M. Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier WAHL-O-MÜD oder: TV-Duell mit Lucky Punch?

Eine Kolumne von Micky Beisenherz
"Das TV-Duell" zur Wahl: Diese Vier sollen Merkel und Schulz in Bedrängnis bringen
Es ist das einzige direkte Aufeinandertreffen der Spitzenkandidaten. Am 3. September treten Angela Merkel und Martin Schulz zum TV-Duell an.
Für die ARD stellt Sandra Maischberger die Fragen.
Die 51-Jährige moderiert in der ARD unter anderem die Talkshow "Maischberger" sowie im WDR das Interviewformat "Ich stelle mich".
Für das ZDF ist Maybrit Illner im Einsatz.
Die 52-Jährige moderiert ihre ZDF-Talkshow "Maybrit Illner" und führte von 2010 bis 2012 durch das heute-Journal.
RTL schickt Peter Kloeppel ins Duell.
Der 58-Jährige ist Chefmoderator von "RTL Aktuell" und war zehn Jahre lang Chefredakteur des Senders.
ProSieben/Sat.1 wird von Claus Strunz vertreten.
Der 50-Jährige leitet den Bereich "TV- und Videoproduktionen" bei Axel Springer und moderiert die Sendung "akte 20.17" auf Sat.1.
Der Ablauf der Sendung ist genau wie vor vier Jahren: Die Moderatorinnen und Moderatoren wechseln sich mit den Fragen ab. Eine dramaturgische Neugestaltung lehnten die Vertreter von Angela Merkel ab.
Übertragen wird die Sendung um 20:15 Uhr auf ARD, ZDF, RTL und Sat.1.
Angela Merkel gegen Herausforderer Martin Schulz: Zwar mag die Bundestagswahl schon gelaufen sein - der Ausgang des TV-Duells ist offen. Zumal Claus "Viagra" Strunz mit von der Partie ist.

Nein, ich habe den Boxkampf Mayweather vs McGregor letzte Woche nicht angeguckt. Zu viel Show, zu wenig Belang, zu klar schien der Ausgang des Spektakels.

Das Kanzlerduell am Sonntag werde ich mir sehr wohl ansehen. Der Showcharakter dürfte deutschlandbedingt eher spärlich ausfallen, dafür geht es um nicht weniger als die Bundesregierung und wie es ausgeht, ist auch noch nicht klar. Naja, zumindest, wie das TV-Duell ausgeht. Was die Wahl am 24. September betrifft, so scheint die Gewinnerin bereits festzustehen, womit auch der Begriff "Kanzlerduell" etwas irreführend ist, da hier nun mal nur Merkel Kanzler(in) ist und Schulz, nun ja, nicht.
Und dass sich das in absehbarer Zeit ändern könnte, wirkt so realistisch wie ein ausgeglichener Kontostand bei Boris Becker.

Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier

Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.

Er hat es aber auch wirklich nicht leicht. Ende Januar mit Umfragewerten kurz unter Freibier gestartet, kann man mittlerweile bereits mit der Nennung des Namens "Schulz" veritable Lacher auf Cocktailpartys und Kabarettabenden einheimsen. Anstatt "Ich werde Kanzler" könnte der SPD-Mann auch genauso gut sagen "und morgen fliege ich vom BER mit der AirBerlin nach Takatuka und feudel mal kräftig das Bernsteinzimmer durch." Dabei ist dem Herausforderer sein Kampfgeist ja nun wirklich nicht anzulasten.

Ganz im Gegenteil. Das wünscht man sich doch. Blöd nur, wenn die Herausgeforderte nicht so richtig mitmacht. Wenn Kanzlerkampf wie Sex ist, dann war es bislang eher betreutes Masturbieren. Kein schönes Bild, oder? Lassen wir das.

"Asymmetrische Demobilisierung", das ist dieser schöne Politstrategensprech, wenn es darum geht, dass jemand alles tut, um mit dem anderen auf keinen Fall in eine sachliche Auseinandersetzung zu geraten. Nicht, dass am Ende jemand noch wach wird und die anderen wählt!

Merkel ihrerseits hat in dem, was sie Wahlkampf nennt, so gut wie nie Bezug auf die SPD genommen und es derart vehement vermieden, den Namen Schulz zu nennen, dass man fast annehmen müsste, sie glaubt, danach ereilt sie so eine Art Candyman-Fluch oder so.

Martin Schulz - der Uwe Seeler aus Würselen

Es wird die große Hoffnung der Sozialdemokraten sein, die Amtsinhaberin am Sonntagabend zu stellen. Allein, es ist nicht so leicht. Angriffslustig muss er sein, will der Uwe Seeler aus Würselen noch irgendeine Chance auf Wählbarkeit wahren. Allerdings auch nicht zu sehr, da zuviel Aggression beim Zuschauer eher unsympathisch rüber kommt.

