Nein, zum Drehort in einer verlassenen Fabrik können Journalisten leider nicht mitkommen, meint Gérard Depardieu lächelnd. Dort sei es gefährlich. "Es gibt Mücken, viele Waffen und Schwule", sagt der weltbekannte Schauspieler im russischen Ex-Kriegsgebiet Tschetschenien. Der Franzose mit russischem Pass ist in das Konfliktgebiet Nordkaukasus gereist, um einen Actionfilm zu drehen - und lobt seine Wahlheimat in den höchsten Tönen.
Für die Reporter hat der 64-Jährige nur Sarkasmus übrig. "Sie sehen doch, dass alles in Ordnung ist - sie töten Sie nicht hier", sagt er etwa. Es klingt wie eine Drohung. Denn kritische Journalisten sind in Tschetschenien gefährdet. Menschenrechtler werfen dem umstrittenen Republikchef Ramsan Kadyrow schwere Verbrechen vor, Entführungen, Folter und sogar Mord. Depardieu ("Asterix und Obelix") aber nennt den Anhänger von Kremlchef Wladimir Putin seinen Freund.
Film soll schöne Seite Tschetscheniens zeigen
In "Turquoise" (Türkis) will der schwergewichtige Filmstar nun die schöne Seite Tschetscheniens zeigen, das sich nach zwei blutigen Bürgerkriegen in den 1990er Jahren mit Milliarden aus Moskau rundum erneuert präsentiert. Wie ein Werbetext liest sich die Inhaltsbeschreibung von "Turquoise" auf der Internetseite von Regisseur Philippe Martinez. Der Film spiele im "prachtvollen, modernen Russland" und zeige "Tschetscheniens wunderschöne Landschaften und außergewöhnliche Neugestaltung". Immer wieder kommt es auch in Grosny zu Anschlägen radikaler Islamisten.
Vertreter der Staatsmedien beklatschen lautstark jeden Satz Depardieus und seiner britischen Co-Aktrice Elizabeth Hurley ("Austin Powers"). "Ich habe hier mehr Liebe und Freundschaft gesehen als Hass", lautet etwa solch ein Satz Depardieus. Der Filmstar hatte Ende des Jahres Frankreich im Streit um eine geplante Reichensteuer den Rücken gekehrt.
Regisseur Martinez betont vor allem die praktische Arbeit. In Tschetschenien sei es einfacher, Straßen stundenlang für Verfolgungsjagden zu sperren, meint er. Wie hoch die Gesamtkosten sind, wollen weder Martinez noch Produzent Arnaud Frilley verraten. Das Budget sei "gering", sagen sie lediglich. Ein russischer Filmfonds finanziere den Streifen mit.
Kadyrow kutschiert Filmstars durch Grosny
Das Thema Menschenrechte ist hingegen nicht gern gesehen. Das sei eine "Scheißfrage" kanzelt zum Beispiel Martinez einen westlichen Reporter ab, der das Filmthema - Depardieu jagt die Mörder seines Sohnes - mit Ehrenmorden, wie sie in Tschetschenien nicht selten sind, und unaufgeklärten Verbrechen an Kadyrow-Gegnern vergleicht.
Dass der Film aber keinesfalls unpolitisch ist, wird auf den ersten Blick klar. Mit Blaulicht und in dunklen Limousinen mit Kadyrows Initialen werden die internationalen Stargäste durch Grosny kutschiert. Der Machthaber persönlich empfängt die Schauspieler. Ein Foto von Hurley im Internet zeigt sie im vertrauten Gespräch mit dem 36-jährigen Kadyrow. Für ähnliches Engagement musste sich etwa das MDR-Fernsehballett nach scharfer Kritik entschuldigen.
Immer wieder schmückt sich der Republikchef mit internationalen Größen aus Kultur und Sport. Das stärkt seine Position in den Augen seiner Landsleute - dass im Gegenzug oft Geld und Geschenke an die Hollywood-Größen fließen, erfahren sie in den staatlich gelenkten Medien nicht. Zudem sehen viele Tschetschenen in den Besuchern wie dem in Russland äußerst populären Depardieu die lang vermisste Anerkennung für ihre Heimat, die fast nur für Negativschlagzeilen herhalten muss. So war es auch nach dem Terroranschlag von Boston: Die mutmaßlichen Attentäter haben ihre Wurzeln in Tschetschenien.