"Die Festnahme Christi" Geraubter Caravaggio ist kein Original

Ein millionenschwerer Coup sollte den Ermittlern gelungen sein: In der vergangenen Woche stellten sie in Berlin einen geraubten "Caravaggio" sicher. Doch es ist kein Original.

Das in einer Großaktion von der Bundespolizei beschlagnahmte Caravaggio-Gemälde ist lediglich eine Kopie des italienischen Meisterwerks. Das millionenschwere Original des Gemäldes "Die Festnahme Christi" hängt in der National Gallery of Ireland in Dublin.

Eine Sprecherin der Galerie sagte der Nachrichtenagentur dpa am Mittwoch, bei dem in Odessa (Ukraine) geraubten und in Berlin sichergestellten Gemälde handele es sich um eine zeitgenössische Nachahmung. "Fälschung wäre natürlich der falsche Begriff, damals gehörte es ja zur Ausbildung und weiteren Vervollkommnung der Maler, Bilder anderer Meister zu kopieren."

Nach Einschätzung des Berliner Caravaggio-Experten Roberto Contini lässt sich die Kopie auf etwa 200 000 bis 500 000 Euro veranschlagen. "Einen dreistelligen Millionenbetrag dafür anzunehmen, ist absolut lächerlich", sagte er der dpa. Nur ein echter Caravaggio sei bis zu 100 Millionen Euro wert. "Hier geht es um eine gute Kopie. Aber sie kommt nicht annähernd an die Genialität des Meisterwerks in Dublin heran."

Das jetzt beschlagnahmte Bild war 2008 in der Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer aus einem Museum gestohlen worden. Am vergangenen Freitag konnte es im Rahmen einer länderübergreifenden Operation von Bundeskriminalamt und der Spezialeinheit GSG 9 sichergestellt werden. Zunächst hieß es, das Werk werde Michelangelo Merisi, genannt Caravaggio (1571-1610), zugeschrieben.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft in Frankfurt/Main war bekannt, dass es sich um eine zeitgenössische Kopie (nicht Fälschung) handelt. Ob Original oder Kopie sei aber für die Festnahme unerheblich, sagte eine Sprecherin auf Anfrage. Das Bundeskriminalamt wollte sich zur Frage Kopie oder Original nicht äußern.

Kurator Contini sagte, das in Odessa gestohlene Bild sei von der übergroßen Mehrheit der Kunsthistoriker schon immer als die besterhaltene Nachahmung des früher verschollenen Originals angesehen worden. Anfang der 90er Jahre habe ein Restaurator in Dublin zufällig die echte "Festnahme" entdeckt, die seit ihrer Präsentation 1993 in der National Gallery hänge.

"Wer beide Bilder kennt, kann keinen Zweifel haben", sagte Contini. Deshalb sei ihm unverständlich, wenn jemand das Werk aus Odessa als Original bezeichne. Der Raub aus dem Museum für westeuropäische und orientalische Kunst hatte in der Ukraine seinerzeit für großes Aufsehen gesorgt.

Bei der Aktion in Berlin gingen den Ermittlern vier Tatverdächtige ins Netz. In der Ukraine seien 20 weitere mutmaßliche Mitglieder der Bande, die auf den Diebstahl von Kunstwerken aus Museen spezialisiert sei, gefasst worden, hieß es.

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N. Weigelt, DPA

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