"Martin, Martin!" muss natürlich Missstände aufzeigen, die er beheben will. Allerdings auch nicht zu viele, weil zu heftige Schwarzmalerei beim Zuschauer - richtig- eher unsympathisch rüber kommt. Abgesehen davon ist es immer blöd, eine Regierung anzugreifen, deren weitreichende (Fehl-)Entscheidungen man als Koalitionspartner über lange Jahre immer mitgetragen hat.

Übrigens sieht man auch immer doof aus, wenn man auf einem Wahlplakat ein Europaparlament des Anpackens und nicht Aussitzens fordert, wenn man gerade noch dessen Präsident war. Es ist schwer, ich weiß.

Angela Merkels Wahlhelfer sitzen im Ausland

Und Merkel? Die warb vor vier Jahren mit "Sie kennen mich." Das hatte gereicht. Jetzt kommen noch vier weitere Jahre als Amtsbonus dazu.

Klar, man könnte ihr jetzt eine Wischiwaschipolitik vorhalten, die vergurkte Energiewende, miese Flüchtlingsdeals, Rekordüberschüsse bei schließenden Kindergärten, Schwimmbädern etc., ja, vielleicht auch eine komplett unzurechnungsfähige, lokale Schwesterpartei, die aus unerfindlichen Gründen ihre Bierzeltideen in den Koalitionsvertrag rülpsen darf, nur: Das allein schafft offenkundig noch keine Wechselstimmung.

Es ist eine komische Melange aus "egal, wer dran kommt, es ändert sich ja sowieso nix" und "Mutti macht das schon". Den wahren Merkel-Wahlkampf macht nicht die CDU - den machen die irren Staatspräsidenten rundherum, und je irrationaler, amoknarzisstischer und irrlichternder die sich verhalten, desto weniger Interesse hat der Durchschnittsbürger aus diesem Jenga-Turm namens Bundesregierung einen womöglich entscheidenden Stein herauszuziehen für...
... ja, für was eigentlich?

Schulz kämpft. Oh, ja. Wenngleich es sich anfühlt wie 100 Meter Kraulen in einem Becken voll Hüttenkäse. Und tatsächlich gibt es über 40 Prozent Unentschlossene. Das ist ein enormes Potenzial. Das bedeutet allerdings nicht, dass die sich für die Sozialdemokraten entscheiden.

Wann fragt Claus "Viagra" Strunz Merkel, ob sie Schulz scharf findet?

Dem Kanzlerkandidaten und seiner Partei fehlt der Unique Selling Point. Das überzeugende Verkaufsargument, weshalb man sich am Ende für einen Kanzler Schulz und vor allem gegen Mutti entscheiden sollte. Stattdessen taucht Gerhard Schröder auf und nimmt zum Unzeitpunkt bei Rosneft eines der wohl unwürdigsten Ämter an, die man sich nur denken kann. Jetzt wissen die Genossen, wie der Hannoveraner Anstandsverweigerer sich damals gefühlt hat, als plötzlich seine Ostcousinen auftauchten.

Zum Glück waren die Sozialdemokraten nicht so blöd, mit dem zuletzt noch Wahlkampf gemacht zu haben. Oh, halt. Doch, waren sie. Also, nochmal: Warum Schulz wählen?

Klar, wenn ich keine Flüchtlinge will, wähl ich AfD. Sollen die reichen Arschlöcher aus den anderen Stadtteilen gefälligst bluten, wähl ich die Linke. Will ich weniger Atomkraft und die Ehe für alle, dann sind die G... nein, halt. Das hat die CDU schon für sich reklamiert. Nun ja. Na, und will ich mal richtig geil werden, stell ich mich vor ein FDP-Plakat.

Was mag das nur für ein TV Duell werden. Was zieht Schulz für ein rhetorisches Ass aus dem Ärmel? Wie will man die Kanzlerin stellen? Präsentiert Schulz 30.000 E-Mails, die Merkel von ihrem privaten Account versendet hat? Kann er beweisen, dass sie einen Welpenschlachthof in der Uckermark betreibt? Kündigt Schulz gar an, dass er die Air-Berlin-Bonusmeilen der verunsicherten Bürger retten wird? Und wann fragt Claus "Viagra" Strunz eigentlich Merkel, ob sie Schulz scharf findet?

Ich zumindest, werde mich sehr symmetrisch Richtung Couch mobilisieren.

"Das TV-Duell" zur Wahl: Diese Vier sollen Merkel und Schulz in Bedrängnis bringen
Diese Vier sollen Merkel und Schulz in Bedrängnis bringen

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