"Frankfurter Allgemeine Zeitung" "Anticharismatiker" übernimmt das Feuilleton

Die wichtigste Personalie ist entschieden: Mit Jürgen Kaube ist das Herausgebergremium der "FAZ" wieder komplett. Doch andere Baustellen bleiben der Traditionszeitung erhalten.

Auf den Debattenführer folgt ein Systemanalytiker: Jürgen Kaube wird Nachfolger von Frank Schirrmacher als Herausgeber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Schirrmacher war am 12. Juni dieses Jahres überraschend mit 54 Jahren einem Herzinfarkt erlegen.

Kaube (52) studierte Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte und verlegte sich dann auf Wirtschaftswissenschaften - "als romantische Ergänzung", wie Kaube auf der "FAZ"-Homepage ironisch über sich selbst schreibt. Als Volkswirt entdeckte er die Systemtheorie des Soziologen Niklas Luhmann, die ihn bis heute beschäftigt und fasziniert.

Biografie über Max Weber

Wie Schirrmacher ist auch Kaube Buchautor. Bei Rowohlt legte er zuletzt eine wegweisende Biografie des Soziologen Max Weber vor. Schirrmacher hatte mit Bestsellern wie "Das Methusalem-Komplott", "Payback", "Minimum" und "Ego" gesellschaftliche Debatten angestoßen.

Seit 1992 arbeitet Kaube für das "FAZ"-Feuilleton, seit 1999 ist er festes Redaktionsmitglied. Die Wissenschaften sind sein Metier mit der Seite "Forschung und Lehre", dem Ressort Geisteswissenschaften und neuen Sachbüchern. Seit 2012 ist er stellvertretender Feuilletonchef. Das "medium magazin" wählte ihn zum Journalist des Jahres 2012 im Bereich Wissenschaft.

Nun steigt er auf in das Herausgeber-Gremium neben Werner D'Inka, Berthold Kohler und Holger Steltzner. Günther Nonnenmacher hatte nach Schirrmachers Tod seinen altersbedingten Abschied aus dem Herausgeber-Gremium aufgeschoben, nun hört er Ende Dezember auf.

Mann des klassisch-konservativen Feuilletons

Wie wird sich das Blatt mit Kaube verändern? Darauf sind jetzt viele gespannt. Die "Zeit" erwartet "eine Ausnüchterung, vom Charismatiker Schirrmacher zum Anticharismatiker Kaube, gleichsam von Schröder zu Merkel". Der "Spiegel" verortete Kaube als "Mann des klassisch-konservativen Feuilletons - das Gegenbild des von Schirrmacher gepflegten Debattenfeuilletons".

Die Lage des Blattes bleibt unterdessen schwierig. Die "FAZ" schreibt rote Zahlen - und muss sparen. Bis zu 200 Stellen sollen in den nächsten Jahren wegfallen, davon bis zu 40 in der Redaktion. Das Unternehmen will bis 2017 jährlich mehr als 20 Millionen Euro einsparen.

Die FAZ GmbH beschäftigt nach eigenen Angaben 900 Mitarbeiter, darunter fast 400 fest angestellte Redakteure bei der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" und dem Online-Portal faz.net.

"FAZ" hat Millionenverluste

Im Mai hatte der Verlag einen Millionenverlust gemeldet: Im operativen Geschäft fuhr er nach eigenen Angaben 2013 ein Minus im "mittleren einstelligen Millionenbereich" ein. Die Folge: "Wir müssen unsere Strukturkosten der veränderten Erlössituation anpassen", sagte Thomas Lindner, Vorsitzender der "FAZ"-Geschäftsführung, nach einer Mitarbeiterversammlung im Herbst.

Der Berliner Publizistik-Forscher Lutz Hachmeister hielt Schirrmachers Rolle in der deutschen Medienlandschaft für "vollkommen singulär": Wie kein zweiter habe er "publizistisches Machtgefühl und intellektuelles Vermögen" vereint. Ihn zu ersetzen, wird nicht leicht sein.

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tis/Sandra Tauber/DPA

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