"24" - Staffel 5 Keine Zeit zum Verschnaufen

Von Frauke Hansen
Hinsetzen, anschnallen, festhalten: "24", die rasanteste Serie der TV-Landschaft, geht in die fünfte Runde. Auch diesmal ist sich Agent Jack Bauer für nichts zu schade - Folter, Mord und Hetzjagd inklusive.

Los Angeles, sieben Uhr morgens. Die Sonne ist gerade aufgegangen, der Großteil der Stadt schläft noch. Ein großer dunkelhäutiger Mann steht am Fenster seines Apartments, hebt den Blick und dreht sein Gesicht in die Kamera. David Palmer, der ehemalige US-Präsident, lächelt sanft - im nächsten Moment explodiert eine Gewehrkugel in seinem Kopf. Der Tag, der so friedlich begonnen hatte, hat sich innerhalb von Sekunden in einen Albtraum verwandelt. Willkommen in der fünften Staffel von "24".

Zeitgleich zur Ermordung des Ex-Präsidenten fliegen zwei Agenten in die Luft, die Bombe in ihrem Auto hatten sie nicht bemerkt. Warum bringt jemand all diese Menschen um, was hatten sie gemein? "24"-Kennern ist schnell klar: Alle Opfer verbindet das Geheimnis um den Tod von Jack Bauer. Der Ex-Agent der Anti-Terror-Einheit CTU lebt offiziell nicht mehr, gestorben bei einer Giftattacke vor 18 Monaten. Doch Bauer hatte seinen Tod nur vorgetäuscht, um einem chinesischen Hochsicherheitsgefängnis zu entkommen - die Opfer hatten ihm bei seiner Flucht geholfen.

Jack Bauer - ein Verräter?

Bauer lebt mittlerweile als Untermieter bei einer allein erziehenden Frau und ihrem Sohn. Von den geheimen politischen Vorgängen in der amerikanischen Regierung bekommt er nicht viel mit - und will auch nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Doch Bauers sorgsam aufgebautes Identitäts-Kartenhaus fällt von einer Minute zur anderen komplett in sich zusammen, als er vom Tod seines Freundes David Palmer erfährt und seine alte Kollegin Chloe O'Brian ihn um Hilfe bittet. Fast augenblicklich fällt Bauer in alte Muster zurück, stiehlt ein Auto und einen Hubschrauber, nimmt eine Geisel und tötet einen Menschen. Was Chloe ihm außerdem erzählt, ist für den Ex-Agenten ein Schock: Er gilt als Verdächtiger im Mordfall David Palmer, sein Gesicht ist auf den Überwachungsvideos eindeutig identifizierbar.

Als Verräter zu gelten, kann Bauer nicht auf sich sitzen lassen: Er macht sich auf, seine Unschuld zu beweisen. Dabei landet er auf dem Flughafen von Los Angeles und wird - während er unentdeckt bleibt - Zeuge einer Geiselnahme durch osteuropäische Terroristen. Die fordern vom amtierenden US-Präsident Charles Logan, das geplante bilaterale Abkommen zur Terrorbekämpfung mit dem russischen Präsidenten Yuri Subarov nicht zu unterzeichnen. Sollte sich der Präsident dem Willen der Terroristen nicht beugen, würden alle Geiseln sterben. Die Uhr tickt - und Bauer ist wieder mittendrin...

Vorhersehbarkeit? Fehlanzeige!

Schon nach zwei Stunden findet sich der Zuschauer fast unmerklich in einem Strudel der Ereignisse wieder, aus dem er nicht entfliehen kann. Genau das ist das Besondere an der preisgekrönten Serie "24": Die Handlung läuft in Echtzeit ab - jede Staffel besteht aus 24 Folgen, jede Folge stellt exakt eine Stunde im Leben des Agenten Jack Bauer dar. Der Zuschauer hat - durch so genannte Splitcreens - das Gefühl, direkt am Geschehen teilzuhaben und keinen der Handlungsstränge zu verpassen. Besonders das Einblenden der hörbar tickenden, sekundengenauen Uhrzeit macht "24" spannend, dramatisch und nicht zuletzt sehr beklemmend. Atempausen (für den Zuschauer und für Bauer) sind nicht eingeplant, ebenso wie eine kritische Reflexion der Geschehnisse.

