau ins Zimmer kam und sagte: Nein, Dieter, ist er nicht. Bei dem waren gerade 70.000 Leute im Berliner Olympiastadion. Ganz so blöd kann der nicht sein.

Beneiden Sie jemanden wie Jan Böhmermann darum, dass ihn das Feuilleton so liebt?

Nein, und ich will auch gar nicht vom Feuilleton geliebt werden. Wahrscheinlich würde ich dann was falsch machen. Aber ich schätze Böhmermann. Ich habe mit ihm gelitten, als er nach dem Erdogan-Gedicht diesen Riesenärger hatte. Da hat sich einer echt was getraut und dann eine Staatsaffäre ausgelöst.

Haben Sie Vorbilder?

Ich schätze und verehre Herbert Grönemeyer. Der ist ein ganz Großer. Und ich hatte mal einen tollen Lehrer in der Grundschule. Der war sehr streng, aber innerhalb des von ihm gesetzten Rahmens durfte ich einfach Mario sein. Das kannte ich so nicht. Das tat mir gut.

Wir wissen, dass Sie nie über Ihren Vater sprechen, und respektieren das. Wer hat Ihnen in der Familie Halt gegeben?

Meine Mutter und mein Großvater. Den habe ich immer bewundert. Der war ein klasse Typ und hat immer zu mir gestanden. Er war mein Mentor. Ein fairer, toller Mann. Ohne ihn wäre ich nicht der, der ich jetzt bin.Hat er Ihren Erfolg noch erlebt?

Nein, leider nicht. Zumindest nicht hier auf der Erde. Aber ich denke schon, dass er von irgendwo zusieht.

Sind Sie gläubig?

Nicht im herkömmlichen Sinne. Aber ich glaube an eine höhere Macht, etwas, das größer ist als wir.

Sie sind katholisch und waren sogar mal Messdiener.

Da habe ich sozusagen die Macht der Performance entdeckt. Bei einer Ostermesse schwenkte ich das Weihrauchgefäß. Und ich sah: Je mehr ich schwenkte, desto heller glomm die Glut. Das fand ich faszinierend. Ich schwenkte immer wilder, bis ich das Ding wie ein Irrer umherwirbelte und Feuer rauskam. In der knallvollen Kirche. Das gab Ärger. Aber ich hatte registriert: Die Leute haben gelacht. Das hat mir irgendwie gefallen. Vielleicht war das die Geburtsstunde des Komikers Mario Barth.

Bevor Sie Comedian wurden, haben Sie Kommunikations-Elektroniker bei Siemens gelernt. Wie hat Sie das geprägt?

Ich habe zum Beispiel gelernt, vernünftig zu sprechen. Wenn ich Kundenkontakt am Telefon hatte und da wild in den Hörer berlinerte, dann sagte mein Chef: "Hochdeutsch bitte, Herr Barth. Wir sind Siemens." Das hat mir nicht geschadet.

Hatten Sie Kundenkontakt?

Klar, ich habe ja zum Beispiel Anschlüsse in Wohnungen installiert.

Und da rumgealbert.

Nee, nicht übermäßig. Aber ich war ein gern gesehener Monteur und kein Hardliner. Wenn da einer sagte: Kannste mir nicht den Anschluss vier Meter weiter rechts hinlegen?, habe ich das gemacht und das nicht aufgeschrieben.

Sind Sie noch fit in Sachen "Router anschließen" oder "Rechner oder TV-Gerät einrichten"?

Router und Rechner gehen. Aber für ein modernes TV-Gerät braucht man heute ja ein Studium. Ich habe mal bei der Einrichtung eines neuen Fernsehers auf einen Knopf gedrückt, der alle Sender zeigt. Und da kam erst ARD und dann so ein spanischer Homeshopping-Kanal und dann was aus Holland. Das fand ich klasse. Ich möchte mal wissen, wer diese Reihenfolge festgelegt hat. Muss ein irrer Typ sein.Sie sind auch investigativ tätig. In der RTL-Reihe "Mario Barth deckt auf" kritisieren Sie Steuerverschwendung und Behördenirrsinn. Die Beispiele sind meist altbekannt, aber eben noch nicht jedem.

Nicht jeder liest so viel wie Sie. Missstände kann man nicht oft genug anprangern, finde ich. Aber ich will mich nicht größer und wichtiger machen, als ich bin. Ich bin Comedian und zeige die unfreiwillige Komik im Behördenalltag. Den Irrsinn, den es da manchmal gibt, etwa beim Berliner Flughafen. Auch das ist Unterhaltung. Die hatten schon die Fähnchen zum Schwenken für die Eröffnung bestellt, und dann fiel ihnen ein: Hui, wir haben Brandschutz vergessen.

Was nicht gerade selten erzählt wurde.

Mag sein, aber dann erzähl ich es eben noch mal. Auf meine Art. Und ja – ich decke auch Missstände auf, so weit ich das mit meinem Team kann. Mittlerweile werden unserer Redaktion sogar Infos zugeschoben. So falsch können wir also nicht liegen. Wenn ich zudem dafür sorgen kann, dass vor einer Schule endlich ein Zebrastreifen hinkommt, damit da kein Kind mehr totgefahren wird, dann mache ich das. Und freue mich drüber.

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