M. Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier Die drei Fragezeichen – Black Box CDU

Die Arena der CDU.
Die Arena der CDU.
©  Michael Kappeler / dpa
Wo man früher auf Fanmeilen oder in Kneipen die WM oder wenigstens den Tatort geguckt hat, schaut man nun alleine in der Küche den Livestream vom CDU-Parteitag, und das ist genauso traurig wie es sich anhört.

Heute also entscheiden 1001 Delegierte darüber, wer das schwere Erbe von Angela Merkel antreten muss. Gut, streng genommen ist noch Annegret Kramp-Karrenbauer dazwischen, aber an diese Zeit dürfte sich bald nur noch ihr Gesprächstherapeut erinnern. Zur Wahl stehen drei Kandidaten, bei denen man sich unweigerlich fühlen muss wie beim Besuch seines Lieblingsrestaurants- und die besten Gerichte sind leider aus.

(Restaurants, Sie erinnern sich?)

Auf der Karte stehen also: Laschet, Röttgen und Merz. Die stehen nicht nur auf der Karte, sondern alleine in Berlin. In einer Messehalle auf dem Podium, eine Rede haltend, ohne jedwede Reaktion vom Publikum.  Für Friedrich Merz ist also alles wie 2018, beim letzten Versuch. Das, was da heute auf dem schwarzen Kanal gesendet wird, ist ein Dreikleinekönigstreffen,  ein Supertalent-Finale für Aktentaschenafficiondos oder kurz: Die drei Fragezeichen als Live Event. Eine gewaltige Black Box.

Weil eben keiner dabei ist, auf den alle abfahren, splittet sich die Partei auf in drei Gruppen, die ein Gedanke eint: Sie wollen weniger den Kandidaten selbst, sondern eher das, was er nicht ist: Das Mensch gewordene Ringlicht, Röttgen bedeutet weniger Fax-Gerät. Friedrich Merz bedeutet weniger Merkel. Und Laschet bedeutet vor allem weniger Merz.

Die Andersartigkeit als Verkaufsargument.

Joe Biden wurde ja auch nicht gewählt, weil er so zu euphorisieren verstand, sondern weil nach vier Jahren Trumpokalypse das Starren auf eine weiße Tapete so beruhigend wirkt.   Bundesparteitag, das ist für alle die vom immer gleichen Ausgang der Bundesligakonferenz ermüdet sind, genau das richtige Alternativprogramm. Es tritt halt nur dreimal Leverkusen an. Da wäre zum einen Norbert Röttgen, der als Außenseiter so überraschend antrat wie der Onkel aus  Amerika im Boulevardtheater aus dem Schrank springt..

Eigentlich macht man sowas nur, um später als Drittplatzierter für sein Engagement mit einem Posten als Minister belohnt zu werden. Durch gezielt gesetzte Menscheleien wie Fotos mit Hunden oder Tweets wie "i like Koalas" allerdings holte der Unions-Clooney unerwartet auf und wurde plötzlich der Liebling des linken Establishments bei Twitter.

(Was in Deutschland streng genommen eine Tautologie ist)

Genau das Gegenteil davon ist Friedrich Merz, der in jüngeren Kreisen irgendwo zwischen Sauron und Mr Burns changiert. Der Frauenanteil unter den Merz-Fans dürfte kaum höher sein als in der Al-Nur-Moschee. Lediglich die DAX-Vorstände und ein paar Altherrenverbände wie die Junge Union würden jubeln, sollte er diesen Strongman-Contest gewinnen. Aber in Zeiten, da plötzlich wieder Autokinos und Buffalos in sind - warum sollte da nicht ebenfalls Friedrich Merz zurück kommen.

Wie die Sehnsucht nach dem alten Handy

Manche sehnen sich ja auch nach ihrem alten Nokia 5113 zurück, weil diese modernen Smartphones einen komplett überfordern. Klar, dieser marieantoinette Mann von nebenan kommt mit seiner  ordentlichen Portion Sozialstaatsverachtung bei all jenen an, bei denen der Markt entweder alles regelt oder auf den die Frau zu gehen hat, bevor sie ins Eigenheim zurückkehrt. Ein sauerländisches Zurück in die Zukunft und mit Sicherheit der Wunschkandidat der Sozialdemokraten, die Dank Merz blitzartig die Kontur gewinnen würden, die Olaf Scholz als "Merkel light" eher nicht so mitbringt. Der Sauerländer hat zuletzt recht effizient vor sich hingetrumpt, sodass ihn Twitter und Co kaum positiver wahrnehmen als die zweite Welle. Doch egal, ob Röttgen oder Merz- die Zu- oder Abneigung der Twitterparallelgesellschaft ist am Ende eine politische Kryptowährung, für die man sich beim CDU- Parteitag nix kaufen kann.

Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier

Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.

Die christdemokratische Union ist dann doch mehr Stehtisch und kariertes Kurzarmhemd als Tweets und Fleets, und deshalb wird es am Ende derjenige, der sich in der Pandemie für viele als Heizpilz dargestellt hat, dem unter Druck schnell die Drähte durchschmoren:  Armin Laschet, der "gut vernetzte Strippenzieher und Versöhner", was natürlich nichts anderes bedeutet als: Der Kungelkönig, dessen natürliches Habitat das Hinterzimmer ist. Und da, wo 1001 Männer*innen etwas werden, aber vielmehr noch bleiben wollen, wird natürlich der gewählt, der für moderate Veränderung steht- solange alles bleibt, wie es ist.  Wen Angela Merkel gerne hätte, dürfte spätestens nach ihrer Aussage, dass Sie gerne ein Team hätte klar sein.

Das "Team Merz" jedenfalls besteht aus, nun ja, einem Millionär aus Brilon. Dieser CDU-Parteitag soll ein Aufbruch in die Moderne sein, oder wie es der CDU-Generalsekretär "Kröten-Paul" Ziemiak ausdrückt: "Die CDU ist sehr bunt.  Insofern ist die CDU eine Partei, die wirklich auch ein Spiegelbild der Gesellschaft ist." Was die Kandidaten für den Parteivorsitz anbelangt, bedeutet "bunt": Drei ältere, weiße Juristen aus NRW.

Das bekommt man sonst nur zu sehen, wenn man auf einem Samstagmittag beim Harley-Händler in Remscheid vorbeischaut.  Es ist aber auch völlig gleich, wie das Märchen aus 1001 Macht ausgeht, da der Parteivorsitzende mitnichten als Kanzlerkandidat gesetzt ist, sondern die unangenehme Aufgabe haben wird, mit den aktuellen Umfrageergebnissen unterm Arm Richtung Bayern zu fahren, um den Ministerpräsidenten im Spiegelsaal untertänigst zu bitten, für Deutschland doch sein geliebtes Bayern zu verlassen. Dem fleischgewordenen Komparativ aus Nürnberg ist es gleich, wer unter ihm Vorsitzender wird.

Das dürfte spätestens nach der gestrigen Rede des fränkischen Formwandlers klar sein. Die einen sind so, er ist Söder. Der CDU vorzusitzen ist aber doch auch schön. Bis dahin ist es mit der Kandidatenauswahl eher wie bei der europäischen Impfstoffbestellung: Man hat da jetzt halt drei unterschiedliche Namen und hofft,  dass einer davon funktioniert. Sie glauben das nicht mit dem Kanzlerkandidaten aus Bayern? Seit gestern hat Söder einen süßen Hund. Wenn Röttgen nicht heute den Koala mit auf die Bühne bringt, ist die Messe gelesen.

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