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Eurovision Song Contest

Conchita Wurst und Co. Das sind die Favoriten des ESC 2014

Eine schwedische Helene Fischer, ein norwegischer Wikinger und eine Österreicherin mit Vollbart: In Kopenhagen beginnen die Proben für den ESC. Gegen diese Favoriten treten Elaiza an.
Von Jens Maier

Der norwegische Teilnehmer Carl Espen trägt ihn und die französische Band Twin Twin ("Moustache") besingt ihn: Bart ist angesagt. Auch beim ESC in Kopenhagen. Mit Conchita Wurst aus Österreich nimmt zum ersten Mal in der ESC-Geschichte eine Frau mit Vollbart teil. Doch Gesichtsbehaarung hin oder her - bei den englischen Buchmachern liegt ein glattrasierter Armenier vorn. Das sind die großen Favoriten fürs Finale am 10. Mai:

Armenien: Das große Krachen

Er soll den ESC zum ersten Mal nach Armenien holen: Aram Sargisyan - oder kurz Aram MP3. Sein Song ist origineller als sein Künstlername. "Not Alone" fängt als klassische Ballade an. Zwei Minuten werden die Zuhörer von Streichern und Klavier eingelullt wie bei Chris de Burgh, doch dann rummst es. Eine Orgie aus Synthesizern, Beats und Drums ist der dramatische Höhepunkt. Discoinferno! Der pathetische Stil erinnert an die Musik aus einem Roland-Emmerich-Film. Held des Spektakels ist Aram. Der 30-Jährige ist in seiner Heimat ein gefeierter Stand-up-Comedian und hat den Song selbst geschrieben. Ein Tausendsassa wie Stefan Raab also. Ähnlich nuschelig wie vor 14 Jahren dessen "Wadde hadde dudde da" klingt auch das Englisch von Aram. Die Botschaft des Songs, die übrigens schon Roy Black 1964 besang, kommt trotzdem an: You're not alone - Du bist nicht allein!

Schweden: Helene Fischer mit Frisurproblem

Sanna Nielsen gehört mit 29 Jahren zu den Veteranen des schwedischen Popgeschäfts. Besonders beim schlageraffinen Publikum kommt sie an, dementsprechend ist ihr Look. "Sie ist 29 und nicht 49", frotzelten einige Zeitungen über Kleidungsstil und Frisur der Sängerin. Doch Haare hin oder her - mit ihrem Herzschmerz-Song "Undo", geschrieben von Erfolgskomponist Fredrik Kempe, setzte sie sich im schwedischen Vorentscheid knapp durch. Für Kopenhagen gilt sie sogar als Favoritin. Das liegt mehr an ihren Qualitäten als Live-Sängerin und ihrer Erfahrung als am Lied selbst. "Undo" ist vorhersehbar: Vom langsamen Anfang mit Klavierbegleitung bis zum dramatischen Abschluss mit obligatorischem Trommelwirbel gleicht die Ballade typischen Liebesschmachtfetzen à la "My Heart will go on". Fehlende Originalität machen die Schweden mit einer bombastischen Inszenierung wett. Nielsen wird in einem Lichtspektakel aus 18 Scheinwerfern auf der Bühne stehen - eine Fleisch gewordene Santa Lucia. Hoffentlich dann mit neuem Kleid und neuer Frisur.

Dänemark: Jodeldiplom mit Ohrwurmalarm

Jubidabidididum: Nein, sie sind nicht beim Jodeldiplom von Loriot, sondern beim dänischen Beitrag 2014 gelandet. Die Gastgeber des diesjährigen ESC schicken ebenfalls einen Liebessong ins Rennen. Anders als der schwedische verbreitet er statt Depressionen jedoch gute Laune. Wenn der in Marokko geborene und als Kind mit seinen Eltern nach Dänemark ausgewanderte Sänger Anis Basim Moujahid zum Refrain ansetzt, ist Ohrwurmalarm angesagt. "Uuuuhuhuuu, I Love you": Diesen Song kann jeder mitsingen, -pfeifen und -klatschen. Spötter behaupten, dies sei die einzige Qualität des von Basim und drei Dänen geschriebenen Lieds. Denn der "Cliché Love Song" ist, wie er heißt: Gute-Laune-Pop pur. Dass er beim zweiten Mal Hören nicht schon nerviger ist als jedes Rolf-Zuckowski-Kinderlied, liegt nur an der Selbstironie des Songs. "Nur ein weiteres Klischee-Liebeslied" singt Basim und nimmt damit die ewig gleich klingenden Boygroup-Hits der 90er Jahre aufs Korn. Backstreet Boys are back! Dumdidumdidumdidum.

Norwegen: Wikinger mit Elfenstimme

Groß, stark, mit Bart und Tattoos: So sollen Norweger sein. Sänger Carl Espen Thorbjørnsen hat die Gestalt eines Wikingers, aber die Stimme einer Elfe. Dass derart zerbrechliche Töne aus dem Mann kommen, der einst als Türsteher in Bergen arbeitete, ist ihm nicht anzusehen. Sein Song "Silent Storm" ist das, was eine Gänsehautballade genannt wird. Sie plätschert zwar ein wenig vor sich hin, doch die Interpretation des 31-Jährigen ist so einfühlsam, dass er im norwegischen Vorentscheid mit Standing Ovations gefeiert wurde. Thorbjørnsens Stimme ähnelt der von Rufus Wainwright, ebenfalls ein Meister der leisen Töne. Doch wenn der Norweger mit geschlossenen Augen auf der Bühne steht und den einsamen Liebenden gibt, polarisiert das auch. Für Männer, die in hohen Tönen über Herzschmerz singen, rufen nicht alle an. Vor allem dann nicht, wenn der Kerl eigentlich aussieht wie ein Bär.

Österreich: Damenbart mit James-Bond-Song

Diese Frau trägt Damenbart: Als Conchita Wurst wird der aus dem Salzkammergut stammende Sänger Tom Neuwirth Österreich beim ESC vertreten. Sein Erscheinungsbild polarisiert. Mit Dana International hatte der ESC zwar bereits 1998 seine erste transsexuelle Siegerin, ein schwuler Travestiekünstler, der als Frau mit Perücke und Bart auftritt, scheint viele jedoch auch 2014 noch zu überfordern. Conchitas Gegner haben auf Facebook eine "Nein zu Conchita Wurst"-Seite gegründet, in der Ukraine läuft eine Online-Petition gegen sie. Doch die 25-Jährige lässt sich davon nicht beirren. "Wer eine bärtige Frau sein möchte, darf das", sagt sie. Mit ihren liberalen Statements ist sie vor allem bei den vielen schwulen ESC-Fans beliebt und könnte die Heldin von Kopenhagen werden. Dass ihr Song "Rise like a Phoenix" wie ein James-Bond-Song klingt und zu den besten Balladen des Wettbewerbs zählt, gerät da fast zur Nebensache. Man könnte auch sagen: ist Wurst. Conchita Wurst.

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