Mit Bauer darf sich der Zuschauer zu keinem Zeitpunkt in Sicherheit wähnen. "Du bist nie sicher, was er tun wird, nie sicher, wie weit er gehen wird", sagt Evan Katz, Produzent von "24". Eins allerdings ist klar: Bauer ist zu allem fähig. So begab er sich in den vorherigen Staffeln in die Heroinsucht, um an Informationen zu kommen, hackte seinem CTU-Partner einen Arm, einem anderen Mann den Kopf ab, jagte seinem Vorgesetzten auf präsidialen Befehl hin eine Kugel in den Kopf und entführte die Tochter eines Terroristen. Bei diesen Aktionen hat er immer den "worst case" vor Augen - irgendwo könnte es zu einem folgenschweren Anschlag kommen, sollte er zurückschrecken.

Wie er sich also auch entscheiden mag, Schuld lädt Bauer so oder so unausweichlich auf seine Schultern. Durch sein Handeln rettete er aber auch die Welt vor einem Killer-Virus, einem Giftgasanschlag und einer nuklearen Katastrophe. Auch wenn es ihm nicht gefällt: Bauer kann nicht anders, für sein Land würde er sterben. Jack Bauer, ein All-American-Hero wider Willen und mit Blut an den Händen.

Tabubrüche en masse

"24" überschreitet immer wieder Grenzen, gerade die vierte Staffel barg Tabubrüche en masse und wurde scharf diskutiert und kritisiert. Besonders in den Vordergrund gerückt wurde dabei die Frage, inwieweit Folter angewendet werden dürfe, um an wichtige Informationen zu kommen. Besondere Brisanz bekommen solche Fragen, wenn sie in einen Kontext gelangen, den nicht die Serie, sondern das Kopfkino des Zuschauers herstellt. Mit den Folterskandalen von Abu Ghreib, den Verhörmethoden des amerikanischen Geheimdienstes CIA oder den Diskussionen um das Gefangenenlager in Guantanamo Bay im Gedächtnis entwickelt sich eine Verknüpfung, die "24" laut "New York Times" zur "führenden politischen Thriller-Serie der Post-9/11-Ära" mache.

Bauer foltert in Staffel 4 unzählige Male, als sich in einer Szene ein Verdächtiger an eine Menschenrechtsorganisation wendet, wird der zur Hilfe gerufene "schleimige" Anwalt ganz eindeutig negativ dargestellt. Kritiker sahen in "24" deshalb eine Zustimmung zur Kriegspolitik George W. Bushs, was Produzent und Drehbuchautor Surnow gar nicht beabsichtigt hatte: "Wir versuchen nicht, ein bestimmtes politisches Programm zu fordern, aber wir streben danach, nie politisch korrekt zu sein."

Klassischer Kampf zwischen Gut und Böse

Dieses Streben der Produzenten tut dem Zuschauer weh: Szenen, in denen Bauer völlig die Kontrolle verliert und in denen man gezwungen ist zuzusehen, sind fast nicht zu ertragen. Genauso ist es in Situationen, in denen keine andere Lösung als die Folter die Richtige zu sein scheint. Sollen Millionen Unschuldige durch einen Anschlag sterben? Oder doch lieber ein einzelner Terrorist? Fragen wie diese und die ehrliche, weil ungeschönt dargestellte Brutalität Bauers überfordern permanent - soll man diesen schmutzigen Helden nun lieben oder doch lieber hassen? "24" selbst hält sich mit Urteilen über die Tabubrüche zurück.

Vielleicht bedingt durch die teils hitzigen Diskussionen (der Serie wurde auch vorgeworfen, den Hass gegen arabisch aussehende Mitmenschen zu schüren), geht durch die neue Staffel ein deutlicher Linksruck. In der fünften Runde von "24" kommt die Gefahr von rechts außen, es geht wieder um den klassischen Kampf zwischen Gut und Böse. Die Rollen sind unklar - wem kann Bauer trauen, wem nicht? Gibt es etwa einen Verräter in den CTU-Reihen? Geht eine Verschwörung im Weißen Haus vor sich? Wie tief ist der Präsident selbst in die Ereignisse verstrickt? Und nicht zuletzt: Wer will Jack Bauer an den Kragen? Wieder einmal bewahrheitet sich Bauers Lebensphilosophie: Traue niemandem. Nur auf eins kann er sich verlassen: Die Zeiger der Uhr bewegen sich ohne Pause vorwärts - und wenn 24 Stunden vorüber sind, wird die Sonne wieder aufgehen.

RTL II zeigt "24" ab dem 3. Januar ab 21.15 Uhr mit jeweils drei Folgen am Stück.

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